Mina und die Traumzauberer

Drømmebyggerne

Dänemark 2020 · 80 min. · FSK: ab 0
Regie: Kim Hagen Jensen, Tonni Zinck
Drehbuch: ,
Musik: Kristian Eidnes Andersen
Schnitt: Rikke Selin Fokdal
Träume als Chance, das Leben so zu verändern, dass es lebenswerter wird
(Foto: Splendid/24 Bilder)

Freud für Freunde

»Das Studium des Traumes dürfen wir als den zuver­läs­sigsten Weg zur Erfor­schung der seeli­schen Tiefen­vor­gänge betrachten.« – Sigmund Freud, Jenseits des Lust­prin­zips

Es geht ein bisschen drunter und drüber bei den Film­starts in Corona-Zeiten. Eigent­lich läuft ja der dänische Anima­ti­ons­film Mina und die Traum­zau­berer erst am 4. Juni deutsch­land­weit in den paar Kinos, die schon geöffnet haben, an, aber in München ist er einfach schon am 28. Mai im Autokino Aschheim gestartet. Das mag sich anar­chis­tisch und dysfunk­tional anhören, aber in Bezug auf Kinder­filme kann man eigent­lich nur sagen: besser so, als gar nicht. Denn was in München schon alles an guten Kinder­filmen nicht gelaufen ist, darüber ließe es sich grün und blau ärgern.

Und Mina und die Traum­zau­berer wäre wahr­schein­lich genau einer dieser Filme in Vor-Corona-Zeiten gewesen, der es gar nicht nach München geschafft hätte. Denn Kim Hagen Jensen und Tonni Zincks Anima­ti­ons­film ist kein Film der großen US-Studios, sondern ein dänischer Zeichen­trick­film, dessen einzige Main­stream-Referenz viel­leicht das Thema selbst ist. Denn wie in Pixars Alles steht Kopf, in dem die emotio­nale Achter­bahn­welt einer sich entwi­ckelnden puber­tären Phase erzäh­le­risch verbild­licht wird, so begibt sich auch Mina und die Traum­zau­berer in die Abgründe der kindlich-mensch­li­chen Psyche: Als die Freundin von Minas Vater mit ihrer Tochter Jenny bei ihnen einzieht, ist Mina ziemlich frus­triert. Sie will die beiden am liebsten sofort wieder loswerden, weil nicht nur der normale Alltag, sondern auch ihr eigener Vater sich immer mehr von ihr entfremden. Eines Nachts entdeckt Mina dann aller­dings, dass hinter ihren Träumen eine eigene, äußerst bizarre Welt existiert. Dort insze­nieren Traum­zau­berer wie bei einem Thea­ter­stück die Träume der Menschen. Diese Entde­ckung will Mina nutzen, um Jennys Träume soweit zu steuern, um endlich wieder Kontrolle über ihr reales Leben zu gewinnen.

Kim Hagen Jensen und Tonni Zinck gestalten diese Reisen in die freudsche Traum­theorie mit subtilem Humor, ohne dabei aller­dings das Grauen zu vergessen, das unsere Träume auch ausmachen und die von den beiden Regis­seuren als gezielte Span­nungs­ele­mente in den Plot inte­griert werden. Der bonbo­nar­tige Anima­ti­ons­stil fängt diese unter­be­wussten düsteren Tiefen aller­dings immer wieder geschickt ab und macht Mina und die Traum­zau­berer deshalb auch für Grund­schul­kinder zu einer echten Empfeh­lung. Denn anders als etwa Henry Selicks Anima­tions-Meis­ter­werk Coraline aus dem Hause Laika, in dem der Untergang der ameri­ka­ni­schen Mittel­klas­se­fa­milie in fast schon Breaking-Bad-artiger Bösar­tig­keit erzählt wird, besinnt sich das dänische Mina-Projekt dann doch auf Träume als Hoff­nungs­spender.

Denn mit der freud­schen Erkenntnis, dass es einen eindeu­tigen Zusam­men­hang zwischen Träumen und persön­li­cher Lebens­ge­schichte gibt, zeigt Mina und die Traum­zau­berer nicht nur die Versu­chung, mit diesem Wissen zu mani­pu­lieren, sondern letzt­end­lich auch die Chance, damit das Leben so zu verändern, dass es lebens­werter wird. Und dass dieses »lebens­werter« letztlich nicht auf das Indi­vi­duum beschränkt ist, sondern immer auch Familie und Freunde »ansteckt«, egal wie sehr diese auch Flicken­tep­pich und Chaos sind.

Diese zärtliche, aber dann doch sehr bestimmte Vermitt­lung einer sehr offenen »Familien- und Gesell­schafts­moral« macht Mina und die Traum­zau­berer zu einem kleinen Juwel, das es allemal mit den Groß­dia­manten von Pixar, Walt Disney oder Dream­Works aufnehmen kann.