Sommertraditionen |
||
Sommerliches Kino im Westpark |
Von Claus Schotten
Auch wenn man es beim Blick aus dem Fenster oder auf die Wetterkarte nicht glauben mag, der Sommer ist da! Man merkt es am Münchner Kinoprogramm. Anders als das Wetter hält es sich noch an die jahreszeitlichen Gepflogenheiten. Schon seit gut zwei Wochen sind die Open-Air-Kinos wieder geöffnet, wenn die Vorstellungen nicht vom Regen weggespült werden. Am Samstag eröffnet dann das Filmfest den eigentlichen Sommer für die Münchner Cinephilen. Diesem Höhepunkt folgt – als jüngste Tradition – das typische Sommerprogramm des Filmmuseums. Es beginnt mit dem angenehmen Teil, der heiter-unterhaltsamen Themenreihe im Juli. Sie steht dieses Jahr unter dem Motto Hotels & Motels. Mit bekannten und weniger bekannten Filmklassikern stimmt sie auf die großen Ferien ein. Im August folgt dann der unangenehme Teil – viereinhalb Wochen ohne einen einzigen Film im städtischen Kino – bis das Stummfilmwochenende Anfang September für die Entbehrungen der Vorwochen entschädigt.
Vielleicht sollte man als passionierter Kinogänger die Ferien im August für einen Kurs in der großen Kunst der Bi-Lokation nutzen. Denn das Fantasy-Filmfest als zweites großes Festival des Sommers ist – wie im Vorjahr – von seinem Stammtermin Ende Juli auf Anfang September gewandert. Das wäre der perfekte Abschluss für die sommerlichen Kinovergnügen in München, würde es nicht mit den Stummfilmen im Filmmuseum kollidieren.
Bleibt noch die älteste Sommertradition in den Münchner Kinos zu erwähnen – die Filmkunstwochen im August. Sie finden heuer schon zum 57. Mal statt. Vor ein paar Jahren boten sie noch die Gelegenheit typische Repertoire-Filme der Programmkinos auf der großen Leinwand zu sehen, auch als das Repertoire-Programm im Rest des Jahres schon komplett aus den Kinos verschwunden war. So konnte man Lücken im eigenen Filmwissen stopfen, die alten Werke von »angesagten« Regisseuren wie den Coen-Brüdern und Almodovar mit ihren aktuellen Filmen vergleichen oder einfach die eigenen Lieblingsfilme sehen. Für mich war beispielsweise jahrelang die OmU-Fassung von Chungking Express ein Pflichttermin. Da wollte man am liebsten den halben August im Kino verbringen und war froh, wenn man nicht verreisen „musste“.
Leider sind die Filmkunstwochen in den letzten Jahren immer mehr verkommen. Das Programm wurde ausgedünnt und weitgehend auf den Art-House-Mainstream der letzten 1-2 Jahre reduziert. Es wurden also genau die Filme gezeigt, die man im Laufe des letzten Jahres ohnehin schon im Kino gesehen hatte. Für diejenigen, die im Vorjahr ein paar Monaten krank oder im Ausland gewesen waren, mag das eine ideale Gelegenheit gewesen sein, versäumtes nachzuholen. Für regelmäßige Kinogänger war es aber das Signal »Macht Ferien! Wir wollen euch nicht im Kino sehen!« und hat eher die Lust auf das Verreisen als auf einen Kinobesuch geweckt.
Dieses Jahr soll es einen Neuanfang geben. Mit City und Cadillac sind zwei weitere Kinos dazu gestoßen. Es soll u.a. »thematische Reihen mit selten gesehenen Filmen [und] Neustarts jenseits des Mainstreams« geben. Und als Neuerung können die (potetiellen) Zuschauer noch bis Sonntag im Internet über Ihren Wunschfilm abstimmen. Die beliebtesten fünf werden dann im August gezeigt.
Noch ist es für endgültige Aussagen zu früh. Das gesamte Programm erscheint erst im Juli, aber die 15 Vorschläge für den Wunschfilm sind alles andere als vielversprechend. Bis auf Außer Atem von Godard sind ausschließlich Kassenschlager des letzten Jahres nominiert, die monatelang im Kino liefen oder noch immer laufen. Für diese Filme braucht man wirklich keine Filmkunstwochen. Wer als
regelmäßiger Kinogänger die vorgeschlagenen Filme noch nicht gesehen hat, will das auch im August nicht nachholen.
Vom Filmverstand oder Einfallsreichtum der Kinomacher zeugt diese Filmauswahl also nicht. Vielmehr ist wie im Vorjahr ein risikoloses und langweiliges Programm gesichert. Wozu dann überhaupt eine Publikumsbefragung?
Ich kann ja verstehen, dass die Kinobetreiber einige allseits bekannte Filme ins Programm setzen wollen, um die Aufmerksamkeit zu steigern und ein paar Leute in die Säle zu locken, die im Rest des Jahres zuhause bleiben. Aber dafür braucht man wirklich keine Publikumsbefragung.
Dabei böte sich das Instrument der Publikumsbefragung für andere Filme durchaus an, etwa Filmklassiker oder die Art-House-Hits von vor vier, fünf Jahren. Da gäbe es unzählige schöne Filme, viel mehr
als ins Programm passen. Warum hier nicht die Endauswahl den Zuschauern überlassen? Besonders sinnvoll wäre eine Zuschauerwahl aber für die vielen guten Filme, die im vergangenen Jahr ganz schnell wieder aus den Kinos verschwunden sind, weil die Mundpropaganda zu spät einsetzte. Einige von ihnen hätten – unterstützt durch die Werbung „Gewinner der Publikumsbefragung“ – eine zweite Chance verdient.
Bleibt zu hoffen, dass abseits der Publikumsbefragung, etwa in den »Thematischen Reihen«, doch noch ein paar sehenswerte Filme ihren Weg in das Programm der Filmkunstwochen finden. Oder dass das Wetter noch merkt, dass Sommer ist. Damit man auch ohne Neoprenanzug in die Open-Air-Kinos gehen kann, oder vielleicht gar in die Berge...
+ + +
PS: Am Mittwoch läuft Ice Age 3 an. Ist das aktuelle Wetter nur Teil einer gigantischen Marketing-Kampagne?