17.12.2015

Von Lukács zu Lucas, von Moses zu Luke, von Spinoza zu Yoda

Krieg der Sterne
Leitmotivische Sehnsucht nach Trost.

Die Jedi erwachen wieder: Der Mythensteinbruch des »Star Wars« Universums war vor 40 Jahren ein Spiegel des Zeitgeists der 1970er und zugleich der bisher erfolgreichste Versuch einer »Neuen Mythologie«

Von Rüdiger Suchsland

»Selig sind die Zeiten, für die der Ster­nen­himmel die Landkarte der gangbaren und zu gehenden Wege ist.«
Georg Lukács, »Theorie des Romans«

Es war einmal in einer weit entfernten Vergan­gen­heit... Amerika gegen Europa – so hieß die Front in jenem Krieg der Kritiker, der 1977 plötzlich ausbrach, und bis 1983 andauerte: »Phantasie, einfach Bezau­be­rung und ziemlich anspruchs­volles Kino­er­zählen fallen in eins« lobte Roger Ebert, und Pauline Kael im »New Yorker« war nicht minder begeis­tert: »Man spürt die Liebe zum Filme­ma­chen, fast eine Offen­ba­rung des Filme­ma­chens«, während die deutsche Film­kritik verärgert dem neuesten Untergang des Abend­landes beiwohnen musste, und spürte, dass sie ihn nicht verhin­dern konnte: Über »die Leicht­fer­tig­keit, mit der da mit Begriffen wie 'Macht' und 'Gefühl' umge­gangen wird«, wand sich H. G. Pflaum schmerz­ge­plagt in der »Süddeut­schen Zeitung«: »Motive wie diese hatten in den reak­ti­onärsten Epochen der Film­ge­schichte Hoch­kon­junktur.« »Die Comic-Saga ist nur ein endlos verlän­gertes Video-Spiel, fürch­ter­lich laut und fürch­ter­lich stumpf­sinnig.« wetterte Ponkie, und Hans C. Blumen­berg erkannte in der »Zeit« eine dunkle Bedrohung: »Wenn dieser Film ein Vorbote des Kinos der Zukunft sein sollte, dann muss man Angst haben um die Zukunft des Kinos.«

Neue Mytho­logie, elemen­tare Moral, unschul­dige Reinheit

So ist es gekommen. Das alles liegt heute länger zurück, als seiner­zeit der Zweite Weltkrieg, doch mit dem ersten Teil der ersten Star Wars-Trilogie 1977 brach ein neues Zeitalter in der Kino­ge­schichte an. Nicht allein das Block­bus­ter­kino, das bereits mit Exorcist und Der weiße Hai die Film-Land­schaft verän­derte, wurde auf eine neue Stufe gehoben, sondern die Filmkunst als solche. Star Wars ist ein ökono­mi­sches Ereignis wie ein ästhe­ti­sches und beides ist nicht vonein­ander zu trennen. Denn indem George Lucas' Epos sich auf Joseph Campells »Der Heros in tausend Gestalten« bezog und sich schamlos aus Märchen, Fabeln, Sagen, und Mythen bediente, deren Motive und Arche­typen zugleich originell umin­ter­pre­tierte und aktua­li­sierte, zielte es auf Erwach­sene wie Kinder, sprach es in den Erwach­senen das kindliche Gemüt an, und in den Kindern deren Größen­phan­tasie. Einem Kino, das nach dem Zusam­men­bruch der Studio­be­triebe, nach der Ermüdung des Auto­ren­kinos (inklusive New Hollywood) und dem Aufkommen des Fern­se­hens zum Schau­platz des Verdrängten der Bürger­li­chen Gesell­schaft, der Kata­stro­phen (Flam­mendes Inferno), der sozialen Krisen (Hundstage), des Rückzugs ins Private (Szenen einer Ehe) und vor allem ihres Unter­be­wussten (Schul­mäd­chen­re­port, Eis am Stiel, Die Nacht der lebenden Toten, Mondo Cannibale) geworden war, gab Lucas unschul­dige Reinheit und eine Utopie zurück, eine »neue Hoffnung.« (»New Hope« ist der offi­zi­elle Unter­titel des ersten Star Wars). Damit schuf Lucas einen neuen Typ Film, einen Film, der über sich selbst hinaus­geht. Auf der Ebene der Vermark­tung und des Merchan­di­sing, aber auch auf ästhe­ti­scher und welt­an­schau­li­cher Ebene. Star Wars ist ein eigenes Universum, es bekennt sich offen dazu »Neue Mytho­logie« sein zu wollen, Fan-Gemeinden und Welt­an­schau­ungs-Gefolg­schaften zu bilden. George Lucas bemerkte vor Jahren in einem Gespräch, das Epos solle eine »elemen­tare Moral« abbilden.

