22.10.2015

Mit anderen Augen

I nostri ragazzi
Die Bürde, moralisch gerecht zu handeln: I nostri ragazzi

Zum 18. Mal tourt das Filmfestival CINEMA! ITALIA! durch Deutschland und macht in 33 Städten halt. In München sind von 22. bis 28. Oktober im Theatiner Filmtheater sechs Filme von italienischen Regisseuren zu sehen, die alle in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind.

Von Elke Eckert

So unter­schied­lich die Themen auf den ersten Blick sein mögen, eines haben die Filme – vom Psycho­thriller bis zum Porträt – gemeinsam: einen beson­deren Blick­winkel.

In I nostri ragazzi (Unsere Kinder) von Ivano De Matteo wird eine Familie im Innersten bedroht. Zwei Jugend­liche, die eine Obdach­lose schwer miss­han­delt haben sollen, kommen nicht aus einem Problem­viertel, sondern sind die Kinder eines ange­se­henen Arztes und eines erfolg­rei­chen Anwalts. Wie die beiden Brüder und ihre Frauen mit dieser uner­war­teten und drama­ti­schen Erkenntnis umgehen, ist über­ra­schend und zeigt, wie schwer es ist, in Extrem­si­tua­tionen moralisch und gerecht zu handeln. (Donnerstag, 22. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr, Sonntag, 25. Oktober, 20.30 Uhr)

Der Debütfilm von Sydney Sibilia, Smetto quando voglio (Ich kann jederzeit aussteigen), war in seiner Heimat ein Publi­kums­er­folg. Ein junger Neuro­bio­loge verliert seinen Job, weil wegen der Wirt­schafts­krise Stellen an der Uni gestri­chen werden. Das Gute daran ist, dass er nicht allein in der miss­li­chen Lage steckt, und so bastelt er alsbald mit anderen geschassten Wissen­schaft­lern eine Droge, auf die die Party­szene Roms nur gewartet zu haben scheint… Mit Witz, Tempo und bitterer Ironie erzählt Sibilia von einer Gesell­schaft, die auch sehr gut ausge­bil­dete und junge Menschen immer häufiger aufs Abstell­gleis schiebt. (Freitag, 23. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr, Sonntag, 25. Oktober, 18.15 Uhr)

Gesell­schafts­kri­tisch, aber trotzdem sehr komisch, ist auch Gianni Di Gregorios Buoni a nulla (Pechvögel). Ein gutmü­tiger Ange­stellter hat es satt, privat und beruflich immer zu den Verlie­rern zu gehören. Er möchte auch einmal ein Gewinner sein und tut sich deshalb mit seinem neuen Kollegen zusammen, der wie er ein Loser ist, um den Spieß endlich umzu­drehen. Regisseur Gianni Di Gregorio, der auch das Drehbuch geschrieben hat und die Haupt­rolle spielt, sieht seinen Film als eine Art Selbst­ver­such. Er wollte wissen, ob man, wenn man es unbedingt will, ein anderer Mensch werden kann. Was dabei heraus­ge­kommen ist, ist vor allem sehr unter­haltsam. (Samstag, 24. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)

Auch Ermanno Olmi, einer der Großen des italie­ni­schen Kinos, hatte eine persön­liche Moti­va­tion für seinen Film Torneranno i prati (Die Wiesen werden blühen). Sein Vater war Infan­te­rist im Ersten Weltkrieg und hat ihm erzählt, wie schreck­lich vor allem die Augen­blicke vor dem Angriff waren. Und so steht in seinem Drama nicht die Kriegs­hand­lung an sich im Mittel­punkt, sondern die Ruhe vor dem Sturm und was sie mit den einzelnen Soldaten macht, die an der Front­linie gewis­ser­maßen auf ihren Tod warten. Dem 84-Jährigen ist damit ein zutiefst mensch­li­ches und anti­mi­li­ta­ris­ti­sches Alters­werk gelungen. (Montag, 26. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)

Fernando Muraca hat ebenfalls eine emotio­nale Sicht auf sein Thema – den Kampf gegen die Mafia. In seinem ersten Kinofilm La terra dei santi (Das Land der Heiligen) versucht eine Staats­an­wältin das Vertrauen von zwei Schwes­tern zu gewinnen, beide Mütter und Ehefrauen von Mitglie­dern des kala­bri­schen Verbre­cher­syn­di­kats. Sie will die Frauen zum Reden bringen, um die mafiösen und hier­ar­chi­schen Struk­turen aufzu­bre­chen. Mit seiner weib­li­chen Perspek­tive verlässt Muraca die ausge­tre­tenen Genre-Pfade und gibt seinem Thriller psycho­lo­gi­sche Tiefe. (Dienstag, 27. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr)

Zum 20. Todestag Federico Fellinis hat sein Regie­kol­lege Ettore Scola ein filmi­sches Porträt des italie­ni­schen Groß­meis­ters gedreht. Scola kombi­niert Spiel­szenen und Archiv­ma­te­rial mit Ausschnitten aus Fellinis Werken und legt ein beson­deres Augenmerk auf die ersten Karrie­re­jahre des Ausnah­me­künst­lers. Dazu gehört auch die Zeit als Kari­ka­tu­rist bei einer Sati­re­zeit­schrift, wo sich Scola und Fellini kennen­lernten. Che strano chiamarsi Federico (Federico – Scola erzählt Fellini) ist ein sehr persön­li­cher Film geworden, weil Scola die Lebens­sta­tionen seines Freundes nicht chro­no­lo­gisch abhakt, sondern lieber seinen Erin­ne­rungen freien Lauf lässt. (Mittwoch, 28. Oktober, 18.15 und 20.30 Uhr).