The Batman

USA 2021 · 177 min. · FSK: ab 12
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: ,
Kamera: Greig Fraser
Darsteller: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano, Jeffrey Wright, John Turturro u.a.
Filmszene »The Batman«
Bat & Cat, Man & Woman
(Foto: Warner Bros.)

Der »Batman« der Zwanziger Jahre

Die Katze und die Fledermaus: Matt Reeves hat die »Batman«-Figur mit Robert Pattinson in der Titelrolle so herausragend wie humorfrei und erstaunlich uncool verfilmt

»Es wird nicht helfen, sich vorzu­stellen, dass man Flughäute an den Armen hätte, die einen befähigten, bei Einbruch der Dunkel­heit und im Morgen­grauen herum­zu­fliegen, während man mit dem Mund Insekten finge...«
Thomas Nagel, »What is like to be a Bat?«, 1974

Schuberts »Ave Maria« erklingt aus dem Off. Rot und Schwarz sind die Bilder, eine subjek­tive Kame­ra­fahrt zeigt die nasse, menschen­leere Straße einer Großstadt, dazu hört man deut­li­ches Atmen und ein Mann erzählt: Furcht sei ein Werkzeug. Chaos sei das Element. »Aber ich beobachte. Ich ein Tier der Nacht. Die mich fürchten, denken, ich käme aus dem Schatten. Aber ich bin der Schatten.« Es ist Batman, der hier spricht.

Batman, einer der popu­lärsten Super­helden der Film­ge­schichte, ist immer Mehreres auf einmal gewesen: Ein Rächer, ein Ordnungs­hüter, ein merk­würdig verschro­bener Einzel­gänger, ein technik-verspielter Millionär, ein Gerech­tig­keits­fa­na­tiker.
Und Batman-Geschichten handeln immer vom Zusam­men­prall von Gut und Böse, und zwar in einer klassisch modernen Großstadt: Gotham City ist eine Kreuzung aus dem New York der 40er Jahre, dem Chicago der 20er und der futu­ris­ti­schen Science-Fiction-Stadt Metro­polis, die einst Fritz Lang fürs Kino erfand. Batman-Filme sind also auch immer Dialoge mit der Film­ge­schichte. Der neue »Batman« ist vor allem ein Rächer. Und Gotham City eine Gangster-Metropole wie aus Scarface oder der »Drei­gro­schen­oper«.

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Tim Burton, dieser Meister des Skurrilen und des abgrün­digen Witzes, war der erste, der Batman erfolg­reich auf die Leinwand brachte: 1989 kam Batman ins Kino, drei Jahre später folgte Batman Returns, wieder von Burton. Dies war überhaupt die erste erfolg­reiche Verfil­mung einer Comic-Super­hel­den­ge­schichte, lange vor dem Boom, der gegen­wärtig jährlich mehrere Verfil­mungen der Bat-, X- und Spin­nen­männer und zunehmend auch -frauen ins Kino bringt. Aber Batman ist speziell geblieben und einer der belieb­testen: Ein düsterer Held, beseelt von Melan­cholie und Rache­ge­danken. Nach den drei schon als pessi­mis­tisch empfun­denen Verfil­mungen von Chris­to­pher Nolan beweist nun der vom genre­er­fah­renen, aber nicht wirklich bekannten Hollywood-Regisseur Matt Reeves (Clover­field, Planet der Affen: Survival) insze­nierte The Batman, dass es noch dunkler geht.

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Dieser neue »Batman«-Film hat drei Haupt-Aspekte: Der wich­tigste ist der rein filmische, ästhe­ti­sche. Auf dieser Ebene von Filmkunst, Können und Stil­ge­fühl ist The Batman hervor­ra­gend. Man sieht harte, düstere, grob­kör­nige Bilder, die einer­seits sehr klassisch wirken, wie aus einem Film noir, jener »Schwarzen Serie« der »Hard­boiled«-Krimi­nal­filme der 40er und 50er Jahre. Zugleich sind sie aber auch in einem gewissen Sinn schmutzig und unrein. Sodass sie auch zu einem Mitter­nachts-Trash-Horror oder einem B-Movie, oder zu einem gegen­wär­tigen, mit Hand­ka­mera gedrehten Autoren­film aus Spanien oder Italien gehören könnten.

