Ich – Einfach unverbesserlich 4

Despicable Me 4

USA 2024 · 95 min. · FSK: ab 6
Regie: Chris Renaud, Patrick Delage
Drehbuch: ,
Musik: Heitor Pereira
Schnitt: Tiffany Hillkurtz
Filmszene »Ich - Einfach unverbesserlich 4«
Im falschen Film...
(Foto: Universal)

Ich, Trump, unverbesserlich!

Felonious Gru und seine Minions wird es wohl so lange geben, wie es Trump und all die anderen erwachsenen, populistischen Kinder unserer Gegenwart geben wird – immerhin ist Chris Renauds viertes Installment dann doch lustiger als die Politik

Um einem ausge­nu­delten Franchise wie dem von Chris Mele­dandri 2010 erstmals produ­zierten Ich – Einfach unver­bes­ser­lich noch etwas abge­winnen zu können, muss man sich vor allem fragen, warum es weiterhin noch so populär ist, warum es nach den ersten beiden hervor­ra­genden Filmen überhaupt weiter­ging? Denn bis dahin wurde immerhin eine spannende Helden­reise erzählt, gelang es Felonious Gru, seinen inneren, bösen Schwei­ne­hund und das Allein­sein zu besiegen und all seine Träume und Hoff­nungen auf das System »Familie« zu setzen. Das war trotz dieses ja in so vielen ameri­ka­ni­schen Filmen repro­du­zierten Klischees wegen einiger wunderbar ausge­spielter Anta­go­nismen immer noch witzig, doch in Ich – Einfach unver­bes­ser­lich 3 (2017) dann einfach nur noch ärgerlich. Dabei sei das erste Minions-Spin-off (2015) und das letzte Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss (2022) gar nicht erwähnt, geht hier auch die letzte Reibung, die eine gute Erzählung braucht, völlig verloren.

Ich – Einfach unver­bes­ser­lich 4 setzt im Grunde an Ich – Einfach unver­bes­ser­lich 2 an, mit Gru und seiner Entschei­dung für die Familie und den üblichen Folgen, die jeder kennt, der einmal eine Familie gegründet hat. Chris Renaud, der bereits in den ersten beiden Teilen Regie geführt hat (und später auch in Pets) nimmt sich hier immer wieder genügend Zeit, um Grus patchwork-artiges Fami­li­en­leben mit seinem gerade geborenen ersten eigenen Kind durch­zu­de­kli­nieren, vor allem sein Leid, dass sein Baby ihn nicht wirklich anzu­nehmen scheint und nur in Lucy Wildes Armen lacht wie Babys lachen, wenn Sie sich wohl­fühlen. Nach diesem zweiten Intro, das einem ersten ebenfalls gelun­genen Intro, einem geschickt dekon­stru­ierten Klas­sen­treffen der Böse­wicht­klasse auf dem Böse­wicht­in­ternat, das Gru einst besucht hat, folgt, verliert sich Gru mit Familie und Minions in einem fast eins­tün­digen Action-Spektakel, bei dem die stärksten Momente eben die sind, die nichts mit dem Kampf gegen seinen ewigen Konkur­renten Maxime Le Mal zu tun haben, wie etwa Grus Tennis­ver­ab­re­dung, die nicht nur das Tennis­spiel ad absurdum führt, sondern Gru als verwun­deten Charakter zeigt, der Angst hat, bei den reichen und gebil­deten Nachbarn anzuecken und durch­zu­fallen. Gleich­zeitig sieht sich Gru in seiner Achter­bahn­fahrt der Gefühle aber auch mit weiteren wunden Punkten in seinem Leben konfron­tiert und und lernt über einen weiteren Gegen­spieler-Charakter, das Nach­bars­kind Poppy, auch seinen schlechten, krimi­nellen Teil wieder lieben. Auch deshalb, weil er merkt, dass ihn dann auch sein eigenes Baby liebt. Dieser Aufruf zu radikaler Authen­ti­zität statt anbie­derndem Heli­ko­ptern ist viel­leicht das Über­ra­schendste an dem vierten Teil dieses Franchise und kommt gerade am Ende auch als über­zeu­gende Botschaft für Groß und Klein an.

Dazwi­schen muss Groß und Klein aller­dings mit einer knappen Stunde Radau und den üblichen Verfol­gungs­jagden leben, die durch die Anwe­sen­heit von ein paar mutierten Minions, den soge­nannten Mega-Minions, neue Quali­täten beweisen sollen. Doch da jeder Liebhaber dieses Franchise weiß, dass die Minions nun einmal anar­chi­sche Gesellen sind (oder sollte man sagen: waren?), passiert auch hier das, was nun einmal passieren muss. Weil das in seiner ewigen Wieder­ho­lung lang­weilig ist, muss man sich als Zuschauer ander­weitig beschäf­tigen, z.B. mit der anfangs einge­streuten Frage, warum es dieses ausge­nu­delte Franchise überhaupt noch gibt. Sieht man sich diesen system-spren­ge­ri­schen, ja zerstö­renden Klum­per­quatsch für ein paar Augen­blicke als Propa­gan­da­pro­duk­tion rechter und linker Popu­listen an, wird es fast schon wieder spannend. Denn die Minions gibt es, seit der Popu­lismus auf der Welt wieder populär wurde und seine Helden wie Berlus­coni, Trump oder Bolsonaro machen nichts anderes a lsdas, was die Minions machen. Wie die Minions behaupten sie, den einzig richtigen Volks­willen zu kennen und eben nur sie selbst bean­spru­chen auch, allein diesen Volks­willen zu vertreten. Wie die Minions stellen sie in ihren Argu­menten ein positiv charak­te­ri­siertes »Wir« einem als negativ gekenn­zeich­neten »die anderen« gegenüber, den sie mutwillig ärgern und stören. Und wie die Minions verkürzt, drama­ti­siert und emotio­na­li­siert auch der Popu­lismus unserer Gegenwart bewusst kompli­zierte gesell­schaft­liche Fragen und behauptet, dass die Lösung dieser Fragen im Grunde ganz einfach wäre und eine betont »dünne Ideologie« genau die richtige sei, um für immer als befreites Kind kindlich handeln zu können. Weshalb es sehr wahr­schein­lich ist, dass wir mit diesem vierten Teil bei weitem noch nicht den letzten Teil eines Franchise gesehen haben, das mit Jux und Absur­dität und viel­leicht ja sogar apoli­tisch und anar­chisch begonnen hat, inzwi­schen aber zu einem furcht­ein­flößenden Sound­track unserer populär-poli­ti­schen Gegenwart geworden ist.