25.02.2019

Der Oscar wird schwarz

Green Book
Schwarz & Weiß & bester Film:
Green Book

Aber er bleibt Hollywood: Halbe Politisierung und versteckte Kontinuität im Medienwandel

Von Rüdiger Suchsland

Es war die über­ra­schendste Oscar-Verlei­hung seit Jahren. Selten waren die Quoten der Buch­ma­cher im Vorfeld so schlecht gewesen, und selbst dort, wo es klare Favoriten gegeben hatte.

Die größte aller Über­ra­schungen war der Sieg von Olivia Coleman in der Kategorie »Beste Schau­spie­lerin«. Bei aller Wert­schät­zung für die Britin und ihren Film The Favourite war dies dann aber womöglich doch mehr eine Nieder­lage von Glenn Close. Die hatte zwar sowohl bei den Buch­ma­chern (mit 89 Prozent Gewinn­wahr­schein­lich­keit) als auch bei 36 Bran­chen­ex­perten gelegen. Es half nichts – womöglich ist Close zu vielen Academy-Mitglie­dern zu unsym­pa­thisch – ein Nachhall von ihrer Rolle als Stalkerin in Fatal Attrac­tion? – womöglich nervt einfach ihr Auftritt als schmal­lip­pige, verkrampfte, latent hyste­ri­sche Frau des Nobel­preis­trä­gers, oder eben diese Figur, die einfach erst viel zu spät ein halbes Empower­ment erlebt.
Die aller­beste ameri­ka­ni­sche Gegen­warts-Schau­spie­lerin ging sowieso leer aus. Das ist nämlich ganz einfach Amy Adams.

Ansonsten hat der Hashtag #OscarSoWhite offenbar Folgen gehabt. Denn in diesem Jahr muss man plakativ titeln: Der Oscar wird schwarz – oder genauer noch: bunt. Denn zu den auffällig vielen Preisen für Schwarze und Filmen und Nomi­nie­rungen mit und über schwarze Figuren kommen noch 10 Nomi­nie­rungen für Roma, ein Film der zwar in Mexiko spielt, aber auch Klassen- und Rassen­ver­hält­nisse wider­spie­gelt und auf den aktuellen Grenz­streit mit Mexiko und die latino community in den USA abstrahlt.

Dies spiegelt die generelle Selbst­er­mäch­ti­gung der »People of Colour« und ihrer Commu­nitys, die derzeit in den USA zu beob­achten ist.
Bemer­kens­wert ist weiterhin, dass es auch innerhalb der genannten Preise für Filme mit und über Schwarze Diver­sität gibt: 3x wurde Black Panther ausge­zeichnet, der erste Film mit einem schwarzen Super­helden, immerhin ein Mal BlacKkKlansman, Spike Lees unter­gründig hart poli­ti­sche und anti­ras­sis­ti­sche Farce, und dreimal Green Book. Das zeigt: Rassismus ist das neue, eigent­liche Haupt­thema der Filmszene – nicht (mehr) #MeToo.
Zugleich belegt die Auszeich­nung für Green Book: Der Oscar mag bunter werden, aber er bleibt in Hollywood. Denn Green Book ist dann doch im Vergleich zu den beiden anderen Filmen für alle Seiten gut konsumierbar und recht mainstreamig und gefällig.

Den Eindruck einer beson­deren Poli­ti­sie­rung der Oscars muss man daher rela­ti­vieren: So ist zum Beispiel bemer­kens­wert, dass der Film, der am schärfsten auf die Unmoral und die Abgründe der US-ameri­ka­ni­schen Politik zielt, Adam McKays Vice über den republikanischen »Dark Knight« Richard Cheney, trotz acht Nominierungen fast nichts bekommen hat.

Immerhin symbo­li­siert die dies­jäh­rige Oscar-Verlei­hung eine Absage ans Show­busi­ness, und vor allem an die Übermacht des Fern­se­hens mit seinem Verlangen nach Einschalt­quoten.

Der Oscar gehört dem Kino und der Film­branche – er darf nicht von einem anderen Medium gekapert werden. Das alte Fern­seh­mo­dell einer überaus altmo­di­schen und spießbür­ger­li­chen Show, verbunden mit dem Zwang zur Perso­na­li­sie­rung, Verein­fa­chung und Infan­ti­li­sie­rung und der Verach­tung für weniger glamouröse tech­ni­sche Kate­go­rien, ist an sein Ende gekommen.