Bad Director

Deutschland 2024 · 131 Minuten · FSK: ab 16
Regie: Oskar Roehler
Drehbuch:
Kamera: Philipp Sichler
Darsteller: Oliver Masucci, Bella Dayne, Anne Ratte-Polle, Elie Kaempfen, Götz Otto u.a.

Sinnkrise eines Ekelpakets

Oskar Roehlers neue Filmbranchen-Satire ist der müde Versuch eines Skandalfilms

Mit Franz Kafka wurde schon oft Schind­luder getrieben und Bad Director ist die nächste Anmaßung, die mit ein paar ober­fläch­li­chen Anleh­nungen an die Texte und Gedan­ken­welten des Schrift­stel­lers Bedeutung, Sinn und Schwere zu schaffen meint. Gregor Samsa, so heißt Oskar Roehlers Prot­ago­nist, also wie die Haupt­figur aus Kafkas »Verwand­lung«. Deren sinn­bild­li­ches Unge­ziefer mimt Oliver Masucci als grimas­sie­rendes Männer-Monstrum: ein dauer­kei­fender, rück­sichts­loser, aus der Zeit gefal­lener Wüterich, der Hass­ti­raden, Belei­di­gungen und allerlei Selbst­mit­leid durch seine Zähne presst.

Samsa ist Regisseur; wieder eine Künst­ler­ge­stalt! Zuletzt insze­nierte Roehler mit Enfant Terrible ein Biopic über Rainer Werner Fass­binder (ebenfalls von Masucci gespielt), das mit dem Image dieser Berser­ker­figur des deutschen Films spielte. Enfant Terrible war ein schrilles Spektakel über Bilder und Mythen, betont künstlich, verfremdet, überzogen. Unbequem, provokant, weil er das künst­le­risch Radikale mit Ausbeu­tung, Demü­ti­gung, Schmerz verzahnte und zeigte, wie einer sich und sein Umfeld zu Grunde richtet, sich in seiner exzen­tri­schen Blase verliert und trotzdem oder gerade deshalb zur Ikone wird. Wider­sprüche, die es auszu­halten und zu disku­tieren galt.

Oskar Roehlers neuestes Werk erscheint nun wie eine Weiter­schrei­bung und ein Spie­gel­bild dieses Films. Und wie die Bana­li­sie­rung dessen, was längst gesagt und verstanden wurde. Die Ikone blickt jetzt ihrer Karikatur entgegen. Erneut ist ein unge­wöhn­li­cher, impul­siver Film heraus­ge­kommen. Ja, aber kein geist­rei­cher und, ehrlich gesagt, auch kein sonder­lich inter­es­santer. Wer die beschrie­benen Wider­sprüche nicht aushalten kann oder nicht an einer sinnigen Argu­men­ta­tion inter­es­siert ist, kann hier einer bere­chen­baren Selbst­geiße­lung zusehen.

Der abdan­kende Großkünstler

Roehlers Polemik ist so tumb, kindisch und ideenarm auf Krawall gebürstet, dass man eigent­lich die Flucht ergreifen möchte. Es ist ein Tiefpunkt in seiner Filmo­gra­phie. Die Moment­auf­nahme eines Provo­ka­teurs, der eigent­lich keiner mehr ist, sondern mit diesem Film allerlei Pein­li­ches serviert. Verlangte Enfant Terrible noch eine Haltung zu seinem Prot­ago­nisten, sind in Bad Director letztlich alle Grautöne und offenen Fragen getilgt. Alles ist mit dem ersten Auftritt dieses Gregor Samsa offen­kundig und wird einem hinterher bis zum Erbrechen wieder und wieder in den Schlund gestopft. Es geht nur noch darum, kollektiv in nebulösem Welt­schmerz, Menschen­feind­lich­keit und anti­in­tel­lek­tu­eller filmi­scher Gran­tig­keit zu baden.

Seht her, sagt Roehlers Werk, dieses Ekelpaket, diese mickrige und traurige Gestalt, dieses Scheusal und Abzieh­bild des alten, weißen Mannes! Solche Kreaturen drehen eure Filme und werden für die große Kunst gefeiert! Und rings herum sieht es kaum besser aus. Also schickt er alles vor die Hunde. Was soll ihm sonst übrig bleiben? Die Verwand­lung ist vollzogen: Aus dem zwie­späl­tigen Künstler und seinen Bildern ist die bloße Hassfigur geworden, die es zu zerfetzen gilt. Und die unter­ge­hende Welt, der sie angehört, gleich mit. Es ist der Film, den man wohl erwartet, wenn man den Titel der Roman­vor­lage kennt: »Selbst­ver­fi­ckung«, von Roehler selbst verfasst. Nur braucht auch die nieder­träch­tigste und zerstö­re­rischste Lust am Untergang, auch die spitzeste Beschimp­fung hin und wieder einen klugen Gedanken, sofern sie nicht bloß leere und ermüdende Veraus­ga­bung bleiben will.

