Kinos in München – Kino der Kunst 2017
Die Kunst des Kinos |
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Reagan macht Spaß mit Waffen: Shadow World von Johan Grimonprez ist ein dichtes Essay zur Waffenindustrie (Foto: Kino der Kunst) |
Von Dunja Bialas
Von l’art pour l’art zur dezidiert politischen Kunst – die bildende Kunst musste sich argumentativ immer wieder dem Aktualitätsbezug stellen. Das Festival »Kino der Kunst«, das an diesem Donnerstag in seine dritte Ausgabe geht, fragt nach dem Wirklichkeitsverhältnis künstlerischer Bewegtbilder: Reflektiert Videokunst Wirklichkeit? Wie reichert sie die Wirklichkeit zum Imaginär-Kunstvollen an? Kann Kunst dokumentarisch sein? Das Gros der ausgewählten Arbeiten, die in den nächsten vier Tagen zu sehen sein werden, positionieren sich als mit Fiktion angereichterte Kunstwerke, deren Basis in einer dokumentierbaren Wirklichkeit zu finden ist, so Festivalleiter Heinz Schwerfel zum diesjährigen Programm. Eine Leitfrage bei der Auswahl war so auch, wie und bis zu welchem Grad sich Künstler auf Aspekte der Gegenwart einlassen.
Das Programm, das in den Kinosälen der HFF München gezeigt wird, präsentiert dieses Jahr auffallend viele Langfilme und umgeht so den Gedanken an ein neues Kurzfilmfestivals, das die ersten beiden Ausgaben nahelegten.
Zentral und mit größter internationaler Aufmerksamkeit versehen ist Manifesto des Münchner Künstlers Julian Rosefeldt, der bereits mehrfache Festival-Screenings hatte (u.a. Sundance, Rotterdam, Istanbul). Keine Geringere als Cate Blanchett schlüpft in seinem Super-Manifest in 13 verschiedene Rollen, um die unterschiedlichsten Verlautbarungen zu Politik und Kunst (darunter das Kommunistische Manifest, das Oberhausener Manifest und Dogma 95) vorzutragen. Dies errinert in Serialität und Verkleidungswitz auch an Léos Carax' Holy Motors, ist dabei von eindrucksvoller Artifzialität. Eine Narration ergibt sich hier allenfalls durch eine reduzierte Dramaturgie in der Manifest-Anordnung, schwingt sich aber zu visueller Bombastik und fundamentaler Kunstmarkt- und Politik-Kritik auf. (So. 23.4., 19:30 Uhr, City Kino)
Eröffnet wird das Festival mit dem Langfilmdebüt Ni ciel ni la terre des Parisers Clément Cogitore, das ihm aus dem Stand eine Nominierung für den César in der Kategorie »Bester Film« eingebracht hat und mit dem er in Cannes für die Caméra d’Or nominiert war. Sein Film wagt sich in schweres Gelände in Afghanistan, am Fuße der Gebirgskette Wakhan, kurz vor dem Abzug der französischen Truppen. Die Bilder des Gebirgs sind nie wirklich atemberaubend, bleiben nahezu dokumentarisch, geben der Landschaft eigenen Raum und lassen sie wie im Western zur dritten Protagonistin werden, die die Frage nach der existentiellen Geworfenheit des Menschen aufbringt. Dahinter verbirgt sich ein dezidiert zeitkritischer Film, in dem weder der Himmel noch die Erde (so die Übersetzung des Titels) Geborgenheit bieten. (So. 11:00 Uhr, City Kino)
Die New Yorker Künstlerin Shoja Azari zeigt in Welturaufführung ihren Langfilm Simple Little Lives, ein Cross-over von Lagerfeuer-»America First«-Mentalität mit American Independent. (20.4., 17 Uhr, HFF, 23.4., 14:30 Uhr, City Kino)
Omer Fast war bereits zum Jahreswechsel mit einer umfassenden Werkschau seiner Filme im Werkstattkino München zu sehen. Anlass war die Ausstellung im Gropius-Bau, den der ein oder andere Berlinale-Besucher wahrgenommen haben sollte. Wer beides verpasst hat, kann nun noch einmal Continuity über einen aus Afghanistan (nicht) heimkehrenden Soldaten sehen. Ein Meisterwerk zur Deleuzschen Wiederholung und Differenz. (23.4., 14:30 Uhr, HFF)
Einen besonderen Hinweis wert ist auch noch das Langfilm-Essay Shadow World des Belgischen Künstlers und Filmemachers Johan Grimonprez. Bekannt wurde er mit Dial H-I-S-T-O-R-Y, das vor einigen Jahren in der Pinakothek der Moderne zu sehen war; das Münchner UNDERDOX Festival zeigte Double Take, Thema mit Variation zu Alfred Hitchcock und dem Doppelgänger. Jetzt hat sich Grimonprez die okkulten Machenschaften der Waffenindustrie vorgenommen. Ein wieder mal äußerst dichtes Werk, in schwindelerregendem Tempo kompiliert aus Interviews, Archivmaterial und Zitaten des uruguayischen Schriftstellers Eduardo Galeano, der sich mit der Kolonialisierung Lateinamerikas befasst hat. (22.4., 17 Uhr, HFF, 23.4. 17 Uhr, City Kino)
Neben den Filmschauen gibt es zahlreiche das Festival begleitende Ausstellungen in den Institutionen der bildenden Kunst. Zwei davon wurden von Kino der Kunst selbst initiiert, zugeschnitten auf die diesjährige Ausgabe.
