Erstmal kein neuer Direktor |
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Christoph Schlingensiefs 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker | ||
(Foto: Filmgalerie 451 GmbH & Co.KG) |
Die einen fühlten sich an ihre Jugend bei den Kreuzberger Autonomen erinnert, anderen fiel Christoph Schlingensiefs Groteske 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker ein, und Außenstehende konnten den Eindruck bekommen, da befände sich die DFFB auf der Flucht vor ihren Studenten. Jedenfalls war es schon ein sehr merkwürdiges Treffen, als sich der als neuer Direktor der »Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin« »in Aussicht genommene« Produzent Ralph Schwingel am Montagnachmittag Studenten, Dozenten und Mitarbeitern der Filmschule zu einem ersten Gespräch stellen wollte.
Zwei Dutzend Studenten blockierten nämlich im Namen der meisten ihrer Kommilitonen den Zugang zum Filmhaus und zum Arsenal – »nur für eine halbe Stunde, und um ein Zeichen zu setzen« –, aber dadurch zwangen sie die etwa 50 Anwesenden zu einem Irrweg durch die verschlungenen Gänge des Filmhauses und zweimaligem Ortswechsel, bis man sich schließlich in einem Kellergang auf dem Boden setzte und über eine Stunde miteinander debattierte.
»Was ist denn das für ein Demokratieverständnis?« war da von einigen vorwurfsvoll zu hören – als hätte man noch nie etwas von »Sit-ins« und Protestkultur gehört, als wüsste man nicht, dass Protest und das Pochen auf Mitbestimmung zum Wesen der DFFB gehört, dass Gesprächsverweigerung auch das gute Recht freier Bürger ist.
Dabei gab es diese Verweigerung gar nicht. Im Gegenteil hatte es schon zuvor am Mittag ein Treffen zwischen Schwingel und drei
Studentenvertretern gegeben, das durchaus friedlich verlaufen war. Darin erläuterten die Studenten ihren seit drei Monaten andauernden Protest dagegen, aus dem Verfahren zur Berufung des neuen Direktors ausgeschlossen zu sein. Für dieses Verfahren verantwortlich ist vor allem der Chef der Berliner Senatskanzlei Björn Böhning (SPD), und das von ihm besetzte DFFB-Kuratorium, dem kein aktiver Filmemacher angehört, dafür Funktionäre aus Fernsehen und Filmförderung und der
Vertreter eines amerikanischen Verleihs. Problematisch scheint auch, dass Kuratoriumsmitglieder laut DFFB-Satzung »nicht in geschäftliche Beziehungen« zur DFFB treten dürfen. Bei Sendern und Förderern läßt sich zumindest darüber diskutieren, ob das nicht der Fall ist.
Mit täglichen Mahnwachen am Roten Rathaus, zwei gut besuchten Podiumsdiskussionen, Unterstützerlisten mit renommierten Unterzeichnern, Protestauftritten, unter anderem auf der Berlinale und wohlabgewogenen Pressemitteilungen hatten die Studenten, die darin auch im Namen eines Teils der DFFB-Dozenten sprechen, immerhin erreicht, dass die Öffentlichkeit aufmerksam wurde, und eine Entscheidung über ihre Köpfe hinweg lange verhindert wurde. Vor knapp zwei Wochen hatte dann Böhning das Verfahren an sich gezogen und verkündet, die bisherigen Verfahrensregeln würden ignoriert, und Ralph Schwingels Ernennung werde »in Aussicht genommen«. Wie der Montag zeigte, haben Böhning und sein Kuratorium damit vor allem Schwingel selbst einen Bärendienst getan.
Die einen reden, die anderen schweigen – das war bisher die Situation: Denn neben der missglückten Konsenslösung und einem Berufungsverfahren, das auch Schwingel selbst als »suboptimal« bezeichnet, beklagen Studenten wie Dozenten die völlige fehlende Transparenz. Weder hat das Kuratorium bisher das Verfahren und dessen Scheitern erläutert, noch begründet, warum man sich eigentlich partout nicht für die von Dozenten und Studenten favorisierte Kamerafrau Sophie Maintigneux entscheiden möchte – langjährige DFFB-Dozentin, die an der Kölner Kunsthochschule bewiesen hat, wie Studentenfilme sogar am Markt Erfolg haben.
Noch immer wird dagegen von Seiten des Senats und des Kuratoriums gemauert. Durchgesickert ist, dass ein bekannter Kandidat, der offenbar von der Kuratoriumsmehrheit durchgewunken werden sollte, sich im Verfahren selbst als desinteressiert zeigte. Und dass der danach favorisierte Österreicher Julian Pölsler sich mit Böhning am Ende offenbar deshalb nicht einigen konnte, weil er bereits 2016 gleich wieder monatelang freigestellt werden wollte, um selbst einen Film zu drehen.
Aber es gibt weitere Merkwürdigkeiten weitere Gründe für Kritik: Aus Kreisen des Kuratoriums war zu erfahren, dass die Bewerbung Schwingels, der nach eigener Aussage erst im Januar angesprochen wurde, dem Vernehmen nach auf den Herbst 2014 zurückdatiert worden ist. Die Geschäftsordnung des Kuratoriums war wochenlang nicht zugänglich. Studenten wie Dozenten wurde auf Nachfrage erklärt, das Dokument dieser öffentlichen Institution sei »geheim« – bevor es nach meiner eigenen dringenden Nachfrage gestern Nachmittag plötzlich hieß, ich (und jeder Interessierte) könne sie »vor Ort einsehen«.
Am Montag ist die vor sich hinschwelende Krise weiter eskaliert. Sophie Maintigneux hat nämlich vor Gericht eine einstweilige Anordnung gegen Schwingels Ernennung erstritten. Nicht um sich selbst einzuklagen, wie sie betont, sondern um ein neues faires Verfahren zu erzwingen, »damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt.« Die Folge: Ohne einen Kompromiss dürfte die Direktorenstelle über Monate vakant bleiben.
Die aktuelle Krise könnte eine Chance sein, um mit oder ohne Ralph Schwingel die DFFB neu aufzustellen, und auch über Personalien hinaus einen Neuanfang zu schaffen. Aber Personalfragen lassen sich von Sachfragen längst nicht mehr trennen: Die Besetzung des Kuratoriums zu überdenken, könnte ein erster Schritt sein.