Regisseur wird man für Geld und Frauen, heißt es dort. Keine Ideale, nirgends. Die wenigen verblei­benden verenden im Medi­ka­men­ten­miss­brauch, in Über­las­tung, Groll, Stress, Zank und Zeter. Dampf wird im Bett abge­lassen: Roehler zeigt seinen Anti­helden ausgiebig bei den Versuchen eines Sexu­al­le­bens. Eine belesene Prosti­tu­ierte dient ihm dabei als Fetisch. Beim unbe­hol­fenen Akt stöhnt Gregor nun niederste Gespinste, Degra­die­rungen und Sexismen in die Welt. Eine Abscheu­lich­keit nach der anderen wird ihm abge­rungen. Es geht um Herren­rassen- und Zucht­fan­ta­sien. Rollen­spiele werden im Bordell ausagiert und nie hält die Befrie­di­gung lange an. Wenn einem sonst nichts einfällt, wie man Empörung hervor­rufen und seine abge­ranzte Haupt­figur sezieren kann, außer sie minu­ten­lange und immer­gleiche Alther­ren­fan­ta­sien krakeelen zu lassen, befindet sich die Mechanik dieses Films viel­leicht grund­sätz­lich auf dem Holzweg.

Tabu­brüche, die ins Leere laufen

Bad Director lässt überhaupt kein Gespür erkennen, wie sich noch irgend­eine clevere Provo­ka­tion kreieren, irgendein anre­gender Gedanke fassen lässt. Seine selbst­zweck­haften Tabu­brüche, die nach so etwas wie politisch inkor­rektem – ein hohler Kampf­be­griff – Humor streben, bergen weder echte Pointen noch lassen sie Spielraum für Zweifel an ihrer Verächt­lich­keit. Entlarvt wird damit nur, was ohnehin ersicht­lich ist. Sie dienen dazu, Gregor Samsa als Typus weiter zu ernied­rigen, häss­li­cher erscheinen zu lassen, unscharfe, abge­grif­fene und platt verall­ge­mei­nernde Thesen über den ach so pene­tranten Kunst­be­trieb zu bestä­tigen – bis zum konse­quent unrühm­li­chen Ende. Zumindest eines führt er passend vor: Dieje­nigen, die sich gern als erbit­tertste Gegner einer über­sen­si­blen, gereizten Gegenwart insze­nieren, sind am Ende die empfind­lichsten Schnee­flo­cken von allen. Nur: Braucht es für derlei Erkennt­nisse das Kino?

Meta wollen viele sein. Diverse Filme wollten in den letzten Jahren die Welt der Künste demas­kieren und darunter die pure Verkom­men­heit hervor­kehren. Zu oft entsteht dabei ein Schen­kel­klopfer für Einge­weihte, der sich kurz selbst­re­flexiv gibt, bevor alles wieder zum Tages­ge­schäft übergeht. So versteckt auch Bad Director ein paar augen­schein­lich verschlüs­selte Refe­renzen und auto­fik­tio­nale Elemente in seinen Szenen; konkrete Benen­nungen innerhalb der deutschen Filmblase traut man sich aber doch kaum. Dafür ist es viel zu leicht, wie sich hier alle auf den Feind des alten Perversen einigen können, ohne dass jemand wahrlich Unge­müt­li­ches zu befürchten hat.

Ein Narr blickt auf das Film­ge­schäft

Nur wenige starke Momente lassen Potential erkennen, Masuccis Figur tatsäch­lich als ungreif­baren Narren zwischen den Welten wandeln zu lassen. Wenn sich das Künst­liche der Kunst in etwas Laby­rin­thi­sches, schummrig Irrlich­terndes verwan­delt, das Räume verschwimmen lässt – auch das soll wohl von Kafka entlehnt sein. Oder wenn Dreh­buch­le­sungen, Detail­pla­nungen und Spiel­proben an den Rande des Nerven­zu­sam­men­bruchs gehen, wenn das Streben nach Authen­ti­zität zu skur­rilsten Forde­rungen und Techniken führt. Das sind Szenen, in denen sich spannende Beob­ach­tungen auftun könnten, die auf Struk­turen abseits der schlichten Selbst­be­spie­ge­lung einer Branche verweisen, welche ihren eigenen Irrsinn viel­leicht ein wenig zu ernst nimmt.

