34. Filmfest München 2017
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Vorfreude pur: Claire Denis' Un beau soleil intérieur eröffnet das Filmfest München | ||
(Foto: Pandora Film Medien GmbH) |
Von Dunja Bialas
Am liebsten würde man ja nur über die schönen Filme schreiben, die das Filmfest München wieder an die Isar geholt hat. Und, neu dieses Jahr, über die Stars. Nach der Schelte, die sich Festivalleiterin Diana Iljine eingehandelt hat, weil es ihr in den letzten Jahren nicht gelungen war, ihr Antrittsversprechen einzulösen und namhafte Stars in ausreichender Menge nach München zu holen, wird dieses Jahr groß aufgefahren: Sofia Coppola, Lucas Belvaux, Claire Denis, Vincent Lindon, Michel Hazanavicius und andere kommen nach München. Die zwei Bud-Spencer-Stuntmänner Salvatore Borgese und Riccardo Pizzuti darf man hoffentlich anfassen und den Zustand der Muskeln überprüfen.
Doch Spaß beiseite. Denn das Filmfest hat noch nicht einmal angefangen, und schon muss man sich über den Reformwillen der Festivalmacher wundern, der empfindlich das professionelle Arbeiten einschränkt. Diesmal sind es die Pressevorführungen, die als Schikane-Event ins Filmfest eingebaut wurden. Zum ersten Mal muss man sich auf einem Festival (aber wer weiß schon, was hier als Vorbild dient) sich vorab Karten für die Pressevorführungen holen. Das erhöht die erfassten Zuschauerzahlen. Außerdem gibt es als Pressevorführungen deklarierte Vorstellungen mit »normalen« Filmfest-Besuchern, die sogenannten Morgen-Movies. So erklärt es zumindest ein PDF-Dokument, das vorsorglich auf der Filmfestwebsite hinterlegt wurde und das den entsprechenden, vielleicht auch sprechenden Titel trägt: »FAQ«. Eine der »frequently asked questions« lautet: »Warum gibt es nicht mehr Pressevorführungen?« Ja, das fragt man sich tatsächlich.
Zahlen helfen ja manchmal weiter, um die Dinge klarer zu sehen. Insgesamt werden in zehn Festivaltagen 30 Pressevorführungen angeboten, hinzu kommen 19 Morning Movies. Von den 49 für die Presse relativ problemlos besuchbaren Vorstellungen (es gibt ein großes Kontingent) sind 35 deutsche Filme oder Co-Produktionen. Bleiben also nur 14 internationale Filme, die man der Presse zeigen möchte. Nichts gegen die deutsche Sektion, die Christoph Gröner mit großer Souveränität führt, so dass man sich gelegentlich schon fragt, warum er eigentlich nicht neuer Festivalchef in Hof geworden ist. Aber durchaus etwas gegen dieses aufdringliche Promoting des nationalen Filmschaffens. Ob hier die Gesellschafter des Filmfests (allen voran die SPIO und der Bayerische Rundfunk) mitgeredet haben?
Mit den de facto ausbleibenden Pressevorführung kann das Filmfest eine wichtige Rolle nicht mehr erfüllen: ein Festival der Begegnung unter den Professionals zu sein, mit angeregten Diskussionen über das Programm. Die Pressevorführungen waren immer maßgeblich, um auf dem Filmfest mit seinen vielen Spielstätten ein Zentrum zu finden. Jetzt muss man in die zentrumsferne HFF fahren, vielleicht aber soll man ja auch in den Gasteig, da ohnehin von der inneren Festivalstruktur als Zentrum angelegt. Aber um was genau eigentlich dort zu tun?
Man soll ja nicht immer von früher sprechen, und gerade beim Filmfest war früher keineswegs alles besser, im Gegenteil. Aber dennoch: Früher wurden zwei Wochen vor Festivalbeginn täglich zwei Pressevorführungen im Filmmuseum abgehalten. Und während des Festival hatte man PVs, die es im zwei-Stunden-Slot bis in den frühen Nachmittag gab. Das erscheint luxuriös, war aber großartig, um das Programm in umfassender Weise kennenzulernen. Wenn das Festival startete, konnte man schon echte Filmempfehlungen aussprechen und nicht nur nachbeten, was andere (zum Beispiel die nach-Cannes-Fahrenden) vorgebetet hatten: Dass Sofia Coppolas neuer Film The Beguiled toll sein soll, dass Michael Hazanavicius irrt, wenn er meint, in Le redoutable das Leben des JLG verfilmen zu müssen (obwohl The Artist und vor allem die beiden Agenten-Parodien OSS 117 sehr großartig waren), dass man sich auf Michael Hanekes eher mau aufgenommenen Happy End trotzdem freut, während man sich das dazugehörige Foto ansieht und sich fragt, ob Isabelle Huppert in diesem Film jetzt endlich mal die Enkeltochter spielen darf, von dem in der Synopsis die Rede ist. In ihrem Nachthemdchen sieht sie jedenfalls schon wieder deutlich jünger aus als beim letzten Mal.
Nachbeten also ist nicht. Den Katalog abschreiben ist auch nicht. Vorab-Pressevorführungen sind auch nicht mehr, aber vermutlich hätte man sich das Filmfest vorab schon mal am Rechner via Streaming-Links zu Gemüte führen können. Ist ja auch safer, bei der Hitze und der immer irgendwie adrenalingetränkten Stimmung, die das nahende Filmfest früher entfachte. Jetzt beschäftigt man sich also an seinem Computer mit dem Filmfest, mit der Hand auf der Maus. Click!