USA 2017 · 104 min. · FSK: ab 16 Regie: Daniel Espinosa Drehbuch: Rhett Reese, Paul Wernick Kamera: Seamus McGarvey Darsteller: Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson, Ryan Reynolds, Hiroyuki Sanada, Ariyon Bakare u.a. |
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Abgeschirmtes Bewusstsein |
Es war einmal in einer nahen Zukunft. Die Weltraumfahrt ist längst Routine geworden. Und irgendwann ist es so weit: Eine Probe vom Mars erreicht eine Gruppe von Wissenschaftlern in einer Weltraumsonde. Sie wird untersucht und bald steht das sensationelle Ergebnis fest: »Diese Probe ist ein riesiger Einzeller«, freut sich einer der Forscher: »Eindeutig biologischer Natur. Der erste Beweis für ein Leben außerhalb der Erde.«
Wie soll man damit umgehen? Am Anfang regiert noch Political Correctness: Leben, das ist doch etwas Tolles, und an allem Bösen in der Welt sind, bitteschön, im Zweifel die Menschen schuld, vor allem die Wissenschaftler, vor allem weiße, männliche…
So wird dann schwadroniert wie in einer von der neuen White-men’s-burden des schlechten Gewissens geplagten Studenten-WG in Neukölln: »Wir dürfen niemals die fatalen Auswirkungen vergessen, die wir auf unzählige Völker dieser Erde gehabt haben.« Oh nein! »Menschen, die uns vertraut haben ... die wir durch unsere Gedankenlosigkeit zerstört haben.« Oh ja. »Vielleicht müssen wir genau dort ansetzen: Bei uns selbst.« Genau, genau. Darum zerstören sie jetzt halt in ihrer neuen Gedankenlosigkeit sich selbst.
Denn die Euphorie der Besatzung über das außerirdische Leben, das sie entdeckt haben, hält nicht lange an. Das lebende Etwas, das vermeintlich niedliche Ding aus einer anderen Welt, ein weißliches Etwas, das ein wenig aussieht wie eine Albino-Krake mit Flugfähigkeiten ist gar nicht so putzig, sondern ist bereits trickreich ins Innere des Raumschiffs eingedrungen, macht sich dort breit, und metzelt dessen Besatzung gnadenlos nieder.
»Was ist der Urinstinkt einer jeden
Lebensform?« – »Überleben.« Genau darum geht es dann den restlichen Teil des Films. Alien, der inzwischen auch schon fast vierzig Jahre alte verstörende Horror-Klassiker von Ridley Scott, lässt grüßen.
Mit Safe House, einem Film über ein – man ahnt es – keineswegs besonders sicheres Haus zur Unterbringung wichtiger Anti-Mafia-Zeugen, wurde der in Schweden aufgewachsene, aus Chile stammende Hollywood-Regisseur Daniel Espinosa bekannt. Sein neuer Film Life ist ein Science-Fiction mit vorgeblich tieferer Bedeutung, verstörendem Horror und hochklassiger Besetzung: Jake Gyllenhaal, Rebecca Ferguson und Ryan Reynolds spielen die Hauptrollen.
Life ist kein wahnsinnig origineller Film, aber er passt hervorragend zum Zeitgeist: Die Welt der Zukunft, die hier gemalt wird, ist eine düstere Dystopie. Statt das Faszinosum eines Kontakts mit extraterrestischem Leben positiv und optimistisch auszumalen, wie das im klassischen Science-Fiction, bei Steven Spielberg und zuletzt in Christopher Nolans Interstellar und Denis Villeneuves Arrival geschieht, ist hier das Fremde ausschließlich Störenfried und mörderische Bedrohung.
Auch die Kritik an der angeblich ach so bösen, weil angeblich ach so gedankenlosen Wissenschaft ist eigentlich nichts als billigster Kniefall vor dem Zeitgeist: »Gott spielen«, jaja, das ist natürlich böse, und oh weh! Was hat das bloß für Folgen, wenn Menschen ihre Grenzen nicht anerkennen wollen!
Also, liebe Kinder, glaubt besser an den lieben Gott als an die Wissenschaft und hört endlich auf, neugierig zu sein und irgendwie über Euch hinauszustreben. Werdet wie die Pflanzen, die still vor sich hinwesen. Die böse, böse Wissenschaft macht euch nur wehrlos gegen das Fremde und Neue, das doch enorm gefährlich ist. Versucht bloß nicht, das Fremde zu verstehen. In Wahrheit muss man das Fremde töten.
Auch in der aktuellen Debatte um das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit schlägt der Film sich ganz auf die konservative Seite der Sicherheit. Im Zweifel für die Angst vor dem Fremden. Vor den Einwanderern. Vor den Flüchtlingen.
Nur in einer Hinsicht ist die Perspektive dieses Films europäischer und aufgeklärter: Denn Life denkt auf seine Art über Fragen wie das Wesen und den Sinn des Lebens nach. Die Pointe des Nachdenkens ist, dass hier das Leben an sich nicht in jedem Fall als etwas Positives erscheint. Manchmal ist es offenbar gut, dass das Leben nicht zur Welt kommt. So erscheint Life als eine Art Werbefilm für Pro-Choice.
Ansonsten liefert er
einigermaßen genau das, was von einem solchen Film erwartet wird: Spannung, Thrill, Horror, Schockeffekte.