Man kann all dies frag­würdig finden, gefähr­lich und mit guten Gründen kriti­sieren. Aber man sollte die eigenen Einwände oder Affekte nicht an den Filmen auslassen. Die können nicht nur nichts dafür, sie sind einfach zu gut, und das heißt auch: Zu viel­fältig, zu facet­ten­reich, zu divers, und viel zu klug, um als Popcorn­kino, als simple Ideologie und als dümmliche Ersatz­re­li­gion abgetan zu werden. Sie sind wie gutes Kino immer, im Gegenteil originäre Kinder des Zeit­geistes ihrer Entste­hungs­jahre, ein Amalgam verschie­denster, nicht immer bewusster Einflüsse und Tendenzen. Das gilt zumindest für die ersten drei Filme, für die ursprüng­liche Trilogie. Wer sie in 100 oder 200 Jahren ansieht, wird von der Zeit um 1980 nicht weniger begreifen, als aus einem Film von Berto­lucci, Bergman, oder DePalma, und vermut­lich mehr, als aus denen, die Fass­binder und Wenders im gleichen Zeitraum gemacht haben.

New Frontiers

»Western im Weltraum« – das war das erste Schlag­wort, mit dem George Lucas sein Projekt in Hollywood »pitchte«. Die Analogie war nicht seine Erfindung: Der Weltraum war immer schon »Frontier«, aber im ersten Film ist dieser Zusam­men­hang offen­kundig: Der abseits gelegene Planet Tatooine, Heimat von Luke Skywalker, ist ein uner­schlos­sener, technisch vergleichs­weise zurück­ge­blie­bener und gefähr­li­cher Raum, bewohnt von Pionieren. Es gibt einen Hinter­halt in einem Canyon, es gibt eine Saloon­szene, und es gibt natürlich mindes­tens zwei arche­ty­pi­sche Western-Helden: Luke Skywalker als der Novize mit beson­derer Begabung und beson­derer Mission, zugleich eine naive, durch der Gedanken Zweifel kaum ange­krän­kelte, wie moralisch aufrechte Unschuld vom Lande. Ihr gegenüber Han Solo: Älter, erfah­rener, abge­brühter bis zum Zynismus, als Schmuggler zumindest moralisch zwie­lich­tiger. Eher eine Film-Noir-Figur in der Tradition Bogarts, aber auch der Western­fi­guren Clint Eastwoods. Beide ergänzen sich perfekt: Luke lernt durch Han eine Menge Über­le­benstricks, Han wird durch Luke auf den moralisch rechten Weg gebracht. Und in dem Moment, in dem der Zyniker und Einzel­gänger (»Solo«) Enga­ge­ment zeigt, ist er endgültig der erotisch attrak­ti­vere Kandidat auf die Gunst der begehrten Prin­zessin Leia Organa. Ein bisschen frech muss schon sein, wer verführen will. Luke hingegen bleibt brav, perfekt, oder auch (kindlich?) asexuell: Eine messia­ni­sche Figur, die ihre Welt erlösen wird, indem sie sich erlöst, einer, der werden will, »wie sein Vater«, ohne dass er weiß, was das bedeutet. Ein gedan­ken­ver­lo­rener Parzifal, ein »reiner Tor«, beseelt von seinem Auftrag, nicht von irdischen Gelüsten.

Die Artus-Sage bietet in mehr­fa­cher Hinsicht ein Mythen-Modell: Schwerter und Ordens­ri­tuale, das Motiv des exklu­siven Bunds zitieren die mittel­al­ter­liche Idee des Ritter­tums, Malorys spät­mit­tel­al­ter­liche Fassung erzählt auch vom univer­salen Kampf des Guten und des Bösen, von Magie und Schicksal, von einem jungen Prinz, der wie Moses von seinen Eltern zum eigenen Schutz ausge­setzt wurde, bei Zieh­el­tern aufwächst, ohne Wissen um seine wahre Herkunft, der mit Hilfe eines älteren weisen Zauberers (Obi-Wan ist der Merlin dieser Geschichte), eines beson­deren Schwertes, und einer tran­szen­denten Macht, eine Prin­zessin rettet, und einen Schwarzen Ritter besiegt. Luke erlebt die klas­si­sche »Helden­reise«: Anrufung, Vernei­nung, die Anleitung durch den weisen erfah­renen Führer, tiefere Einsichten, magische Hilfs­mittel, ein Labyrinth und in dessen inneren der finale Kampf gegen das Böse, zuvor dessen Demas­kie­rung. Ähnlich, aber anders Han: Er wird tief­ge­froren, um quasi wieder­ge­boren zu werden.

