Finnland/D/AUS 2011 · 92 min. · FSK: ab 12 Regie: Timo Vuorensola Drehbuch: Michael Kalesniko Kamera: Mika Orasmaa Darsteller: Julia Dietze, Christopher Kirby, Udo Kier, Peta Sergeant, Stephanie Paul u.a. |
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Ironie, Ironsky |
Finnische Sauna ist gut für die Bronchien – das wissen wir aus der Bonbon-Werbung. Dass sie auch den Genus Loci für filmische Ideen beherbergen kann, dürfte weniger bekannt sein. Und doch: hier alberten der finnische Regisseur Timo Vuorensola und Drehbuchautor Jarmo Puskala zum ersten Mal über auf dem Mond lebende Nazis herum. Ein schmissiger Trailer, eine reißerische Tagline (»1945 flogen die Nazis zum Mond, 2018 kommen sie zurück«) entstanden irgendwann und machten neugierig. Was soll das für eine Geschichte werden? Und: wird es überhaupt eine Geschichte?
Sieben Jahre nach dem denkwürdigen Saunaaufenthalt kommt die Antwort in die Kinos, mit einem Ausrufezeichen, das so groß ist, dass es so manchen großen Namen aus der Sci-Fi-Filmwelt aus seinen blutleeren Sagalandschaften reißen sollte. In der gelungenen Groteske Iron Sky planen Exil-Nazis ihre Rückkehr auf die Erde – mit Bombenteppichen und großem Raumschiff, »der Götterdämmerung«, die nur noch in Gang gebracht werden muss. Helfen soll dabei ein amerikanischer Astronaut, der bei seiner Mondlandung gefangen genommen wird. Die Vision von der Erderoberung scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein, vor allem für Nachrichtenübermittlungsoberführer Adler, der nur darauf wartet, Führer Kortzfleisch zu entmachten und den großen Siegeszug einzuläuten – wären da nicht die machtbewusste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, die unbedingt wiedergewählt werden will, ihre gerissene Kampagnenmanagerin und Lehrerin Renate, deren Nazi-Ideale vom Mond für sie zunehmend an Glanz verlieren.
Über »Naziploitation«, die unernste Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich, wie der Film sie praktiziert, darf man nicht lachen. Man muss es. Und zwar von ganzem Herzen, weil er, bei allem Slapstick und Klamauk, in keiner Sekunde seine guten Absichten aus den Augen verliert. Die Frage nach der Lachlizenz erinnert etwas an die erste Zeit von Monty Pythons Das Leben des Brian, als sich die Briten mit dem Vorwurf der Ketzerei konfrontiert sahen. Auch Iron Sky macht sich über Fanatismus und fragwürdiges Machtgebaren lustig, nur eben auf der Folie des Zusammentreffens der Ewiggestrigen, die wiedererstarken wollen und einer Supermacht von heute, die um jeden Preis den Status quo erhalten will. Bei diesem gleichnishaften Gedankenspiel ist die eine Seite schon mal der anderen Parasit: Die rückständige Nazi-Kriegsmaschinerie vom Mond wird mit moderner Technik von der Erde in Gang gebracht (wer sieht nur Gutes in Steve Jobs Erfindungen?), während sich die Erdling-Politiker dankbar die Nazi-Ideologie vor den PR-Karren spannen, um sie bei Bedarf schnell wieder abzulegen. Das ist nur eine der hintergründigen Beobachtungen, die Iron Sky offenbart.
An dieses Filmprojekt haben viele Menschen von Anfang an geglaubt. Das zeigt nicht zuletzt die hervorragende Besetzung mit ihren hochkarätigen deutschen Stars und nicht minder herausragenden australischen Schauspielern, die ihren Rollen genau das richtige Quantum Übertreibung einflößen, das eine gelungene Groteske verlangt. Natürlich hat dann der Kuss Überlänge, ist die Flucherei exzessiv und jedes Gefecht ausladend. Für das Lächerlich-Überdimensionale, das der Film in seinen beeindruckenden Set-Designs und Special-Effects zur treibenden Musik von Laibach zeigt, gibt es sogar einen Vuorensola'schen Neologismus: Alles solle nach »Jönssi« aussehen, das kein finnisches Wort ist, aber nach »Eiern« klingt, an hemmungslose Troma-Kreativität erinnert und die Schaulust während der kurzweiligen 92 Minuten noch intensiviert.
