American Hustle

USA 2013 · 138 min. · FSK: ab 6
Regie: David O. Russell
Drehbuch: ,
Kamera: Linus Sandgren
Darsteller: Christian Bale, Bradley Cooper, Amy Adams, Jeremy Renner, Jennifer Lawrence u.a.
Gleitmittel zwischen Liebe und Betrug

Nichts ist wie es scheint

There’s the ambiguity of human rela­ti­ons­hips, for instance. A rela­ti­onship between two people, just like a sequence of words, is ambiguous if it is open to different inter­pre­ta­tions. And if two people do have differing views about their rela­ti­onship – I don’t just mean about its state, I mean about its very nature – then that diffe­rence can affect the entire course of their lives.
(Elliot Perlman, Seven Types of Ambiguity)

David O. Russel bleibt auch in American Hustle der Komödie treu. Doch statt sie erneut roman­tisch wie noch in seinem letzten Film Silver Linings zu verorten, wechselt Russel in American Hustle das Subgenre und begibt sich auf das mindes­tens ebenso faszi­nie­rende Terrain der Gauner­komödie. Das mag im ersten Anschein nicht nur etymo­lo­gisch ein wenig altbacken klingen. Zum einen drängen sich sofort Klassiker mit ähnlichen Konstel­la­tionen wie Sturges The Lady Eve oder Levys BEDTIME STORY auf, zum anderen ist es die Geschichte selbst. Denn Russel bedient sich nicht aus der noch unbe­schrie­benen jüngsten Vergan­gen­heit, sondern taucht in die in den letzten Jahren doch schon arg geschröpften 1970er hinab, zu einer in Holly­wood­kreisen schon seit Jahren bekannten Dreh­buch­leiche, in der die 1978 einge­lei­tete FBI-Operation Abscam thema­ti­siert wurde.

Aber erstaun­li­cher­weise dreht Russel alle Vorbe­halte zu seinen Gunsten, wohl auch, weil er aus allem nur das Beste extra­hiert, ange­fangen bei der realen Vorlage, die wie so oft kompli­zierter als jede mediale Auswer­tung ist. Doch was bleibt, ist faszi­nie­rend genug: Irving (Christian Bale) besitzt ein paar Wasch­sa­lons, verdient sein eigent­li­ches Geld jedoch mit zwei­fel­haften Geld­ge­schäften. Die Geschäfte gewinnen noch einmal an Eleganz und Erfolg, nachdem er Sydney (Amy Adams) kennen­ge­lernt hat, die nicht nur geschäft­lich, sondern auch privat mit einsteigt. Doch ihr anfäng­li­cher Erfolg erhält schnell Dämpfer – nicht nur durch Irvings eifer­süch­tige Ehefrau Rosalyn (Jennifer Lawrence), sondern auch durch das FBI, das über seinen Agenten Richi (Bradley Cooper) versucht, das betrugs­er­fah­rene Paar als Lockvogel zu benutzen, um die Korrup­tion in New York zu bekämpfen.

Faszi­nie­rend ist dabei weniger der schil­lernde Zeit­ko­lorit der auslau­fenden 70er, den Russel vor allem über modische Acces­soires, Innen­ein­rich­tungen und eine an Helmut Newton erin­nernde foto­gra­fi­sche Ästhetik souverän in Szene setzt, sondern wie er Zeit­ko­lorit und Geschichte mit über­ra­schenden Bonmots anrei­chert und einer schau­spie­le­ri­schen Tour de Force unterlegt, die zum Teil so über­bor­dend furios dahinrast, dass einem das eigent­liche (Schau-) Spiel schon genügt, um glücklich zu sein. Wie schon in Silver Linings (man denke nur an die grandiose Plat­zie­rung von Dylans „Girl from the North Country“) gelingt Russel diese atem­be­rau­bende Symbiose auch über eine fast konge­niale Einbin­dung von Musik, die weit über die Standards hinaus­reicht – sie ist nicht nur situa­tiver Spiegel und szeni­sches Vorspiel und Binde­glied, sondern immer wieder auch Filmzitat und juxar­tiges Gedan­ken­spiel, etwa bei Duke Ellington „Jeep’s Blues“ oder einer von Mayssa Karaa arabi­sierten Version des Jefferson Airplane Klas­si­kers „White Rabbit“.

Wie die Musik bindet Russel auch die schau­spie­le­ri­schen Akti­vitäten in ein ähnlich komplexes Bezie­hungs­ge­flecht ein – bedeutet fast jeder Auftritt mehr als das, was er scheint. Der Gast­auf­tritt von Robert de Niro ist nicht nur der dezente latent bedroh­liche Besuch der Mafia, sondern für einen Augen­blick auch eine wunderbar einge­bun­dene Zeitreise zu Martin Scorseses filmi­schen Mafia-Ethno­gra­fien.

Dieser Ansatz wirkt sich ebenso beein­dru­ckend auf das Haupt­per­sonal und damit auf den eigent­li­chen Plot aus, der schließ­lich wie der ganze Film vor allem eine schwin­del­er­re­gende Geschichte über die Ambi­guität mensch­li­chen Verhal­tens erzählt, eine Geschichte wie ein Gleit­mittel zwischen Liebe und Betrug, nach der nur eins fest steht: wer wen wann und wie liebt und wer warum und wieso wen betrügt, wird – wenn überhaupt – erst am Ende einer Beziehung deutlich.