Drag Me to Hell

USA 2009 · 99 min. · FSK: ab 16
Regie: Sam Raimi
Drehbuch: ,
Kamera: Peter Deming
Darsteller: Alison Lohman, Justin Long, Lorna Raver, David Paymer, Dileep Rao u.a.
Horrorgebiss

Die Geburt der Actionheldin aus dem Horrorurschlamm

Als erstes sieht man das alte Universal-Logo. Eine Erin­ne­rung an jene Tage, als Sam Raimi in den frühen 80ern das Horror­kino glei­cher­maßen mit Slapstick-Komik und Splatter anrei­cherte. Das Resultat waren wilde, anar­chisch-unbändige Filme (The Evil Dead), die dieses Genre zurück­ka­ta­pul­tierten in die allge­meine Wahr­neh­mung. Daran knüpft Raimi nun an, nach Ausflügen ins Main­stream­kino der Spider-Man-Filme, und kehrt zurück zu seinen Vorlieben. Drag Me To Hell ist ehrlich, klar, gradlinig, ein gewis­ser­maßen unschul­diger Film, der sich nost­al­gi­sche Remi­nis­zenzen an The Exorcist und Halloween erlaubt, damit ein bewusstes Gegen­pro­gramm zum uniro­ni­schen Prolo-Horror a la Hostel und Saw formu­liert, und trotzdem ganz ein Kind unserer Zeit ist: schnell geschnitten, kühl durch­dacht, ein bisschen zu klug, um einen ganz mitzu­reißen.

Christine Brown ist Bankerin in Los Angeles. Sie hat einen harten Chef, einen intri­ganten Kollegen und die Aussicht auf einen Karrie­re­sprung. Christine ist vor allem für die Kredit­ver­gabe zuständig. Oft genug macht sie damit Leute glücklich, doch eines Morgens hat sie eine überaus unan­ge­nehme Aufgabe: Einer alten Frau, die schon mehrfach mit Zahlungen säumig war, verwei­gert sie die Kredit­ver­län­ge­rung. Christine hat gute Gründe dafür, aber wir Zuschauer wissen auch, dass sie das vor allem macht, um den Chef zu beein­dru­cken. Der Kapi­ta­lismus ist eben böse. Aber nicht nur er: Chris­tines schlechtem Gewissen folgt die Strafe. Die Alte, schon zuvor mit braunen Fingernä­gel­krallen und einem gelben Gebiß recht ekelig insze­niert, ist eine Hexe und bedeckt Christine mit einem Fluch. Nun wird ihr Alltag zur Hölle.

Es wäre sinnlos, sich mit den meta­phy­si­schen Voraus­set­zungen von Drag Me To Hell lange aufzu­halten: Es gibt das Böse und den Teufel, Geister und Flüche, und Menschen können schon mal vom Erdboden verschluckt werden. Inter­es­sant ist, wie Raimi dieses Korsett in unseren modernen Alltag übersetzt. Denn obwohl das Script bereits vor zehn Jahren entstand, ist hier alles aktuell: Die proppere Blondine Christine sieht aus wie frisch einer Busi­ness­school entsprungen, und reprä­sen­tiert in ihrer Mischung aus Gutgläu­big­keit, Ehrgeiz und Sturheit einen Finanz­ka­pi­ta­lismus, der auf seinen eigenen Idea­lismus herein­ge­fallen ist, und längst nicht mehr merkt, wie der Ehrgeiz in falsche Bahnen gelenkt wurde, Mensch­lich­keit unter die Räder der Bilanzen geraten ist.
Raimi gibt dem auch eine gewisse psycho­lo­gi­sche Grun­die­rung, indem er Christine eine hässliche Vergan­gen­heit gibt: Ein früher pumme­liges Provinz-Girl aus kleinen Verhält­nissen, die Mutter Alko­ho­li­kerin. Durch die nicht ganz ange­mes­sene Härte gegen die arme Alte verab­schiedet sie auch diese Herkunft. So wird dies jenseits aller Satire auch zur Konfron­ta­tion des sauber-korrekten American-Dream mit seinen Hinter­höfen, die schmutzig und dreckig sind aber viel Realität atmen.

Drag Me To Hell ist in jeder Hinsicht ein schlichter Film, gerade darin liegt sein Reiz. Denn diese Schlicht­heit ist sehr wirksam insze­niert: Der Horror kommt nach einfachstem Rezept. Eine Ruhephase leitet immer alles ein, dann setzt betont bedroh­liche Musik ein, gefolgt vom Lärm irgend­wel­cher Alltags­ge­gen­s­tände, Türen­knarren, Fens­ter­schlagen im Wind, und viel­leicht einigen unan­ge­nehmen, eher ekeligen als scho­ckie­renden Bildern, alles möglichst schnell-geschnitten, dann folgt wieder Ruhe. Man ist als Zuschauer selbst erstaunt, welche Wirkung diese primi­tiven Tricks entfalten können.
Nicht viel subtiler ist auch die Insze­nie­rung des Sata­ni­schen über Kleidung und Aussehen: Osteu­ropäer, Zigeuner zumal, tragen das Böse in die Welt, Asiaten kann man so wenig trauen, wie Yuppies, zu grell geschminkte Mädchen sollten ebenso Verdacht erwecken, wie Punks. Doch der Teufel wartet auch im Auto oder kommt durchs Mobil­te­lefon. In dieser Belebung unserer Alltags­ge­gen­s­tände wird der Film mitunter zu reinen Komödie über das moderne Leben.

Das er auch anders kann, hatte Raimi bereits in der so großar­tigen wie lust­vollen Vorspann­se­quenz demons­triert, in der er zu den Darstel­ler­namen Bild­mo­tive aus der Kultur­ge­schichte des Sata­nismus vor weißer Wand in Schwarz in Bewegung versetzt. Lohnen tut sich der Film schließ­lich wegen einiger atem­be­rau­bender Szenen – etwas Chris­tines Kampf mit dem Dämon in einem Parkhaus. Und wegen Jungstar Alison Lohman in der Haupt­rolle: Wenn sie irgend­wann bei strö­mendem Regen auf einem Friedhof ein Grab ausbud­delt, und mit einer Leiche kämpft, die sich selbst­ständig macht, ist aus sata­ni­schem Urschlamm eine neue Actionhor­ror­heldin geboren.