06.01.2011

Die tollsten Kreativen

Heinrich George
Heinrich George während einer NS-Veranstaltung

Von Rüdiger Suchsland

Ästhetik, Moral und Götz George

Jede Ästhetik hat ihre eigene Moral. Das weiß Nico Hofmann am aller­besten. Man musste gar nicht erst die Pres­se­mit­tei­lung zuende lesen, um zu wissen, dass es keine andere Firma sein könnte, wenn in Deutsch­land ein öffent­lich-rechtlich finan­zierter TV-Film über Heinrich George gedreht wird. Längst sind Hofmann und seine Firma team worxx Mono­po­listen, wenn es um jene »histo­ri­sches Dokudrama« genannten Schmon­zetten geht, die in der Regel revi­sio­nis­ti­sche Botschaften von deutschem Leid und deutscher Opfer­rolle ans Fernseh-Publikum verkaufen, egal ob in »Dresden« oder »Die Flucht«: Viel Blut und Schweiß und noch mehr Tränen werden da vergossen. Nun also Heinrich George. Keine echte Über­ra­schung. Ein weiter deutscher Held in schwerer Zeit halt.

Die eigent­liche Nachricht ist viel eher, dass Götz George bei diesem Film in die Rolle seines Vaters schlüpfen wird. Das über­rascht, hatte doch Sohn Götz früher öfters freimütig von der Last gespro­chen, diesen Vater zu haben, den er selbst, geboren 1938, zudem kaum gekannt hatte. Viel­leicht wird es spannend sein, ihm dabei zuzusehen, wie er sich am Übervater abar­beitet: Denn Heinrich George, 1893 geboren und 1946 im sowje­ti­schen Lager gestorben, war einer­seits ein viel größerer Schau­spieler als der Sohn – bei Brecht und Piscator, in Fritz Langs Metro­polis –, ande­rer­seits hat er sich politisch unrettbar korrum­piert: Zunächst KPD-Mitglied, schwenkte er 1933 flugs auf die Seite der neuen Herren, und scheute nicht den Auftritt in übelsten NS-Propa­gan­da­schinken: Hitler­junge Quex, dann Jud Süss und Kolberg waren die »Höhe­punkte«, die Vater George zum Vorzei­ge­star des Regimes machten. Ein Entschul­dungs­un­ter­nehmen kann der geplante ARD-Film daher nicht werden. Man wäre schon froh, käme er ohne Kitsch und falsche Gefühle aus, und wäre einfach trocken seriös.

Die ersten Äuße­rungen des Sohns lassen das Gegenteil befürchten: »Seine Zeit war ungeheuer kreativ.« so Götz George in einem Interview naiv: »Der war mit den tollsten Malern, mit den tollsten Schrift­stel­lern, mit den tollsten Kreativen zusammen. Die waren alle befreundet. ... Er war ein wunder­barer, gewal­tiger Mensch, in einer Zeit, wo die Aner­ken­nung eben anders war als heute.« Fürwahr. Jede Ästhetik hat eben ihre eigene Moral.