04.10.2012

Let's fake!

Mondomanila von Khavn
Mondomanila von Khavn

Underdox lädt im 7. Jahr zu Mockumentaries, experimentellen und dokumentarischen Spielfilmen und außergewöhnlichen Dokumentarfilmen ein (München, 4.-11.12, Filmmuseum, Werkstattkino)

Von Dunja Bialas

Mondo­ma­nila, so heißt der erste Film des phil­ip­pi­ni­schen Regis­seurs Khavn de la Cruz, der mit dem auf asia­ti­sche Filme spezia­li­sierten Label Rapid Eye Movies produ­ziert wurde. Ein Zeichen dafür, dass das enfant terrible des digitalen phil­ip­pi­ni­schen Kinos endlich in den inter­na­tio­nalen Markt aufge­nommen wurde. Heißt: Jetzt kann der Film auch in Deutsch­land den Weg ins Kino finden. Kann, oder besser gesagt, könnte, denn noch wissen die Macher von Rapid Eye Movies nicht so recht, wie sie mit dem Film verfahren sollen. Und so ist es immer noch den Festivals vorbe­halten, die Jungen Wilden, die von den Phil­ip­pinen aus schon seit einiger Zeit das Weltkino mitge­stalten, bekannt zu machen.

Underdox, das inter­na­tio­nale »Film­fes­tival für Dokument und Expe­ri­ment«, hat von seinem ersten Jahr an die Filme Khavns gezeigt. So war auch Mondo­ma­nila ein Muss für die Festi­val­ma­cher: Was wie ein Doku­men­tar­film aussieht, ist in Wirk­lich­keit ein kongenial gedrehtes Fake. Bruta­lität und Anstößig­keit gehören als Selbst­ver­s­tänd­lich­keit zu dem Filmgenre des »Mondo«, das auf auf den Film Mondo Cane (1962) des Italie­ners Gualtiero Jacopetti zurück­geht. Khavn hat in den Slums von Manila mit »authen­ti­schen Jugend­li­chen« sein eigenes »Mondo« gedreht. Er mischt dabei, wie es das Genre verlangt, uner­schro­cken die verschie­densten Filmstile. Heraus­ge­kommen ist dabei ein provo­zie­render Film, der allen Nach­richten-Bilder über das Leben in den Slums der soge­nannten »Schwel­len­länder« eine lange und vergnüg­liche Nase zeigt. (Fr., 5.10., 22:30 Uhr, Werk­statt­kino)

Sehge­wohn­heiten aufzu­bre­chen oder zumindest diese zu erschüt­tern, das trifft auf die meisten der Underdox-Filme zu. Die Festival-Macher haben im Laufe des letzten Jahres auf den wichtigen europäi­schen Festivals die Filme gesammelt, die ihre Sinne zum Taumeln brachten, die in neue kine­ma­to­gra­phi­sche Gefilde schossen oder die eine andere Erzähl­weise benutzen, fernab der meist themen­kon­zen­trierten Doku­mentar- und hand­lungs­fi­xierter Spiel­filme.

Oftmals geht es dabei auch um simple Verwirr­spiele. Wie zum Beispiel in Nana, einem wunder­schön foto­gra­fierten Film über ein kleines Mädchen, das sich allein in einem entle­genen Haus am Wald, irgendwo in Frank­reich, befindet. Man sieht in doku­men­ta­ri­scher Beob­ach­tung, wie die Vier­jäh­rige Müsli und Milch zusam­men­schüttet, sich anzieht, in den Wald geht, ein Tier aus einer Falle hohlt, sich später selbst ins Bett schickt. Irgend­wann, so viel darf verraten werden, dämmert einem die filmische Anordnung: hier Nana, das kleine Mädchen, in großer Selbstän­dig­keit. Und dort das Filmteam, die Cuts, die Beleuchter und keines­wegs ein Allein­sein. Der preis­ge­krönte Film der Foto­grafin Valérie Massadian schwitcht wie ein Vexier­bild, bei dem mal das eine, mal das andere Motiv fokus­siert wird, hin und her, dies zwischen Doku­men­ta­tion und Fiktion. (Fr., 5.10., 18:30 Uhr, Film­mu­seumo)

Viele der Filme sind dieses Jahr hoch­po­li­tisch, wie der russische Film Tomorrow über eine »Pussy Riot«-ähnliche Gang, »Voina«, die in Sankt Peterburg kunst­po­li­ti­sche Aktionen und Obrig­keits­pro­vo­ka­tionen in Form von Street Art mit großem Spaß betreibt (Fr., 5.10., 20:30 Uhr, Werk­statt­kino). Oder Mocracy – Neverland in Me des Berliner Kompo­nisten und Musiker Christian von Borries. Von Borries geht dem Verschwinden der Demo­kratie in den Bilder­welten von Youtube und Co. und den sterilen Konsum-Envi­ron­ments der durch Geld domi­nierten Gesell­schaften im Nahen Osten nach. Dazu mischt er Bild­schnipsel, die er im Internet findet, in der Art eines Mash-ups. Mocracy ist damit auch ein ganz klares Statement in der Urhe­ber­dis­kus­sion. Welches, das kann man am Samstag heraus­finden (Sa., 6.10., 22:30 Uhr, Werk­statt­kino).

Underdox ist politisch. Underdox ist aber auch ästhe­tisch. Ein ganz wichtiger Programm­punkt sind Filme von Künstlern, die ihren Platz unbedingt im Kino auf der großen Leinwand haben. White Epilepsy des Franzosen Philippe Gran­d­rieux, einem Vertreter des »Cinéma du Corps« gehört hier unbedingt dazu. White Epilepsy ist ein choreo­gra­phierter Film, in dem zwei nackte Körper (eine Frau, ein Mann) nachts im Dunkeln in der Natur aufein­an­der­treffen. Dabei ergeben sich über Sound und Bild immer wieder Momente des Body-Horror-Movies, wenn das Dunkel die weißen Körper verschluckt. Ein Film, der mit großen Inten­sitäten arbeitet, und in dem der Plot vollends preis­ge­geben wurde zugunsten einer nur noch meta­pho­ri­schen Figuren-Konstel­la­tion. (Sa., 6.10., 21 Uhr, Film­mu­seum)

Zu einer kleinen Reise nach Wien lädt das Festival außerdem auf einem Extratag ein, am soge­nannten V'Day. Am 11. Oktober feiert Underdox die 50 Jahre junge Viennale mit zwei Pogrammen, die die Verbun­den­heit der beiden Festivals deutlich macht. Gezeigt werden Rome Rather Than You des alge­ri­schen Regis­seurs Tariq Teguia und Sick: The Life and Death of Bob Flanagan, Super­ma­so­chist des Ameri­ka­ners Kirby Dick (bekannt auch durch seinen Derrida-Film). Beide Filme wurden aus dem Film­pro­gramm der Viennale ausge­sucht und bringen den Münchnern Wien ganz nahe. (Do., 11.10., 20:30 Uhr und 22:30 Uhr, Werk­statt­kino)

Im Anschluss an die Eröffnung mit Two Years at Sea am Do., 4.10. um 20 Uhr im Film­mu­seum wird in der Artothek (Rosental 16) gefeiert: Mit einer Lett­risten-Perfor­mance der Künst­le­rinnen Evi Europa und Carla Aulaulu Egerer und den DJs Ivi (Club 2) und Grimmo. Eintritt frei!