Iron Sky ist nicht zu trennen von seiner Entstehungsgeschichte, die ihn zum integrativen Sci-Fi-Movie macht. Das Modell Crowdfunding hat hier auf vielen Ebenen funktioniert. Das ist vor allem der treuen Fangemeinde Vuorensolas zu verdanken, die sich nach seinem online-Überraschungserfolg »Star Wreck«, einer Star-Treck Persiflage für den Download, nach neuem Material des findigen Finnen sehnte. Zehn Prozent des 7,5 Millionen günstigen Films wurde so finanziert von Menschen, die dem Spendenaufruf im Internet gefolgt sind, sicher auch, weil sie viel dafür geboten bekamen. Mitsprache und Beteiligung gegen private Filmförderung war der Deal. Und so kam es, dass die Geld gebende Community „Iron Sky“ selbst mitgestalten konnte, unter anderem in Foren zum Script, bei Q&As mit den Darstellern oder durch Statistenrollen beim Außendreh in Frankfurt, für den über 100 Menschen aus ganz Europa anreisten. Umso bemerkenswerter ist deshalb die Leistung vom Regisseur und den »festen« Drehbuchautoren Johanna Sinisalo und Michael Kalesniko, die es geschafft haben, eine klare Struktur zu behalten und den großen Input richtig einzuordnen. So ist Platz für jede Menge Klamauk, der auf unzählige Sci-Fi-Klassiker verweist, aber zum Glück eben nicht nur. Die Liebe fürs Detail setzt sich unter anderem in den Dialogen fort: Da die Nazis von der dunklen Seite des Mondes sich auch sprachlich nicht weiterentwickelt haben, »potzblitzt« und »sappralottet« es immer wieder mal, der USB-Stick wird kurzerhand zur »Umfassend Systematischen Bindung«.
Bei seiner Premiere auf der diesjährigen Berlinale stieß die finnisch-deutsch-australische Koproduktion bei Kritikern nicht nur auf Lob. Zu »langweilig, platt und mutlos«, befand beispielsweise Daniel Erk in der »Zeit«. Das Publikum ist offenbar anderer Meinung, in Finnland sind die Menschen genauso begeistert aus dem Kino gekommen wie bei der Berlinale. Ein internationales Gesamtkunstwerk, das Kritiker spaltet und sein Publikum eint – was braucht ein Kultfilm mehr?
Wir schreiben das Jahr 2018, die Menschheit bewegt sich weiter im unaufhaltsamen Fortschritt: Die rechtslastige Tea-Party-Sympathisantin Sarah Palin ist inzwischen US-Präsidentin und führt – »Yes she can!« – mittels Fernsehsender TTN – »Total Truth Network« – Wahlkampf für ihre Wiederwahl.
Ein Raumschiff ist auf der Leinwand zu sehen, der Song »Take me to heaven« erklingt, dann Heimatfilm Musik – denn auf des dunklen Seite des Mondes ist die Welt noch ganz anders in Ordnung: Kurz darauf sieht man Astronauten mit sonderbar altmodischen Sauerstoffmasken und einem Raumhelm, der die Form eines Wehrmachtsstahlhelms hat – und tatsächlich: »Schwarze Sonne« heißt die Raumstation im Hakenkreuzgrundriss, auf die – so die Prämisse des Films – seit 1945 eine Gruppe von Nazis mittels »Reichsflugscheiben« zurückgezogen und versteckt hinterm Mond friedlich überlebt hat...
Und so geht es weiter: Ein Führer namens Kortzfleisch regiert »Das Vierte Reich«, das von deutschen Jungs mit kurzen Haaren und blonden langhaarigen Mädels in Uniformen bevölkert ist. Diese Nazi-Urenkel heißen Siegfried und Brunhilde, sie brüllen »Heil Kortzfleisch!«, reißen den rechten Arm reflexhaft in die Höhe, machen auch sonst zackige Bewegungen: man hört lautes »Achtung!« und »Jawoll!!«-Schreien, die Nationalhymne ist »Lieb' Vaterland, magst ruhig sein«, die Raumschiffe sind Riesenzeppeline, sie heißen »Götterdämmerung«, »Siegfried« und »Heinrich«, die ganze Welt ist hart wie Kruppstahl und unbedingt analog: Auch die Space-Nazis haben Computer, die sind aber auf dem Stand der frühen 50er Jahre stehengeblieben.
Als der schwarze US-Astronaut James Washington (Christopher Kirby) mit seinem iPhon vor dem lauten, dampfenden, wohnzimmergroßen Teil fassungslos fragt: »Was ist denn das?« – lautet die Antwort daher ganz folgerichtig: »Das ist ein Computer, Dummer Neger!«
Dann wird er – »Whats wrong with your skin?« – von einem irren Wissenschaftler albinisiert. Er soll mitkämpfen und zur Wunderwaffe werden in der Schlacht um den galaktischen Endsieg. Denn die Mondnazis wollen der Welt den Frieden bringen, das erklärt schon das blonde deutsche Idealmädel Renate Richter (Julia Dietze, die so spielt, wie sie aussieht) als Lehrerin den kleinen Pimpfen und Pimpfinnen: Der Nationalsozialismus ist ach so friedliebend.