Bad Director sägt seine vorhanden Sprung­bretter nur immer wieder ab, weil ihm die Tragödie des abge­wirt­schaf­teten, entfrem­deten Mannes in einer Macht­po­si­tion genügt. Da er seinen Einfluss und Hand­lungs­spiel­raum schwinden sieht, erliegt er seinen Trieben und Neurosen. Gewettert wird gegen den Schein, man ist wütend, unzu­frieden, zeigt trotzig auf alles und jeden, den vermeint­li­chen Wahnsinn des ganzen Personals, der das Genie an der Arbeit hindert. Schluss­end­lich trägt Roehlers Film ein einziges großes Strohmann-Argument vor, das die Welt eher brennen sehen will, anstatt ihr noch irgend­etwas entge­gen­zu­setzen. Möglich­keiten von Kunst spielen in diesem Estab­lish­ment sowieso keine Rolle mehr. Sie ist nur noch als Waffe auf sich selbst gerichtet.

Das Kino ist nach Bad Director totgesagt, es bietet keine Perspek­tive mehr. Insofern macht Roehler keine halben Sachen. Seine Hass­ti­raden errichten einen Panzer um sich selbst, der alles Wahr­haf­tige, unsicher Zwei­felnde, Irri­tie­rende in einer bruch­si­cheren Hülle einsperrt. Wie sein Prot­ago­nist: Zum Leben dort draußen, abseits der Set-Laby­rinthe, Empfänge, Puff- und Hotel­zimmer, kennt Bad Director keinen Bezug mehr. Alles ist ihm vergebens. Also bleibt ihm nur die »Selbst­ver­fi­ckung« des eigenen Unver­mö­gens.

Der Albtraum des deutschen Films

Schonungslos ehrlich: Oskar Roehlers neuer Bad Director ist voller Hohn, aber auch ein Produkt großer Verzweiflung. Es ist die Verzweiflung, die den ganzen deutschen Film erfasst hat

»Hätte er damals, mit Anfang dreißig, schon gewusst, was er heute wusste, nämlich dass es überhaupt keinen Sinn hatte, sich anzu­strengen, dann hätte er viel Energie gespart, die er heute brauchen könnte und nicht mehr hatte. Aber nein, er war zu dumm gewesen. Er hatte tatsäch­lich eine Weile geglaubt, Idealist und Roman­tiker sein und einen auf Kunst machen zu müssen.«
Oskar Roehler, »Selbst­ver­fi­ckung« (2017)

»Die Menschen in Berlin waren program­miert auf Streit, gepaart mit übelsten Belei­di­gungen. Das war in die Gene dieser Stadt einge­schrieben und übertrug sich auf ihre Bewohner. ... Der einzige Vorteil, den diese Stadt hatte: Puffs gab es wirklich genug.«
Oskar Roehler, »Selbst­ver­fi­ckung« (2017)

Wieder mal ist er auf dem Weg zum Deutschen Filmpreis. Er hat gar keine Lust, auf das ganze Geschwafel, die Blender, das falsche Gönnertum, die verlogenen Preisreden, die Selbstbeweihräucherung und Eitelkeit, auf die deutschen Tugenden Geiz, Missgunst und Kleinlichkeit, die dort alle Jahre wieder fröhliche Urständ' feiern.
Also wirft er folgerichtig die Einladung mit der Premieren Karte spontan in den Müll – aber nur um sie Sekunden später wieder aus dem Mülleimer herauszufischen. Denn er kann von dieser Branche nicht lassen, obwohl er sie aufs Tiefste verachtet und dafür ziemlich viele plausible Gründe hat. Und er hasst sich selber dafür, dass er von ihr nicht lassen kann.

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Die Rede ist von Gregor Samsa – so heißt er leider wirklich – der Haupt­figur und dem »Bad Director« dieses Films. Die Rede ist aber auch ein bisschen von Oskar Roehler selbst, dem Regisseur und Autor von »Bad Director«. Bad Director ist die Film­ver­sion eines Romans, den Roehler vor einigen Jahren geschrieben hatte und mit dem er ziemlich erfolg­reich war. Er heißt »Selbst­ver­fi­ckung«. Der Roman lohnt sich allein schon wegen seiner wunderbar scharfen, tref­fenden Berlinale-Kritik und seiner scho­nungs­losen Selbst­kritik. Aber auch wegen des scharfen Blicks auf die Branche. Denn das muss man Oskar Roehler selbst dann lassen, wenn man ihn viel­leicht unver­s­tänd­li­cher­weise nicht mag: Er ist ein sehr guter Beob­achter – wenn er will.