Die beiden annährend gleich­ran­gigen Helden wurden zu Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­guren ganzer Gene­ra­tionen. Während sich Jungen etwa gleich­stark mit Luke oder Han iden­ti­fi­zierten, bot Han Solo auch für Mädchen eine wichtige Projek­ti­ons­fläche. Carrie Fisher, Haupt­dar­stel­lerin der Leia, bemerkt im DVD-Audio­kom­mentar, sie hätte am liebsten Han Solo gespielt.

Er entwi­ckelte sich über die Folgen zum eigent­li­chen univer­salen Helden, wobei ihm dabei die Schau­spiel­kunst und das Star-Charisma Harrison Fords ebenso halfen wie dessen zwischen­zeit­li­cher Ruhm als Indiana Jones, einer irdischen Abenteuer- und Retro-Version Han Solos. Luke Skywalker, gespielt vom blassen Mark Hamill, wird auch als Figur immer farbloser: Er zeigt zu wenig Gefühl, kleinen Humor, nie Zweifel.

Auch sonst Arche­typen aller­orten, in wildem Stilmix: Die zwei Roboter C3PO und R2D2 als Comic-Relief, visuell an den Maschi­nen­mensch aus »Metro­polis« so offen angelehnt, wie im Benehmen eine Metall-Ausgabe des Komi­ker­duos Laurel/Hardy. Auch Darth Vader, Vater des Helden, mit Insignien des Faschismus wie der Stahlhelm-Form ausge­stattet, schwarz gekleidet und maskiert, mit verzerrter Stimme, entspricht passgenau einem Archetyp im Werk von C.G.Jung: dem »Schatten-Charakter«.
Die Macht der Moderne, die Technik der Zukunft und die Magie des Mittel­al­ters sind im Star Wars-Epos kein Wider­spruch. Auch die Werte sind arche­ty­pisch.

Der Mythen­stein­bruch, den Lucas plünderte, hat auch einen jüdischen Abschnitt. Schon früh bemerkten Fans, dass auf der Brust der einschüch­ternden Uniform des Erzschurken Anakin/Darth Vader hebräi­sche Buch­staben stehen. Sie sind schwer zu entzif­fern, Lucas selbst hat jede Auskunft verwei­gert, aber ein Großteil der Fange­meinde einigt sich darauf, dass es sich um einen Stelle aus »Exodus 16« über Bußfer­tig­keit Unschuld bis zur erwie­senen Schuld handle.

Wie kann man die Jedi inter­pre­tieren, jenen Elite-Orden exzellent begabter Ritter, die eine besondere Beziehung zur spiri­tu­ellen »Macht« (i.e. Gott) haben, und mit ihr kommu­ni­zieren. Ähnlich­keiten zwischen Lucas' »Force« und der jüdischen Gotte­sidee sind schon mehrfach beschrieben worden, ebenso wie die des Namens von Lukes prophe­ten­glei­chem zweiten Lehrer Obi wan Ken-Obi und dem hebräi­schen Wort »k'nah vi«, das »wie ein Prophet bedeutet. Und Yodas Name bedeutet auf Hebräisch ›Der Eine, der weiss‹.«

»Nicht jeder Name in Star Wars hat einen hebräi­schen Doppel­gänger« schreibt David Gordon auf »shalom­life.com«, aber »sicher ist: Die Ähnlich­keiten vieler Namen sind nicht zufällig.« Der Autor und NYU-Professor Liel Leibovitz geht einen Schritt weiter und entdeckt Gemein­sam­keiten zwischen Jedi und Juden: »Unsere spiri­tu­elle Lebens­reise, als Indi­vi­duen wie als Volk, besteht darin heraus­zu­finden, was es bedeutet, von Gott erwählt zu sein, welche Verant­wor­tung und welche Privi­le­gien damit verbunden sind.« Zumindest für die Gene­ra­tion der in frühen Acht­zi­gern Aufge­wach­senen gelte: »Wir alle wurden Talmud­schüler der Jedi«.