Darum reisen der potentielle nächste »Commander of the Fourth Reich« und ehrgeizige »Nachrichtenübermittlungsoberführer« Klaus Adler (Götz Otto), Washington und Renate (die auch noch Adlers Geliebte ist) als blinde Passagierin in geheimer Mission zur Erde, um sich dort mit Energie zu versorgen.
Nazis im Weltraum – Was auf den ersten Blick fast geschmacklos und jedenfalls höchst merkwürdig anmutet, ist eine groteske, schrille, sehr sehr kurzweilige Parodie. Ihren Titel Iron Sky muss man unbedingt doppelsinnig verstehen: Wörtlich übersetzt als »Eiserner Himmel« und damit Ausdruck der martialischen, analogen Welt des Faschismus, aber doch genauso auch als Verweis auf die grundsätzlich ironische Haltung der Filmemacher. Aber ist das witzig? Kann man und darf man über Nazis lachen? Man kann und darf. Quentin Tarantino hat das in Inglourious Basterds für unsere Gegenwart vorgemacht – Lubitsch und Chaplin muss man da gar nicht erwähnen. Dieses Niveau erreicht der finnische Regisseur Timo Vuorensola mit seinem Film zwar nicht. Das wäre aber auch sehr viel verlangt.
Aber ähnlich wie diese großen Vorbilder versucht auch er, dem Albtraum von Faschismus und Vernichtungsphantasie mit Übertreibung und Humor beizukommen. Und auch ihm gelingt das Unterfangen. Wer hier angemessene Betroffenheit vermisst, dem kann man nicht widersprechen, doch dieses Fehlen wird dadurch wettgemacht, dass in Iron Sky die grotesken Seiten des Schreckens bloßgestellt werden, die NS-Gläubigen als Witzfiguren entlarvt.
Hervorragend ist auch der Musikgebrauch des Films: Fast permanent läuft Musik von Richard Wagner, wenn auch munter verfälscht: Selbst der Rap-Song im Film hat eine Wagner-Melodie. »There is no such thing as originality« sagt dazu der Regisseur. Der Rest ist »Laibach«. Insofern bewegt sich der Film in den Fußstapfen des Rahmen des populären Faschismus-Verständnisses. Erst am Schluss geht ihm dann etwas die Luft aus. Man kann überdies auch sofort zugeben: Aus der Tagline des Films – »1945 flogen die Nazis zum Mond, 2018 kommen sie zurück« – hätte sich mehr machen lassen.
Sehr sehr lustig sind dafür aber immer noch jene Szenen, in denen Sarah Palin im UNO-Sicherheitsrat auftritt, und diesen nach der Weltraumattake – »The Moon Nazis are coming« – für den Gegenschlag gewinnen will. Da sagen zum Beispiel die meisten Dritte-Welt-Vertreter so etwas wie »Nazis greifen aus dem Weltraum an... – auf einen blöderen Einfall konntet ihr Amerikaner wohl nicht kommen.« Da steht plötzlich der Botschafter von Nordkorea auf, und übernimmt die volle Verantwortung: »Die Angreifer waren wir!« – und der Sicherheitsrat lacht zum zweiten Mal. Dann wird entdeckt, dass der Vertreter Indiens einen Hakenkreuz-Ring trägt und er wird als Nazi-Spion verdächtigt, und dann sagt er das, was Inder in immer sagen, wenn die Rede aufs Hakenkreuz kommt: »Non no no – this is a Symbol of peace!«
Doch insgesamt gelingt Vuorensola, der eine gute Million Eure seines vergleichsweise minimalen Budgets – Gesamthöhe etwa 7,5 Millionen Euro – per Internet-»Crowdfunding« zusammenkratzte, eine furiose postmoderne Nazi-Persiflage mit einer intergalaktischen Zeppelin-Endzeit-Schlacht, und bissigen Seitenhieben auf die Gegenwart der USA: Denn es ist klar, was in diesem Film auch kommen muss: Die Nazis landen irgendwann auf der Erde und verkünden dort: »We are the answer to the question«. Dann machen sie schnell Wahlkampf für Sarah Palin! Yes, they can! »Don’t you believe me? Watch the news. News don’t lie!«