Als solcher ist er in diesem Film dann eben auch auf dem deutschen Filmpreis. Dort stellt er erst mal Beob­ach­tungen an und teilt sie mit einer adretten Bedienung, die sich hier genauso fehl am Platz fühlt, wie er.

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»Gefallen die Dir?« fragt er sie: »Soll ich die Dir vorstellen – das sind dumme einge­bil­dete Karriersten. Die kommen direkt aus der 'Schumanns Tagesbar' in München: ihr Intellekt reicht gerade mal soweit, den ameri­ka­ni­schen Main­stream zu kopieren. Ihre Komödien nennen sie 'Rom Com'...«
Es gehört zum Dechif­frier-Spiel dieses Films, sich zu überlegen, wer hier wohl gemeint ist.

Und wer ist das? »Das ist die Grande Dame des deutschen Films. Hast du die schon mal gesehen? Hast du die schon mal im Kino gesehen oder im deutschen Fernsehen? Das ist ein kleiner feiner Unter­schied. Die niemand mehr weiß. In Frank­reich haben sie Jeanne Moreau und Cathrine Deneuve...
Und die da, schau: An der kannst du dir ein Beispiel nehmen. Die hat’s richtig gemacht, die gehört zu dem Typus Schau­spie­le­rinnen, die sich selber erfunden haben. Von der gibt’s viel­leicht drei in Deutsch­land und die teilen sich dann den Fern­seh­markt unter­ein­ander auf. Das Rezept ist ganz einfach: Du brauchst ganz viel egal Ehrgeiz Ehrgeiz Ehrgeiz. Und dann heiratet man einen einfluss­rei­chen Inten­danten oder ein reichen Medi­en­mogul oder ein Multi­mil­lionär, der sein Geld durch Lohn­dum­ping verdient hat.
Schlechtem Geschmack sind dann keine Grenzen mehr gesetzt. Und schau mal der da, der ist ein Konzern­chef und der andere ist so ein Schwuler mit einem ganz fiesen hessi­schen Dialekt. All seine Träume sind in Erfüllung gegangen und er kann sich endlich im Glanz des Erfolgs sonnen.
Ganz grausam, guck Dir das an, jetzt ist sein Spießer­traum in Erfüllung gegangen, weil er drei Teile für sie schreiben lässt, wo ganz gewich­tige histo­ri­sche Themen ausge­schlachtet werden, wo sie dann die Haupt­rolle spielen darf: ›Die Trüm­mer­frau von Nürnberg‹ oder ›Soldaten Mütter‹, der Vorrat an gewich­tigen histo­ri­schen Themen scheint hier uner­schöpf­lich zu sein, so dass sie diese seltsamen Haupt­rollen dann bis ans Ende ihres Lebens spielen kann: Verant­wor­tungs­be­wusste Gräfin in Bomben­hagel. Oder auch aufop­fungs­be­reite Kran­ken­schwester die durch Blut watet, aber sich dann trotzdem in tapfere bein­am­pu­tierte Soldaten verliebt. Oder tapfere Jüdinnen im KZ, die aber aussehen wie rein­ras­sige Arie­rinnen...«

So stellt er wieder mal fest: »Wenn ich geahnt hätte dass diese ganze Branche nur aus Voll­idioten besteht hätte ich auch gleich auf dem Bau arbeiten können. Warum tut man sich das an?«
Die Antwort auf diese rheto­ri­sche Frage ist klar: Weil er süchtig ist. Weil Film das Aller­schlimmste ist für alle, die damit zu tun haben. Aber auch das Aller­schönste, was man beruflich machen kann.

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Es ist billig, auf Oskar Roehler einzu­dre­schen. Der Mann gibt sich so viele Blößen, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinhauen soll. Darum muss es schon gute Gründe geben wenn man es tut.
Wenn ein Film schon »Bad Director« heißt und die Haupt­figur Gregor Samsa und das im Kafka Jahr – übrigens ist unter allen groß­ar­tigen Geschichten von Franz Kafka »Die Verwand­lung« aus meiner persön­li­chen Sicht eigent­lich immer schon die doofste und über­schäz­teste gewesen.