So gibt es in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste einen Überblick über das fotografische Schaffen von Ed Lachman zu sehen, dem diesjährigen Juror von Kino der Kunst. Lachman ist eine Kameralegende, der die Filme von u.a. Todd Haynes, aber auch Ulrich Seidl fotografiert hat und derzeit im Kino mit Don’t Blink – Robert Frank zu sehen ist. Im Februar dieses Jahres erhielt er von der American Society of Cinematographers den Ehrenpreis für sein Lebenswerk, am Mo., 24.4. hält er in der HFF München im Blauen Kino eine öffentliche Lecture. (Ausstellung bis 30.4., Di-So, 11.00 – 16.00 Uhr, Max-Joseph-Platz 3)
Der Preis für das filmische Gesamtwerk geht dieses Jahr an den kalifornischen Künstler Ian Cheng. Der Espace Louis Vuitton (gleichzeitig Preisstifter) zeigt dessen von der Foundation gesammelte Werke in der Ausstellung »Emissary Forks Featuring Thousand Islands«. Sie stellen »live simulations« her, »die als quasi lebende, im digitalen Raum angesiedelte und über Apps zugängliche virtuelle Ökosysteme fungieren«, so die Ankündigung. (Eröffnung am Fr, 21.4., 19:00 Uhr, Ausstellung bis 9.9., lange Öffnungszeiten während Kino der Kunst)
Das Festival empfiehlt daneben eine ganze Reihe von Ausstellungen, die sich als Vertiefung oder Verlängerung des gezeigten Kunst-Filmprogramms anbieten.
So präsentiert die Villa Stuck das Filmwerk Manifesto von Julian Rosefeldt in seiner installativen Form (artechock-Bericht) (noch bis 21.5., Di – So, 11:00 – 18:00 Uhr). Am Fr, 21.4. gibt es drei Einkanalfilme aus der Zeit von 2001-2014 des Videokünstlers im Foyer von goetzpartners zu sehen. (17:00-21:00 Uhr, Prinzregentenstr. 56) Die Kammer 2 veranstaltet einen Filmtalk mit Screening zur Ausstellung von Harun Farocki »counter music« im Haus der Kunst (artechock-Bericht) (Sa., 22.4., 21:00-0:30 Uhr, Kammer 2, Falkenbergstr. 2). In der Pinkothek der Moderne ist die Installation »Himalaya Goldstein Stube« der immer gut gelaunten Schweizer Videopionierin Pipilotti Rist zu entdecken (Ausstellung bis 31.12.)
Besonders zu empfehlen ist der Kunstverein München mit seiner Ausstellung zu den Belgiern Jos de Gruyter und Harald Thys, übertitelt mit »30 Jahre Kunst«, die auch viele Video-Arbeiten zeigt. Inbegriffen ist ein ironisches Spiel mit der Konstruktion von Kunst durch den allmächtigen Kurator. (Eröffnung am Fr, 21.4., 19 Uhr, Künstlergespräch am Sa, 22.4., 18:30 Uhr, Museum Brandhorst)
Was macht eigentlich der Nachwuchs? Dem kann in der Ausstellung »Then I Saw… Nothing« im Kunstraum München nachgegangen werden. In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) laufen hier Filme zu Wahrnehmung und Täuschung von Miriam Gossing & Lina Sieckmann, Benjamin Ramírez Pérez, Stefan Ramírez Pérez. Namen, die man sich schon mal merken kann. (14-19 Uhr, Holzstraße 10)
Kino der Kunst
19. bis 23. April 2017
Filmvorführungen in der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und im City Kino (nur 23.4.)
Eintritt: 8 € (ermäßigt 5 €)