18.02.2015
65. Berlinale 2015

Der Mehltau unent­schlos­senen Erzählens

Queen of Desert
Nur eine Fata Morgana: Werner Herzogs Queen of the Desert
(Foto: Prokino Filmverleih GmbH / Twentieth Century Fox of Germany GmbH)

Inshallah! Rosamunde Pilcher in der Wüste, Ursula Karven als Nicole Kidman, Nicole Kidman als Hadschi Halef Herzog, und Andreas Dresen als Punk – zwei deutsche Holzhammerfilme im Berlinale-Wettbewerb – Rüdiger Suchsland Berlinale-Tagebuch (16)

Von Rüdiger Suchsland

Zwei Millionen Euro wollte der Welt­ver­trieb, so konnte man hören, ursprüng­lich für die Deutsch­land-Rechte von Werner Herzogs Queen of the Desert haben. Gegen Mitte der Woche war man bereits bei 300.000 Euro gelandet. Inzwi­schen liegt der Film noch darunter. Was war passiert?

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Dies ist, kurz und knapp gesagt, der schlech­teste Herzog-Film aller Zeiten. Eine Kata­strophe, selbst dann wenn man schon immer das Gefühl hatte, viel­leicht sei Herzog ein bisschen über­schätzt, viel­leicht seien die Kritiker damals in den Sieb­zi­gern zu sehr auf seine Mythen, seine Selbst­my­thi­sie­rung, sein Pathos rein­ge­fallen und die geradezu lächer­liche Maske der Naivität, mit der er sich umgibt. Und in Wahrheit ist Naivität natürlich das Letzte, das zu Herzog zu sagen ist.
Wie der Herzog schon spricht... Sich selbst beweih­räu­chert...

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Aber reden wir nicht über Personen. Es wäre mir herzlich egal, wie Herzog drauf ist, und was ich von ihm halte, wenn nur sein Film super wäre. Aber dieser Film... Es geht los mit einer lustigen Szene typischen Histo­ri­en­kinos, so wie ich es gern mag: Eine Handvoll Briten gebeugt um einen Tisch mit Landkarte, einer davon soll D.H.Lawrence sein (und dass ihn Robert Pattinson spielt, ist wirklich nur eine groteske Fußnote am Rand), ein anderer Churchill (Chris­to­pher Fulford). Sie reden über eine Frau, von der ich noch nie gehört habe: Gertrud Bell. Dass dieses Unwissen eine Bildungs­lücke ist, wird mir ein paar Tage später klar, als ich bei einem Mittag­essen der Film­stif­tung NRW Samir treffe, den tollen Schweizer Doku­men­tar­filmer, der im Panorama einen Film über die Geschichte eines Teils seiner Familie zeigt (Iraqi Odyssey). Samir erzählt mir, dass er vor ein paar Jahren den Plan hatte, die Geschichte Gertrud Bells zu verfilmen, das Projekt aber »wegen Herzog« nichts wurde. Jetzt sage ich ihm, könnte er »wegen Herzog« den Plan wieder aufnehmen, viel­leicht ja einfach einen Doku­men­tar­film über Bell machen. Denn eigent­lich ist die Geschichte von Gertrude Bell hoch­in­ter­es­sant. Aber Gertrude hieß ja auch die Gans in Jules Vernes »Reise zum Mittel­punkt der Erde«, und mitunter erinnert Kidmans Auftritt und das, was Herzog von Bell erzählt, mehr an diese als an die histo­ri­sche Figur

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Histo­risch ist Herzogs Film schon mal ziem­li­cher Unsinn, sobald es um Details geht. Details kümmern Herzog nicht, haben ihn noch nie gekümmert, müssen sie viel­leicht auch nicht, selbst wenn er sich nicht als Groß­filmer sehen würde, aber wenn es sich um Verfäl­schung histo­ri­scher Tatsachen handelt, wird’s halt doch irgend­wann ärgerlich. Und wenn sie unnötig sind, erst recht.
Der Kata­log­text der Berlinale ist auch eine Mogel­pa­ckung, wird dort doch sugge­riert, es ginge auch um die »Weichen­stel­lung für die poli­ti­sche Neuord­nung des Nahen Ostens um 1920«. Nicht mal ansatz­weise, denn da ist der Film schon zuende. Worum es geht: Gertrude und die Männer. Und zwar ausschließ­lich. Als wäre Werner Herzog kein Autoren­filmer, sondern ein Konfek­ti­onär der Degeto.

