19.03.2015

Erstmal kein neuer Direktor

100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker
Christoph Schlingensiefs 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker
(Foto: Filmgalerie 451 GmbH & Co.KG)

Eine rückdatierte Bewerbung, eine einstweilige Anordnung, »geheime« Dokumente – die Lage an der DFFB wird zunehmend chaotisch

Von Rüdiger Suchsland

Die einen fühlten sich an ihre Jugend bei den Kreuz­berger Autonomen erinnert, anderen fiel Christoph Schlin­gen­siefs Groteske 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führer­bunker ein, und Außen­ste­hende konnten den Eindruck bekommen, da befände sich die DFFB auf der Flucht vor ihren Studenten. Jeden­falls war es schon ein sehr merk­wür­diges Treffen, als sich der als neuer Direktor der »Deutschen Film- und Fern­seh­aka­demie Berlin« »in Aussicht genommene« Produzent Ralph Schwingel am Montag­nach­mittag Studenten, Dozenten und Mitar­bei­tern der Film­schule zu einem ersten Gespräch stellen wollte.

Zwei Dutzend Studenten blockierten nämlich im Namen der meisten ihrer Kommi­li­tonen den Zugang zum Filmhaus und zum Arsenal – »nur für eine halbe Stunde, und um ein Zeichen zu setzen« –, aber dadurch zwangen sie die etwa 50 Anwe­senden zu einem Irrweg durch die verschlun­genen Gänge des Film­hauses und zwei­ma­ligem Orts­wechsel, bis man sich schließ­lich in einem Keller­gang auf dem Boden setzte und über eine Stunde mitein­ander debat­tierte.

»Was ist denn das für ein Demo­kra­tie­ver­s­tändnis?« war da von einigen vorwurfs­voll zu hören – als hätte man noch nie etwas von »Sit-ins« und Protest­kultur gehört, als wüsste man nicht, dass Protest und das Pochen auf Mitbe­stim­mung zum Wesen der DFFB gehört, dass Gesprächs­ver­wei­ge­rung auch das gute Recht freier Bürger ist.
Dabei gab es diese Verwei­ge­rung gar nicht. Im Gegenteil hatte es schon zuvor am Mittag ein Treffen zwischen Schwingel und drei Studen­ten­ver­tre­tern gegeben, das durchaus friedlich verlaufen war. Darin erläu­terten die Studenten ihren seit drei Monaten andau­ernden Protest dagegen, aus dem Verfahren zur Berufung des neuen Direktors ausge­schlossen zu sein. Für dieses Verfahren verant­wort­lich ist vor allem der Chef der Berliner Senats­kanzlei Björn Böhning (SPD), und das von ihm besetzte DFFB-Kura­to­rium, dem kein aktiver Filme­ma­cher angehört, dafür Funk­ti­onäre aus Fernsehen und Film­för­de­rung und der Vertreter eines ameri­ka­ni­schen Verleihs. Proble­ma­tisch scheint auch, dass Kura­to­ri­ums­mit­glieder laut DFFB-Satzung »nicht in geschäft­liche Bezie­hungen« zur DFFB treten dürfen. Bei Sendern und Förderern läßt sich zumindest darüber disku­tieren, ob das nicht der Fall ist.

Mit täglichen Mahn­wa­chen am Roten Rathaus, zwei gut besuchten Podi­ums­dis­kus­sionen, Unter­s­tüt­zer­listen mit renom­mierten Unter­zeich­nern, Protest­auf­tritten, unter anderem auf der Berlinale und wohl­ab­ge­wo­genen Pres­se­mit­tei­lungen hatten die Studenten, die darin auch im Namen eines Teils der DFFB-Dozenten sprechen, immerhin erreicht, dass die Öffent­lich­keit aufmerksam wurde, und eine Entschei­dung über ihre Köpfe hinweg lange verhin­dert wurde. Vor knapp zwei Wochen hatte dann Böhning das Verfahren an sich gezogen und verkündet, die bishe­rigen Verfah­rens­re­geln würden ignoriert, und Ralph Schwin­gels Ernennung werde »in Aussicht genommen«. Wie der Montag zeigte, haben Böhning und sein Kura­to­rium damit vor allem Schwingel selbst einen Bären­dienst getan.

Die einen reden, die anderen schweigen – das war bisher die Situation: Denn neben der miss­glückten Konsens­lö­sung und einem Beru­fungs­ver­fahren, das auch Schwingel selbst als »subop­timal« bezeichnet, beklagen Studenten wie Dozenten die völlige fehlende Trans­pa­renz. Weder hat das Kura­to­rium bisher das Verfahren und dessen Scheitern erläutert, noch begründet, warum man sich eigent­lich partout nicht für die von Dozenten und Studenten favo­ri­sierte Kame­ra­frau Sophie Main­ti­gneux entscheiden möchte – lang­jäh­rige DFFB-Dozentin, die an der Kölner Kunst­hoch­schule bewiesen hat, wie Studen­ten­filme sogar am Markt Erfolg haben.

Noch immer wird dagegen von Seiten des Senats und des Kura­to­riums gemauert. Durch­ge­si­ckert ist, dass ein bekannter Kandidat, der offenbar von der Kura­to­ri­ums­mehr­heit durch­ge­wunken werden sollte, sich im Verfahren selbst als desin­ter­es­siert zeigte. Und dass der danach favo­ri­sierte Öster­rei­cher Julian Pölsler sich mit Böhning am Ende offenbar deshalb nicht einigen konnte, weil er bereits 2016 gleich wieder mona­te­lang frei­ge­stellt werden wollte, um selbst einen Film zu drehen.

Aber es gibt weitere Merk­wür­dig­keiten weitere Gründe für Kritik: Aus Kreisen des Kura­to­riums war zu erfahren, dass die Bewerbung Schwin­gels, der nach eigener Aussage erst im Januar ange­spro­chen wurde, dem Vernehmen nach auf den Herbst 2014 zurück­da­tiert worden ist. Die Geschäfts­ord­nung des Kura­to­riums war wochen­lang nicht zugäng­lich. Studenten wie Dozenten wurde auf Nachfrage erklärt, das Dokument dieser öffent­li­chen Insti­tu­tion sei »geheim« – bevor es nach meiner eigenen drin­genden Nachfrage gestern Nach­mittag plötzlich hieß, ich (und jeder Inter­es­sierte) könne sie »vor Ort einsehen«.

Am Montag ist die vor sich hinschwe­lende Krise weiter eskaliert. Sophie Main­ti­gneux hat nämlich vor Gericht eine einst­wei­lige Anordnung gegen Schwin­gels Ernennung erstritten. Nicht um sich selbst einzu­klagen, wie sie betont, sondern um ein neues faires Verfahren zu erzwingen, »damit sich so etwas in Zukunft nicht wieder­holt.« Die Folge: Ohne einen Kompro­miss dürfte die Direk­to­ren­stelle über Monate vakant bleiben.

Die aktuelle Krise könnte eine Chance sein, um mit oder ohne Ralph Schwingel die DFFB neu aufzu­stellen, und auch über Perso­na­lien hinaus einen Neuanfang zu schaffen. Aber Perso­nal­fragen lassen sich von Sach­fragen längst nicht mehr trennen: Die Besetzung des Kura­to­riums zu über­denken, könnte ein erster Schritt sein.