Die Schau­spieler sind ausge­zeichnet, allen voran der einstige Teenie­schwarm Robert Pattinson (Twilight), der – nach Michael Keaton, Val Kilmer, George Clooney, Christian Bale und Ben Affleck – nun in das hautenge lederne Fleder­maus­kostüm geschlüpft ist und seine Titel­rolle ganz anders inter­pre­tiert als alle seine Vorgänger: Dieser Batman ist kein bisschen glamourös, kein bisschen cool, weder ironisch, noch sarkas­tisch, noch auch nur zynisch. Er ist ein Getrie­bener, körper­lich wie seelisch vernarbt, schmutzig; fast könnte er ein Tramp sein, den es von der Straße aus Versehen in eine feine Villa verschlagen hat. Als Held ist er ein Müllmann der Moral, einer, der aufräumt und reinigt, was die Gesell­schaft zu säubern versäumt hat.

Die charis­ma­ti­sche Zoe Kravitz als »Catwoman« zeigt etwas völlig Neues im Gegensatz zu ihren Vorgän­ge­rinnen Michelle Pfeiffer, die 1992 die zur Katzen­frau mutierte Selina Kyle als gefallene Sekre­tärin inter­pre­tiert hat, die ihren Perfek­tio­nismus nie ganz verliert. Oder zu Halle Berry, die 2004 der Catwoman eine verletz­liche Seite gab. Oder zu Anne Hathaway, deren Catwoman am ehesten einer klas­si­schen Femme Fatale ähnelte, die aber in Chris­to­pher Nolans als Jungs-Film ange­legten Batman-Verfil­mungen immer nur eine Neben­rolle spielte.

Catwoman ist in dieser Variante Batman eben­bürtig: Eine empowerte, selbst­be­wusste Frau, die auch à la Femme Fatale mit ihren Reizen spielt – der auch sexuell aufge­la­dene Feti­schismus enger Leder­kla­motten ist von beiden Figuren nicht zu trennen! Ande­rer­seits kämpft sie ähnlich schlag­kräftig. Und so wie er einmal ihr Leben rettet, bewahrt sie auch ihn einmal in letzter Sekunde vor dem Tod. Im Gegensatz zum intro­ver­tierten, innerlich brodelnden Schweiger Batman ist Kravitz' Catwoman auch cool und schlag­fertig. Doch ähnlich wie ihr männ­li­ches Pendant hat auch sie eine persön­lich moti­vierte Rache-Mission.
Beide sind übrigens Helden, die über Super-Fähig­keiten, aber nicht Super-Kräfte verfügen. Sie sind immer noch verletz­liche, sterb­liche Menschen, nicht von einem anderen Stern.

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Am Anfang steht Batman allein. Und er hat es mit einer seltsamen Mordserie an Poli­ti­kern und Spit­zen­be­amten zu tun, als deren Urheber sich sehr schnell ein Unbe­kannter entpuppt, der sich »The Riddler« nennt, also ein Rätsel­steller, der an seinem Tatort immer eine Rätsel­auf­gabe zurück­lässt, die auf die nächste Tat verweist. Gespielt wird der Seri­en­mörder von Paul Dano, der mit seinem kindlich-abgrün­digen Mond­ge­sicht für derartige Rollen prädes­ti­niert ist.

Dieser »Riddler« ist also auch ein Geschich­ten­er­zähler. Und Batman wirkt zusammen mit Chief Gordon, dem einzig nicht korrupten Poli­zei­be­amten von Gotham City, der ihn regel­mäßig zu Hilfe ruft, mitunter wie Studenten eines Lite­ra­tur­se­mi­nars, wie Inter­preten eines perversen Textes – Entzif­ferer und Dechif­frierer im Auftrag erken­nungs­dienst­li­cher Ermitt­lungen. Auch das macht diesen Batman zu einem klas­si­schen Film noir, denn diese waren fast immer Detek­tiv­ge­schichten.
Der Held als Detektiv und auch, ja: Philosoph – darin erinnert Reeves' Batman stark an David Finchers legen­dären Se7en. Auch hier ist ständig Nacht oder Zwielicht, auch hier prasselt ein schwarzer Dauer­regen permanent auf Figuren und Geschehen ein.
So weit, so ausge­zeichnet, so spannend, so zeitgemäß.

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Als Verfil­mung der Graphic Novels betrachtet, schlägt sich Matt Reeves Verfil­mung aller­dings auch klar auf eine ganz bestimmte Seite der Möglich­keiten der Batman-Figur. Dieser Batman ist keiner, mit dem man sich leicht iden­ti­fi­zieren kann oder auch nur möchte. Sondern er ist ein Außen­seiter, ein scheuer Soziopath.

Und dies ist der düsterste aller Batman-Filme, und vor allem auch in jedem Moment todernst gemeint. Kein bisschen Ironie, kein bisschen Verspielt­heit, keine Tabu­brüche und Über­schrei­tungen, kein Scherz, kein Spaß – nirgends.
Wenn man sich dann an Tim Burton zurü­cker­in­nert, kommt bei allem Respekt auch etwas Wehmut auf.