20.04.2017

Die Kunst des Kinos

Johan Grimonprez, Shadow World
Reagan macht Spaß mit Waffen: Shadow World von Johan Grimonprez ist ein dichtes Essay zur Waffenindustrie (Foto: Kino der Kunst)

Die 3. Ausgabe von »Kino der Kunst« zeigt Langfilme von bildenden Künstlern, die auch was für Cineasten sind

Von Dunja Bialas

Von l’art pour l’art zur dezidiert poli­ti­schen Kunst – die bildende Kunst musste sich argu­men­tativ immer wieder dem Aktua­litäts­bezug stellen. Das Festival »Kino der Kunst«, das an diesem Donnerstag in seine dritte Ausgabe geht, fragt nach dem Wirk­lich­keits­ver­hältnis künst­le­ri­scher Bewegt­bilder: Reflek­tiert Video­kunst Wirk­lich­keit? Wie reichert sie die Wirk­lich­keit zum Imaginär-Kunst­vollen an? Kann Kunst doku­men­ta­risch sein? Das Gros der ausge­wählten Arbeiten, die in den nächsten vier Tagen zu sehen sein werden, posi­tio­nieren sich als mit Fiktion ange­reich­terte Kunst­werke, deren Basis in einer doku­men­tier­baren Wirk­lich­keit zu finden ist, so Festi­val­leiter Heinz Schwerfel zum dies­jäh­rigen Programm. Eine Leitfrage bei der Auswahl war so auch, wie und bis zu welchem Grad sich Künstler auf Aspekte der Gegenwart einlassen.

Filme zeigen

Das Programm, das in den Kinosälen der HFF München gezeigt wird, präsen­tiert dieses Jahr auffal­lend viele Langfilme und umgeht so den Gedanken an ein neues Kurz­film­fes­ti­vals, das die ersten beiden Ausgaben nahe­legten.

Zentral und mit größter inter­na­tio­naler Aufmerk­sam­keit versehen ist Manifesto des Münchner Künstlers Julian Rosefeldt, der bereits mehrfache Festival-Scree­nings hatte (u.a. Sundance, Rotterdam, Istanbul). Keine Geringere als Cate Blanchett schlüpft in seinem Super-Manifest in 13 verschie­dene Rollen, um die unter­schied­lichsten Verlaut­ba­rungen zu Politik und Kunst (darunter das Kommu­nis­ti­sche Manifest, das Ober­hau­sener Manifest und Dogma 95) vorzu­tragen. Dies errinert in Seria­lität und Verklei­dungs­witz auch an Léos Carax' Holy Motors, ist dabei von eindrucks­voller Artif­zia­lität. Eine Narration ergibt sich hier allen­falls durch eine redu­zierte Drama­turgie in der Manifest-Anordnung, schwingt sich aber zu visueller Bombastik und funda­men­taler Kunst­markt- und Politik-Kritik auf. (So. 23.4., 19:30 Uhr, City Kino)

Eröffnet wird das Festival mit dem Lang­film­debüt Ni ciel ni la terre des Parisers Clément Cogitore, das ihm aus dem Stand eine Nomi­nie­rung für den César in der Kategorie »Bester Film« einge­bracht hat und mit dem er in Cannes für die Caméra d’Or nominiert war. Sein Film wagt sich in schweres Gelände in Afgha­nistan, am Fuße der Gebirgs­kette Wakhan, kurz vor dem Abzug der fran­zö­si­schen Truppen. Die Bilder des Gebirgs sind nie wirklich atem­be­rau­bend, bleiben nahezu doku­men­ta­risch, geben der Land­schaft eigenen Raum und lassen sie wie im Western zur dritten Prot­ago­nistin werden, die die Frage nach der exis­ten­ti­ellen Gewor­fen­heit des Menschen aufbringt. Dahinter verbirgt sich ein dezidiert zeit­kri­ti­scher Film, in dem weder der Himmel noch die Erde (so die Über­set­zung des Titels) Gebor­gen­heit bieten. (So. 11:00 Uhr, City Kino)

Die New Yorker Künst­lerin Shoja Azari zeigt in Weltur­auf­füh­rung ihren Langfilm Simple Little Lives, ein Cross-over von Lager­feuer-»America First«-Menta­lität mit American Inde­pen­dent. (20.4., 17 Uhr, HFF, 23.4., 14:30 Uhr, City Kino)

Omer Fast war bereits zum Jahres­wechsel mit einer umfas­senden Werkschau seiner Filme im Werk­statt­kino München zu sehen. Anlass war die Ausstel­lung im Gropius-Bau, den der ein oder andere Berlinale-Besucher wahr­ge­nommen haben sollte. Wer beides verpasst hat, kann nun noch einmal Conti­nuity über einen aus Afgha­nistan (nicht) heim­keh­renden Soldaten sehen. Ein Meis­ter­werk zur Deleuz­schen Wieder­ho­lung und Differenz. (23.4., 14:30 Uhr, HFF)