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Ewig­keiten bringt der Film damit zu, höchst ungenau zu erzählen, wie Bells Faszi­na­tion für den Orient ihre Ursache in der Faszi­na­tion für einen Mann gehabt haben soll, dann gibt es sonnen­durch­flu­tete Kitsch­bilder zu Hauf, dann ist der Mann tot, und aus Bell offen­kundig eine frus­trier­teZicke geworden, die den Verlust durch Orient­reisen – in die Wüste!!! – kompen­siert. Was man aus diesem Film – wie schon aus dem dusse­ligen Eröff­nungs­film Nobody wants the night von Isabel Croixet – über das behaup­tete Berlinale-Thema »Starke Frauen« lernt, ist: Eine starke Frau muss als Beweis der Stärke immer einen Mann verlieren. Und: Eine starke Frau muss als Beweis der Stärke immer ihren Mann stehen. Alle Männer verlieben sich in sie, aber man weiß gar nicht, warum. Der Film zeigt es uns nicht. Sie kennt nur ihre Aufgabe, ihre Mission.

Der Rest ist wie bei Karl May: Immer wieder Aufbruch und Ankommen, dazwi­schen Rast bei »den Beduinen«, orien­ta­li­sche Gast­freund­schaft, klar, zu ausgie­bige Land­schafts­be­schrei­bungen. Da muss doch bestimmt jetzt auch noch ein Sandsturm kommen, denkt man irgend­wann. Und kaum eine halbe Stunde später ist er da. Dreimal sagen ihr Orts­kun­dige und britische Diplo­maten »Don’t go!«, dreimal geht sie trotzdem, während sie irgend­etwas von »freedom, the poetry of life« erzählt. Das haben wir also vom Femi­nismus: Dass sich Frauen auch nicht mehr an Regeln halten, unver­nünftig benehmen und durch den Haupt­ein­gang das Bedui­nen­zelt betreten.

Dreimal auch ist Gertrudes Tross von Indianern, äh: Beduinen umzingelt, die wild mit Krumm­sä­beln fuchteln und in die Luft schießen, wie Orien­talen halt so sind. Inschallah passiert Gertrude nichts, und Hadschi Halef Herzog schneidet ein paar Land­schafts­auf­nahmen hinterher.
Irgendwie ist der Film auch falsch gebaut, denn immer wieder ist es 1915.

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Erstaun­lich konven­tio­nell sind die Bilder von der ersten Minute an. Rosamunde Pilcher hat das Drehbuch geschrieben, Richard Clyderman die Musik gemacht, und die Haupt­rolle spielt Ursula Karven. Nicole Kidman macht hier gleich viermal eine Schau­spiel­schulen-Übung, die in der Ausbil­dung bei Strasberg als aller­erstes kommt: Einen Brief öffnen. Und lesen. In dem nichts drinsteht. Sie macht das auch wie eine Schau­spiel­schü­lerin mit ihren immer etwas zu betonten Augen­auf­schlägen.

Ich habe Kidman oft und aus Über­zeu­gung vertei­digt – an Herzogs Seite ist sie hilflos. Natürlich ist es ein Problem, wenn sie eine Zwan­zig­jäh­rige und eine Fünf­und­vier­zig­jäh­rige spielt, ohne sich irgendwie zu wandeln, natürlich ist dies kein realis­ti­scher Film, darum darf sie auch im Gegensatz zu Peter O’Toole vor 50 Jahren auch nach drei Monaten in der Wüste immer frisch gepudert aussehen. Dies ist ein doppeltes Star­ve­hikel, ein Film über Kidman und Herzog, der erzählt, wie beide gesehen werden wollen.