»Vergessen Du musst alles, was früher Du gelernt«

Zugleich ist »Star Wars« in vielem auch ein Spiegel des (post-)modernen Esoterik-Booms. Jedes Fanta­sy­epos spiegelt ihre Entste­hungs­zeit. So wie »Der Herr der Ringe« von Tolkiens Erfah­rungen an der Westfront im Ersten Weltkrieg, dem Aufstieg des Faschismus und dem briti­schen Trauma des Zweiten Welt­kriegs handelt, so wie »Game of Thrones« die ruchlose westliche Politik der Gegenwart mit zynisch-naivem Unter­neh­mertum mischen und so zum Märchen des Neoli­be­ra­lismus werden, so ist Star Wars die para­dig­ma­ti­sche Phantasie des »Wasser­mann­zeit­al­ters« mit seiner Sehnsucht nach Bewusst­seins­er­wei­te­rung und neuen Bewusst­seins­zu­ständen, mit seiner ökolo­gi­schen Besorgt­heit und dem Wunsch mit »der Natur« »eins zu werden«, und mit seiner Partei­nahme für eine anti­im­pe­riale Rebellion der Unter­pri­vi­le­gierten. Seit den 60er Jahren war »New Age« das Programm einer vermeint­lich neuen, besseren Ära jenseits einer entzau­berten Welt, in der Tech­nik­gläu­big­keit durch Spiri­tua­lität, west­li­ches Gedan­kengut durch fernöst­liche Weisheit, und »die« Geschichte durch »die« Natur ersetzt wurde, in der »sexuelle Revo­lu­tion«, »Befreiung« der »Innen­welten«, »Rückzug ins Private«, »Verweib­li­chung«, »Verkind­li­chung«, und Feier des Rand­s­tän­digen, Subver­siven gefragt waren. Ganz­heit­lich­keit hieß das neue Schlag­wort. Die Kernmoral lautet, nicht anders als bei spiri­tu­ellen Selbst­fin­dungs-Weekends: Abschied von den Verir­rungen der Moderne, am besten der kompletten west­li­chen Zivi­li­sa­tion. Alles wird gut – man muss nur fest genug daran glauben.

Das spiegelte das Lucas-Universum: Held Luke wird vom kamp­fes­lus­tigen Jung-Ritter zum Pazi­fisten. »Die Macht«, jene tiefere über­mensch­liche Einsicht in Welt­zu­sam­men­hänge nutzt er als Vertei­di­gungs­kraft und Quelle von Wissen. Luke trium­phiert durch den Verzicht auf den finalen Kampf – da verab­schiedet sich der Film vom Western-Paradigma hin zum Nicht-Handeln des Zen-Buddhismus. Seine Lehrer sind Obi-Wan und vor allem Yoda, der den zunächst noch stör­ri­schen Luke wie einer jener Zen- und Yoga-Meister, bei denen die Gestran­deten der bürger­li­chen Gesell­schaft in den 70ern Zuflucht suchten, einer regel­rechten Gehirn­wä­sche unter­zieht: »Vergessen musst Du alles, was früher Du gelernt.« Das Denken, die westliche Ratio soll verab­schiedet werden, statt­dessen Instinkt und Gefühl die Herr­schaft über­nehmen: Noch in »The Phantom Menace« sagt Lehrer Qui-Gon zum jungen Anakin: »Konzen­trier dich auf den Augen­blick, nicht denken. Fühlen.«

Die Macht (i.O. »The Force«), der er sich öffnen solle, wird als ein alles durch­drin­gendes Ener­gie­feld aus Licht und Dunkel beschrieben, das das Universum zusam­men­hält. Man müsse versuchen, sich der Macht anzu­n­ähern, je mehr das gelänge, um so mehr verfüge man über Fähig­keiten wie Tele­ki­nese, Tele­pa­thie, Hellsehen und andere Wege sein Umfeld geistig zu beein­flussen. Um die Macht haben sich verschie­dene orden­sähn­liche, elitäre Schulen gebildet, wie die Jedi-Ritter und die Sith.