Einen beson­deren Hinweis wert ist auch noch das Langfilm-Essay Shadow World des Belgi­schen Künstlers und Filme­ma­chers Johan Grimon­prez. Bekannt wurde er mit Dial H-I-S-T-O-R-Y, das vor einigen Jahren in der Pina­ko­thek der Moderne zu sehen war; das Münchner UNDERDOX Festival zeigte Double Take, Thema mit Variation zu Alfred Hitchcock und dem Doppel­gänger. Jetzt hat sich Grimon­prez die okkulten Machen­schaften der Waffen­in­dus­trie vorge­nommen. Ein wieder mal äußerst dichtes Werk, in schwin­del­erre­gendem Tempo kompi­liert aus Inter­views, Archiv­ma­te­rial und Zitaten des urugu­ay­ischen Schrift­stel­lers Eduardo Galeano, der sich mit der Kolo­nia­li­sie­rung Latein­ame­rikas befasst hat. (22.4., 17 Uhr, HFF, 23.4. 17 Uhr, City Kino)

Filme ausstellen

Neben den Film­schauen gibt es zahl­reiche das Festival beglei­tende Ausstel­lungen in den Insti­tu­tionen der bildenden Kunst. Zwei davon wurden von Kino der Kunst selbst initiiert, zuge­schnitten auf die dies­jäh­rige Ausgabe.

So gibt es in der Baye­ri­schen Akademie der Schönen Künste einen Überblick über das foto­gra­fi­sche Schaffen von Ed Lachman zu sehen, dem dies­jäh­rigen Juror von Kino der Kunst. Lachman ist eine Kame­ra­le­gende, der die Filme von u.a. Todd Haynes, aber auch Ulrich Seidl foto­gra­fiert hat und derzeit im Kino mit Don’t Blink – Robert Frank zu sehen ist. Im Februar dieses Jahres erhielt er von der American Society of Cine­ma­to­graphers den Ehren­preis für sein Lebens­werk, am Mo., 24.4. hält er in der HFF München im Blauen Kino eine öffent­liche Lecture. (Ausstel­lung bis 30.4., Di-So, 11.00 – 16.00 Uhr, Max-Joseph-Platz 3)

Der Preis für das filmische Gesamt­werk geht dieses Jahr an den kali­for­ni­schen Künstler Ian Cheng. Der Espace Louis Vuitton (gleich­zeitig Preis­stifter) zeigt dessen von der Foun­da­tion gesam­melte Werke in der Ausstel­lung »Emissary Forks Featuring Thousand Islands«. Sie stellen »live simu­la­tions« her, »die als quasi lebende, im digitalen Raum ange­sie­delte und über Apps zugäng­liche virtuelle Ökosys­teme fungieren«, so die Ankün­di­gung. (Eröffnung am Fr, 21.4., 19:00 Uhr, Ausstel­lung bis 9.9., lange Öffnungs­zeiten während Kino der Kunst)

Das Festival empfiehlt daneben eine ganze Reihe von Ausstel­lungen, die sich als Vertie­fung oder Verlän­ge­rung des gezeigten Kunst-Film­pro­gramms anbieten.

So präsen­tiert die Villa Stuck das Filmwerk Manifesto von Julian Rosefeldt in seiner instal­la­tiven Form (artechock-Bericht) (noch bis 21.5., Di – So, 11:00 – 18:00 Uhr). Am Fr, 21.4. gibt es drei Einka­nal­filme aus der Zeit von 2001-2014 des Video­künst­lers im Foyer von goetz­part­ners zu sehen. (17:00-21:00 Uhr, Prinz­re­gen­tenstr. 56) Die Kammer 2 veran­staltet einen Filmtalk mit Screening zur Ausstel­lung von Harun Farocki »counter music« im Haus der Kunst (artechock-Bericht) (Sa., 22.4., 21:00-0:30 Uhr, Kammer 2, Falken­bergstr. 2). In der Pinkothek der Moderne ist die Instal­la­tion »Himalaya Goldstein Stube« der immer gut gelaunten Schweizer Video­pio­nierin Pipilotti Rist zu entdecken (Ausstel­lung bis 31.12.)

Besonders zu empfehlen ist der Kunst­verein München mit seiner Ausstel­lung zu den Belgiern Jos de Gruyter und Harald Thys, über­ti­telt mit »30 Jahre Kunst«, die auch viele Video-Arbeiten zeigt. Inbe­griffen ist ein ironi­sches Spiel mit der Konstruk­tion von Kunst durch den allmäch­tigen Kurator. (Eröffnung am Fr, 21.4., 19 Uhr, Künst­ler­ge­spräch am Sa, 22.4., 18:30 Uhr, Museum Brand­horst)

Was macht eigent­lich der Nachwuchs? Dem kann in der Ausstel­lung »Then I Saw… Nothing« im Kunstraum München nach­ge­gangen werden. In Koope­ra­tion mit der Kunst­hoch­schule für Medien Köln (KHM) laufen hier Filme zu Wahr­neh­mung und Täuschung von Miriam Gossing & Lina Sieckmann, Benjamin Ramírez Pérez, Stefan Ramírez Pérez. Namen, die man sich schon mal merken kann. (14-19 Uhr, Holz­straße 10)

Kino der Kunst
19. bis 23. April 2017

Film­vor­füh­rungen in der Hoch­schule für Fernsehen und Film (HFF) München und im City Kino (nur 23.4.)
Eintritt: 8 € (ermäßigt 5 €)