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Oskar Roehler ist eine schil­lernde Figur und ohne Frage einer der besten Regis­seure des deutschen Gegen­warts­kinos. Was er alles kann, das hat er schon oft bewiesen, ob in seinem München-Sieger­film »Silvester Countdown« vor 25 Jahren oder in Werken wie »Alter Affe Angst«, »Agnes und seine Brüder« oder zuletzt der Fass­binder-Hommage »Enfant Terrible«, der zu den Film­fest­spielen in Cannes einge­laden war – nur leider in der Ausgabe, die wegen der Pandemie ausfallen musste.

Roehler ist die merk­wür­dige Mischung aus einem Regisseur, der einer­seits eine große Liebe zum Trash hat, zum Provo­zieren und zum Über­schreiten roter Linien, und der ande­rer­seits seine Arbeit im Gegensatz zu den aller­meisten Kollegen wirklich ernst meint. Ähnlich wie Fass­binder. Er ist nicht einer derje­nigen Filme­ma­cher die auch hätten Metzger werden oder mit Auto­reifen handeln können – ohne deswegen Metzgern oder Reifen­händ­lern zu nahe zu treten. Aber Kunst ist etwas anderes. Das bleibt bei Roehler immer sichtbar.

Mit der Film­branche hat er sich schon einmal beschäf­tigt: In »Jud Süß – Film ohne Gewissen« ging es um den Nazi-Regisseur Veit Harlan und seinen Star Ferdinand Marian.

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Sein neuer Film ist wieder ein typischer »Film im Film«-Stoff – aber eben in der Gegenwart ange­sie­delt und nahe an Roehler selbst. Haupt­dar­steller Oliver Masucci gelingt es mehr als einmal, mit seinem Regisseur komplett zu verschmelzen und diesem nicht nur äußerlich zum Verwech­seln ähnlich zu sehen. Er geht und spricht wie dieser – und jeder der Röder kennt, kann in diesem Fall nicht nicht ganz nicht völlig trennen zwischen Macher und fiktiver Filmfigur.
Es gibt groß­ar­tige Witze über Schau­spieler, die immer damit am meisten Probleme machen, dass sie ihre eigenen Ideen haben, anstatt viel­leicht einfach mal einfach das zu tun, was der Regisseur von ihnen will und weswegen er sie überhaupt bezahlt.

So ist dies eine absurde Komödie übers Filme­ma­chen, voller Insi­der­witze, etwa wenn die von Anna Ratte Polle furios gespielte Haupt­dar­stel­lerin in diesem Film mehrere Varianten der Inter­pre­ta­tion anbietet: Etwa die »ARD Variante 20:15 Uhr« und dann aber sagt: »Ich kann auch Berliner Schule«.

Dies ist auch ein Berlin-Film, genau gesagt: Ein Berlin-Hass-Film. Denn gerade weil Berlin sich selber so toll findet und dafür von allen geliebt werden will, und weil es diesen unsäg­li­chen Berlin-Kitsch gibt, an den die Stadt selber glaubt, und der ihr aus jeder Ritze trieft, weckt sie Aggres­sionen.

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In seiner grund­sätz­li­chen Albern­heit ist dies auch zugäng­lich für Zuschauer, die nicht alle Anspie­lungen verstehen.

Aller­dings ist dies auch in seinem Humor ein sehr deutscher Film – manchmal sind die Witze schon etwas sehr knallig und platt und nicht so weit entfernt von den »Super­nasen-Filmen« der 80er, wie es Oskar Roehler viel­leicht lieb wäre. Manches was im Roman gut ist, funk­tio­niert nicht auf der Kino­lein­wand. Ein Billy Wilder »Eins Zwei Drei« oder eine »Film im Film«-Komödie a la »Die ameri­ka­ni­sche Nacht« von Truffaut ist dies nicht geworden. Dazu hätte Roehler mehr Leich­tig­keit gebraucht und Gelas­sen­heit – aber wenn Roehler irgendwas nicht ist, dann gelassen. Er will etwas, er ist leiden­schaft­lich, das spricht unbedingt für ihn.

Am Ende ist dieser Film nämlich nicht nur ein Produkt absoluter Ehrlich­keit, geradezu selbst­ver­let­zender Ehrlich­keit, sondern auch ein Produkt großer Verzweif­lung. Der Verzweif­lung, die längst den ganzen deutschen Film erfasst hat, die sich aber kaum jemand traut, so genau und offen und schmerz­haft auszu­spre­chen, wie Roehler es hier tut.
Was man hier sieht, ist ein verfilmter Alptraum. Es ist der Alptraum des deutschen Films.