Kinos in München – Fox@Moma-Retro im Filmmuseum
Das Studio als Auteur |
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Ein Highlight der Retro – Erik Charells Caravan |
Von Ulrich Mannes
Sie war das »heißeste Jazz-Baby« Hollywoods und einer der beliebtesten Filmstars der 20er Jahre. Ihre öffentlich ausgeschlachteten Sex- und Beziehungsskandale korrespondierten durchaus mit ihren Rollen. Und ihr aufreibendes Privatleben kulminierte Anfang der 30er Jahre in einem Prozeß gegen ihre entlassene Sekretärin, die aus Rache alle Details ihrer Affären einem Boulevardblatt anvertraut hatte. Es folgte ein Nervenzusammenbruch und ein Klinkaufenthalt, und ihr Studio, die Paramount, dachte schließlich nicht mehr daran ihren Vertrag zu verlängern. Aber schon ein Jahr später konnte das It-Girl sein Comeback feiern: Die »Fox Film Corporation« verpflichtete Clara Bow 1932 für zwei Tonfilme, einmal für das Drama Call Her Savage von dem unbekannt gebliebenen Regisseur John Francis Dillon, und ein Jahr später für Hoopla von Frank Lloyd. Während der erste Film, in dem Clara Bow ein texanisches Mädchen mit Neigung zu unberechenbaren Gewaltausbrüchen und riskanten Affären spielt, ein ziemlicher Erfolg war, bleibt Hoopla, das Drama einer Bauchtänzerin, die als Attraktion einer Jahrmarktschau den Sohn ihres Impressarios verführt, ziemlich erfolglos. Clara Bow beendete daraufhin mit nicht einmal 30 Jahren ihre Karriere und zog sich für den Rest ihres Lebens, das immerhin noch drei Jahrzehnte dauern sollte, von der Öffentlichkeit zurück.
Die beiden Filme liefen (mit kurzen und prägnanten Einführungen vom Clara Bow-Biograph David Stenn) auf der aktuellen Retro des Münchner Filmmuseums, das gerade einige rare Werke aus der Sammlung des Museum of Modern Art (MoMA) von New York zeigt. Schon Mitte der 30er Jahre legte das MoMA einen Filmstock mit Kopien der Fox Corporation an, die für das Studio nur noch einen geringen kommerziellen Wert hatten und die Fox-Verantwortlichen dort besser aufgehoben sahen. Gegründet von
dem Kinobesitzer William Fox, galt die Company in den 20er Jahren als eines der wagemutigsten Studios Hollywoods. Es etablierte die Schauspielerin Thedra Bara als ersten Vamp der Filmgeschichte und popularisierte das Westerngenre mit seinem Star Tom Mix. Ab Mitte der 20er Jahre traute es sich an aufwendigere Produktionen, und als das Studio überaus geschmeidig den Übergang zum Tonfilm bewältigen konnte, geriet es kurzfristig in einen regelrechten Erfolgsrausch.
Doch im
Zuge der Weltwirtschaftskrise geriet die Fox in große finanzielle Turbulenzen, die ihren Gründer schließlich um sein Amt und seine Anteile brachten. Erst durch eine Fusion mit der »Twentieth Century«, woraus 1935 die »Twentieth Century-Fox« hervorging und uns das bis heute unveränderte Markenzeichen mit den riesigen Suchscheinwerfen vor den monumentalen Lettern des Firmentitels bescherte, konnte sich das Studio konsolidieren.
Aber davor machte sich die Fox schon einen
Namen als »Studio der Regiestars«, die ziemlich pompös beworben wurden: John Ford, Alan Dwan, Raoul Walsh, Frank Borzage, William K. Howard u.a. Einen Prestigeerfolg feierte das Studio zudem mit einer Anwerbung aus Deutschland, mit Friedrich Wilhelm Murnau.
Die Murnau-Filme der Fox (zu denen auch das Stummfilmdrama Sunrise gehört) stehen zwar nicht auf dem Programm, aber Murnaus stilistischer Einfluß macht sich bei einigen der präsentierten Filme bemerkbar, die da heißen: Street Angel, Wild Girl, While Paris Sleeps oder Hearts in Dixie: Das sind keineswegs verwunschene Hollywood-Klassiker, wie es die Titel suggerieren könnten, vielmehr unbekannt gebliebene Schätze der Filmgeschichte. Filme, die größtenteils von der Freiheit der »Pre-Code-Ära« profitieren konnten und doch eine ganz andere Aura als die letztjährige Filmmuseums-Retro verströmen. (vgl. artechock vom 21.11.2015)
Ein Highlight der Retro ist das Musical Caravan, »eine wirbelnde Geschichte aus einem Wolkenkuckucks-Ungarn«, geschrieben von dem Lubitsch-Mitarbeiter Melchior Lengyel, inszeniert von Erik Charell, der durch seinen Erfolg mit Der Kongreß tanzt von der Fox offenbar freie Hand und materiell und personell alles zur Verfügung gestellt bekam, was sein gestalterisches Herz verlangt hatte. Die Fabel ist ganz einfach: Loretta Young spielt eine junge Prinzessin, die sich nicht zu einer standesgemäßen Heirat drängen lassen will, und sich spontan und aus Trotz den Zigeunerkönig Charles Boyer zum Mann nimmt. Der Film hält die Spannungen zwischen Adelswelt und fahrendem Volk mit abenteuerlich choreographierten Musiksequenzen perfekt in der Schwebe. Genauso in der Schwebe bleibt die Lovestory zwischen Loretta Young und Charles Boyer, die eigentlich zum Traumpaar prädestiniert sind, und daß sie am Ende eben doch nicht zusammenkommen, könnte dazu beigetragen haben, daß Caravan bei Kritik und Publikum durchgefallen ist und die Filmkarriere von Erik Charell abrupt beendet hat. Zumindest war das die leise Vermutung von Dave Kehr vom MoMA-Filmdepartement, der vor zwei Wochen eine Einführung zu Caravan hielt (und den Film zwischen Lubitsch und Busby Berkeley verortete).
An zwei Wochenenden im Oktober kann man indessen unter den Labels »Fox in Love: Romances« und »Outside the box: Fantasies« noch weitere Entdeckungen machen. Besonders hervorheben muß man wohl Zoo in Budapest (15.10) von Rowland V. Lee (der auch den wesensverwandten Marionettentheaterfilm I Am Suzanne! inszeniert hat). Loretta Young flieht da aus einem Waisenhaus in einem Zoo und wird von dem Sohn eines Zoowärters versteckt gehalten. Laut Ankündigung ein Film von »ekstatischer Schönheit«, mit vielfach aufgeladenen (viragierten) Bildern, in denen sich abermals der Einfluß von F.W. Murnau bemerkbar macht.
Im Januar 2017 wird im Filmmuseum eine Murnau-Retro anlaufen, auf der auch Murnaus drei Fox-Filme zu sehen sind.