The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit

The Birth of a Nation

USA 2016 · 120 min. · FSK: ab 16
Regie: Nate Parker
Drehbuch:
Kamera: Elliot Davis
Darsteller: Nate Parker, Armie Hammer, Mark Boone jr., Colman Domingo, Aunjanue Ellis u.a.
Die Geburt der Schwarzenbewegung aus dem Geist der Religion

Der Gott der Sklaverei und die falschen Propheten

Einer der ersten Spiel­filme der Film­ge­schichte, David W. Griffith' Stummfilm The Birth of a Nation von 1915 ist bis heute eines der kontro­ver­sesten Werke der Film­ge­schichte. Inno­va­tivstes Film­hand­werk und das Stil­ge­fühl eines Regie­meis­ters gingen mit Rassismus, der Verherr­li­chung der Sklaverei, und der Partei­nahme für die Mord­banden des Ku-Klux-Klan eine teuf­li­sche Verbin­dung ein.

Dem setzt der bisher unbe­kannte Regisseur Nate Parker jetzt einen radikalen Gegen­ent­wurf entgegen. Parker definiert Titel und Geschichte um: Auch sein The Birth of a Nation ist Agitprop-Kino – für die Sache der Schwarzen. Sein The Birth of a Nation hat mit Griffith' Klassiker nichts gemeinsam außer dem Titel. Der Film ist ein Kostüm­drama, das weit zurück in jene Epoche führt, in der Sklaverei in den ameri­ka­ni­schen Südstaaten noch gang und gäbe war. Dass die Geduld der Sklaven nicht ewig andauern wird, bekommen die weißen Baum­woll­farmer bereits dreißig Jahre vor dem ameri­ka­ni­schen Bürger­krieg immer mehr zu spüren.
Die Skla­ven­halter recht­fer­tigen ihr menschen­ver­ach­tendes Tun mit Bibel­versen. Und die christ­liche Religion und ihr Miss­brauch sind eines der Leit­mo­tive dieses Films. Religion ist »Opium fürs Volk« – das ist auch die Position von Parkers Film, und mit Religion lässt sich nahezu jede Gewalttat recht­fer­tigen – eine brisant-zeit­ge­mäße Botschaft.

Der Befund gilt für alle Seiten: Denn die Handlung des Films dreht sich um den Skla­ven­auf­stand, der 1831 von dem Prediger Nat Turner in Virginia angeführt wurde. In der Folge seiner blutigen Nieder­schla­gung wurden seiner­zeit hunderte schwarze Sklaven gehängt oder gelyncht. Es war der blutige Prolog des ameri­ka­ni­schen Bürger­kriegs drei Jahr­zehnte später.

Turner, gespielt vom Regisseur selber, erscheint uns in diesem Film als ein beschei­dener, anstän­diger Christ, der seine Mitmen­schen trösten will. Von den Weißen wird der schwarze Prediger zu den Gütern im länd­li­chen Virginia geschickt, um die Gemüter der Sklaven mit Bibel­zi­taten ruhig zu stellen. Aber er erlebt die Hölle: Einem Hunger­strei­kenden werden zur Zwangs­ernäh­rung die Zähne mit dem Meißel ausge­schlagen. Seine Frau Cherry wird von Skla­ven­jä­gern schwer miss­han­delt. Da ändert Turner seine Ansichten.

Parker erzählt auch von der Macht der Religion: Denn auf die Gebote des christ­li­chen Gottes berufen sich hier alle: Die Skla­ven­halter und ihre rebel­li­schen Opfer, die Aufstän­di­schen, die weiße Farmer töten und die Rassisten des Ku-Klux-Klan, die Schwarze lynchen. Parker versteht es zugleich, sein Publikum zu mani­pu­lieren: Er bringt uns Zuschauer zur unbe­dingten Partei­nahme für den Aufstand. Er vermit­telt große Sympathie für sein Anliegen – selbst da, wo Gewalt ein Teil der Rebellion werden muss.
Eine Schlüs­sel­szene zeigt das Wortduell von Nat Turner und einem weißen Prediger. Religion ist hier Mittel, um alles Mögliche und nicht Bestimmtes mehr zu recht­fer­tigen. Es geht um den Heiligen Geist und die Diener des Herren. Ist Sklaverei Gottes Wille, müssen Christen alles ertragen, was ihnen vermeint­lich Gott persön­lich auferlegt hat? Mit der Bibel will dafür Turner nun gegen die falschen Propheten kämpfen.

The Birth of a Nation ist ein konven­tio­neller, mit allen Mitteln des Main­stream-Kinos gekonnt, aber auch bruchlos und glatt insze­nierter Film, der sehr oft pathe­tisch und überaus plakativ argu­men­tiert. Vor allem erinnert das Werk uns Europäer daran, wie unter­re­prä­sen­tiert das schwarze Amerika nach wie vor im Kino ist.

Erst gerade in jüngster Zeit kommen mit dem Oscar­sieger Moonlight, mit Raoul Pecks fesselnden Doku­men­tar­film I Am Not Your Negro und eben mit The Birth of a Nation Filmwerke ins Kino, die diese Einsei­tig­keit zumindest ansatz­weise zu korri­gieren versuchen.