Deutschland 2023 · 113 min. · FSK: ab 6 Regie: Alireza Golafshan Drehbuch: Alireza Golafshan Kamera: Matthias Fleischer Darsteller: Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Valentin Thatenhorst, David Kross, Axel Stein u.a. |
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Familienaufstellung am Strand |
Wer sich an Alireza Golafshans bitterböses und mutiges Debüt, die »Behindertenkomödie« Die Goldfische aus dem Jahr 2019 erinnert, durfte glauben, dass es endlich wieder einen Hoffnungsschimmer am deutschen Komödienhimmel gibt. Denn gute Komödie zeichnet sich ja oft gerade dadurch aus, dass sie Grenzen jeder Art überschreitet – man denke nur an Jan Henrik Stahlbergs Fikkefuchs (2017), Peters Meisters Das schwarze Quadrat (2021) oder halt Golafshan Debüt. Denn Die Goldfische war auch ein Film, über den man sich, wie über jede gute Komödie, streiten konnte, weil dem einen es dann doch zu viel und dem anderen zu wenig an Grenzüberschreitung war. In Golafshans zweitem Film JGA: Jasmin. Gina. Anna. (2022) ging es dann schon ein wenig betulicher zu, war die Wildheit und Unberechenbarkeit der Handlung untertouriger als bei Golafshans Debüt, deutete alles darauf hin, dass es nun in Richtung deutschem Komödien-Mainstream geht.
Mit seinem dritten Film ist Golafshan dort nun auch angekommen. Das soll keine grundlegende Kritik sein, denn einem Großteil des deutschen Publikums wird diese leichte, unerhebliche Sommerkomödie gefallen und der TV-Auskopplung für ein paar Jahre gute Quoten bescheren. Das ist sinnvoll und bedauerlich zugleich.
Denn Golafshan widmet sich einem wichtigen Thema: der modernen Patchwork-Familie, deren Probleme sich auf einem erzwungenermaßen gemeinsamen Sommerurlaub als Familienaufstellung kristallisieren und zu einer Art Katharsis führen sollen. Therapeutisch also überaus sinnvoll und gesellschaftsrelevant sowieso. Denn wovon Golafshan hier erzählt, ist jedem bekannt, der als Elternteil, Erzieher oder als Kind in Kindergarten, Ini- oder Schulalltag involviert ist: Helikopter-Elternirrsinn, versackte Erziehungsparadigmen und elterliche Betriebsblindheit. Und genau dieses inhaltliche Kompendium führt Golafshan über spitze, schnelle und gut geschriebene Dialoge und einen tollen Cast in den ersten zehn Minuten dann auch konsequent und rasant ein.
Doch als ob wirklich auf jedem Urlaub stets ein Fluch liegt (man denke nur an die signifikant hohen Trennungsraten nach der Sommerzeit), kommt auch Golafshans bis dahin perfekt vorbereitete Komödie zum Erliegen, so als wolle sie selbst Urlaub machen, so wie das weiterhin aufopferungsvolle Personal um das Pärchen Moritz Bleibtreu und Laura Tonke, ihren Sohn (Valentin Thatenhorst) und ein paar charakterliche Groteskgestalten wie einen Bademeister und eine bildungsferne Familie.
Auch das könnte mit Mut zum Risiko belohnt werden, doch Golafshan will es jedem recht machen, so dass die Handlung völlig erratisch mehr und mehr dahindümpelt, ohne zu beißen, zu fordern oder wenigstens ein Lachen zu erzeugen. Denn nach den schon erwähnten ersten zehn Minuten entwickelt das Drehbuch nicht mehr den geringsten Widerstands- oder Überraschungsmoment, fügt sich alles so, wie ein jeder es erwartet, gibt es allenfalls mit Tonke als vermeintlicher Femme Fatale ein wenig altbackenen Klamauk, der dann aber auch so spießig daherkommt, dass es mehr Fremdschämen als ein Lächeln erzeugt.
Am Schlimmsten, und damit leider auch der gängigen Erwartungshaltung bei einer deutschen Komödie gerecht werdend, ist jedoch, dass Golafshan am Ende sogar seinen eigenen Erziehungsauftrag wieder zurücknimmt, und am Ende alles gut ist, so wie es ist, weil sich alle bemüht haben, so zu bleiben, wie sie eigentlich sind. Das ist schon fast reaktionär, zumindest aber mau und für eine Komödie das Aus. Mau mau.
Was bleibt, ist das Gefühl, einen bemüht netten Spätsommerfilm mit Bademeisterbetreuung gesehen zu haben, der nicht viel schlechter als Marcus H. Rosenmüllers Beckenrand Sheriff (2021) ist, in der sich die Protagonisten ebenfalls kaum von der Stelle bewegt haben und der es immerhin ins Bordprogramm diverser Airlines geschafft hat und ins Fernsehen natürlich auch.