Yoda lehrt natürlich auch Vernunft und Selbst­be­herr­schung und befindet sich damit in Einklang mit Lehren der Stoa. Doch am Ende geht es um »höhere Weisheit«, die nur Auser­wählten, wie Luke und Anakin zugäng­lich ist. Wieder­ge­burts­lehren und die Idee eins mit einer Kraft zu werden, die die ganze Welt durch­zieht und die Differenz von Gut und Böse aufhebt, stammen eher aus fernöst­li­chen Konzepten wie Taoismus und Buddhismus. Lucas nannte gele­gent­lich auch die Filme Akira Kurosawas als Inspi­ra­tion. Aber vieles lässt sich ebenso mit dem Panthe­ismus und den philo­so­phi­schen Systemen von Spinoza und Leibnitz deuten.

Die in ober­fläch­li­chen Tech­nik­glauben gefasste Tech­nik­kritik der Filme spiegelt dabei den Kultur­pes­si­mismus eines Lewis Mumford, der gerade in der Raumfahrt die Macht­ergrei­fung der »Mega­ma­schine« gesehen hat, einer »entmensch­lichten, macht­be­zo­genen Kultur«, die »alle mensch­li­chen Möglich­keiten durch ihr ... eindi­men­sio­nales, streng program­miertes System« ersetzen wolle. Der Todes­stern wie das Imperium wäre eine solche »Mega­ma­schine«.

Die ersten drei Filme spiegeln in ihrem spiri­tu­ellen Eklek­ti­zismus den Zeitgeist ebenso wie die aufkom­mende »Kali­for­ni­sche Ideologie« (Richard Barbrook), die die »neuen sozialen Bewe­gungen« mit der Revo­lu­tion von Rechts des Neoli­be­ra­lismus a la Thatcher und Reagan verband. »Das größte mono­pol­ka­pi­ta­lis­ti­sche Unter­nehmen der jüngeren Kino-Geschichte erzählt von der Rebellion gegen ein mono­pol­ka­pi­ta­lis­ti­sches Unter­nehmen« – so hat Georg Seeßlen einmal die Para­do­xien der Ganz­heit­lich­keit des »Star Wars«-Univer­sums beschrieben.

Reduktion von Komple­xität durch Poli­ti­sche Theologie

Star Wars war Einladung zum Träumen wie Hoffnung auf Erlösung von einer immer komple­xeren Welt. Lucas' Mythen boten die ersehnte Reduktion von Komple­xität und feste Orien­tie­rung. George Lucas hat seine Erzählung vom Kampf zwischen Gut und Böse immer wieder mit histo­ri­schen Bezügen grundiert. Neben denen zum antiken Rom und zur Ritter­kultur des Mittel­al­ters sind Paral­lelen zur NS-Diktatur und dem Weltkrieg zwischen demo­kra­ti­schen und faschis­ti­schen Staaten augen­fällig. Schon visuell in den Uniformen der »Sturm­truppen«, aber auch in der Darstel­lung der Propa­ganda und der Unter­drü­ckung von Minder­heiten.

Ein weiteres, über­ra­schend aktuelles Leitmotiv ist Demo­kra­tie­kritik. Lucas Filme zeigen die Mani­pu­lier­bar­keit der Massen, die Schwäche von Insti­tu­tionen, die Lang­sam­keit und Komple­xität der Entschei­dungs­pro­zesse und die Lähmung einer Demo­kratie durch die Macht schran­ken­loser Eigen­in­ter­essen. Demge­genüber stellt Lucas immer wieder die Utopie einer Herr­schaft der Besten, und das – am ehesten in den Jedi verkör­perte – plato­ni­sche Modell einer »Philo­so­phen­herr­schaft«.

Es geht um poli­ti­sche Theologie. Der Krieg zwischen Rebellen und dem Imperium, Repu­bli­ka­nern und Tyrannen ist am Ende nur die Außen­seite eines tran­szen­den­talen Kampfes um Alles. Damit setzt George Lucas auf freilich mitunter kindische, nicht immer kindlich-unschul­dige Weise, jenes roman­ti­sche Konzept in die Tat um, das »Star Wars« mit vielen Mythen und manchen Romanen verbindet, und das sein Namens­vetter Georg Lukács 1911 in seiner damals epoche­ma­chenden »Theorie des Romans«, einer Theorie univer­saler Mythen und ihres Leit­mo­tivs ist, als Sehnsucht nach einer »neuen und abge­run­deten Totalität« beschrieb. Man könnte auch sagen: Trost.