Die perfekte Ehefrau

La bonne épouse

Frankreich 2020 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: Martin Provost
Drehbuch: ,
Kamera: Guillaume Schiffman
Darsteller: Juliette Binoche, Yolande Moreau, Noémie Lvovsky, Edouard Baer, François Berléand u.a.
Auf der Suche nach Louis de Funès
(Foto: One Filmverleih/Leinwandagenten)

Beste Absichten

Nicht einmal Juliette Binoche kann Martin Provosts Klamauk um Frauenermächtigung und Emanzipation in den späten 1960er Jahren retten

Juliette Binoche hat immer wieder über­rascht. Nicht allein schon durch ihre dichte Filmo­grafie, die seit Mitte der 1980er Jahre bis heute eigent­lich nie an Fahrt verloren hat, sondern vor allem durch ihren Mut, sich neuen Genres zu öffnen, Leichtes und Schweres glei­cher­maßen zu meistern und gerade in den letzten Jahren auch so verbit­terte wie roman­ti­sche, komplexe wie wütende Frauen an den Grenzen ihrer Möglich­keiten zu spielen. Sei es in Oliver Assayas' Die Wolken von Sils Maria (2014), in Claire Denis' Meine schöne innere Sonne (2017) oder an der Seite von Catherine Deneuve in Hirokazu Kore-edas La Vérité – Leben und lügen lassen (2019).

Nur im Rahmen dieses Über­ra­schungs­topos ist es wohl zu verstehen, dass Binoche sich für die Haupt­rolle in einem Film von Martin Provost entschieden hat, der sich in den letzten Jahren vor allem dadurch ausge­zeichnet hat, dass er nicht über­rascht hat. Denn der einstige Schau­spieler und heutige Dreh­buch­autor und Regisseur inter­es­siert sich eigent­lich konse­quent vor allem für Frauen am Wende­punkt, Frauen, die sich selbst ermäch­tigen, die sich eman­zi­pieren wollen. Seien es Kreative, wie in Provosts sehr erfolg­rei­cher Künst­ler­bio­grafie Séraphine (2008) und in seinem Schrift­steller-Biopic Violette (2013) oder »einfache« Frauen wie Rose Mayer in Où va la nuit (2011) oder die Hebamme Claire in Ein Kuss von Beatrice (2017) – Provosts Frauen wollen keine instru­men­ta­li­sierten Frauen sein, sie wollen freie Frauen sein.

Kaum über­ra­schend also, dass sich Provost in seinem neuesten Film des viel­leicht markan­testen Bruchs des Frau­en­bildes in den letzten 50 Jahren annimmt, der in den 1960er durch Gegen­kul­turen wie die Hippie- und 68er-Bewe­gungen ausgelösten zweiten großen femi­nis­ti­schen Welle. Provost bedient sich dabei des wohl größt­mö­g­li­chen Kontrastes, indem er eine der histo­risch verbürgten Haus­halts­schulen präsen­tiert, in der junge Frauen zu perfekten Ehe- und Haus­frauen ausge­bildet werden. Mit ihrem Mann Robert (François Berléand) und dessen kochender Schwester Gilberte (Yolande Moreau) leitet Paulette Van der Beck (Juliette Binoche) das Institut, unter­stützt von der Nonne Marie-Thérèse (Noémie Lvovsky), die, wie ihr Berufs­stand schon andeutet, vor allem für die mora­li­sche Inte­grität der Insti­tu­tion zuständig ist.

Recht vorher­sehbar kolla­biert das in den letzten Jahren stabile System der Schule nicht nur durch renitente Schü­le­rinnen, sondern auch durch so groteske wie bizarre Verän­de­rungen innerhalb der Schul­lei­tung, die nicht einmal ansatz­weise ange­deutet werden sollen, aber zumindest ange­deutet sei, dass die Ände­rungen wie auch die daraus entste­henden Konse­quenzen weniger an histo­ri­sche Tatsachen und glaub­wür­dige Lebens­er­fah­rungen andocken, sondern viel­leicht am ehesten an die Komödien von Louis de Funès erinnern.

Dementspre­chend sieht auch das komö­di­an­ti­sche Over­ac­ting der Schau­spieler aus, allen voran Noémie Lvovsky als Nonne Marie-Thérèse, die mit Köchin Gilberte einen Kalauer nach dem anderen landet, um den dispa­raten Zustand der Frau­en­rechte und des Instituts zu verdeut­li­chen. Das ist so erwartbar wie dämlich und wird dann auch noch durch eine vermeint­lich progres­sive musi­ka­li­sche Unter­ma­lung platter gemacht, als es eh schon ist. Allein Juliette Binoche hinkt diesem Wachs­fi­gu­ren­ka­bi­nett-Ulk ein wenig verstö­rend hinterher, obgleich sie sich redlich bemüht, schafft es aber immerhin im Schluss­spurt, in den Tanz- und Gesangs­ein­lagen, ein wenig aufzu­holen.

Nicht einmal fran­ko­philen Genießern, nicht einmal leiden­schaft­li­chen Anhängern von Binoche oder Funès sei dieser Film trotz seiner besten Absichten empfohlen, dafür aber einige hervor­ra­gende Alter­na­tiven zur »zweiten Welle« des Femi­nismus, etwa Petra Volpes Eman­zi­pa­ti­ons­drama über den Kampf für das späte Frau­en­wahl­recht in der Schweiz, Die göttliche Ordnung, oder die gerade auf den Münchner Film­kunst­wo­chen laufenden Bilder (m)einer Mutter. Oder aber Amy Poehlers toller Film Moxie. Zeit, zurück­zu­schlagen, auch wenn es da schon um die »dritte Welle« und eigent­lich auch »vierte Welle«, also unsere Gegenwart, geht.