Nur darum musste Herzog diesen Film machen. Dem Künstler in ihm aber geht jedwede Fein­mo­torik verloren. Ein Märchen, was er sein könnte, ist der Film aber auch nicht. Er versucht von Aben­teu­er­li­chem, von Wildem zu erzählen – das Ergebnis ist eine Groteske. Ein Film ohne Erotik, ohne Risiko, ohne Doppel­bö­dig­keit. Kein bisschen Wahnsinn Herzogs ist erkennbar, keine Passion, auch nicht für den Wüsten­sand, wie irgendwo behauptet wurde. Wer sich verzau­bern lässt... so argu­men­tierten die wenigen Vertei­diger des Films. Ich lass mich gern verzau­bern, zum Beispiel von Terrence Malick, aber dazu gehört eben auch Zauber.

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Gehen wird der Film übrigens trotzdem, weil das Volk auf Kidman steht, an Herzog glaubt und keine Film­kri­tiken liest. Wie Rosamunde-Pilcher-Verfil­mungen geht man auch hier davon aus, dass Frauen das sehen wollen, dass »Desperate House­wives« hier ihren eska­pis­ti­sche Phan­ta­sien freien Lauf lassen. So kompen­sa­to­risch der Film ist, so regressiv – mit anderen Worten: Jeden­falls für ein paar Hundert­tau­send ist Queen of the Desert ein Schnäpp­chen.

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Es sind wieder alle krank. Ein komplettes Filmteam war, wie ich höre, wegen Kotz­grippe im Kran­ken­haus. Ein befreun­deter Film­kri­tiker hustete die Berlinale durch. Ich selbst hab bisher nur Berlinale.

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Kann man die eigent­lich essen? Wer die dies­jäh­rige Berlinale-Tasche in die Hand nimmt, überlegt, ob so in etwa das Frühstück von Dieter Kosslick aussieht. Rein vegan, ohne Farb­stoffe.
Diese dies­jäh­rige Berlinale-Tasche habe ich mir gar nicht erst geholt, da ich diese Jute-Öko-Ästhetik prin­zi­piell geschmacklos finde, und ich schon nach dem ersten Tag hörte, dass einer Kollegin von der Tasche die schwarzen Klamotten komplett voll­ge­haart wurden. Die Knöpfe an der Tasche sind übrigens keines­wegs angenäht, sondern billig geklebt. Überhaupt sieht die Tasche aus, als sei sie in Kinder­ar­beit in Indien entstanden, und im nächsten Forum gibt es dann einen Doku­men­tar­film darüber. Das nennt man Nach­hal­tig­keit.

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Eine inter­es­sante Vertei­di­gung gab es zu Herzog: Thomas Groh inter­pre­tierte den Film im Perlen­tau­cher als verkapptes Selbst­por­trait Herzogs. Da muss man erstmal drauf kommen. Der Gedanke ist so absurd, dass er schon wieder inter­es­sant ist: »Nicole Kidman ist Gertrude Bell ist Werner Herzog. ... Demut war Herzogs Sache nie (dafür umso mehr die Freiheit): Nicht er ist der Erzähler des Lebens von Gertrude Bell, umgekehrt ist es Gertrude Bell, die Werner Herzog hier über histo­ri­sche Distanz als Wesens- und Geis­tes­ver­wandte ins eigene Werk inte­griert.«
Tatsäch­lich gibt es Verweise in der Insze­nie­rung der Figur, die diesen Schluss nahelegen. Aber eine Komödie, wie der Autor nahelegt? Lachen konnte ich mit dem Film nie, nur über ihn.

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Am Neben­tisch eine Stimme: »The Bulgarian stand is between the Russian and the Turkish.« Da gehört er ja auch hin.

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Der Mehltau des unent­schlos­senen Erzählens liegt nicht nur über Herzog, sondern auch über Andreas Dresens neuem Film Als wir träumten. Und offenbar auch über Wim Wenders. Dessen neuen Film habe ich nicht gesehen, halb frei­willig. Um so mehr verlasse ich mich aber auf den sicheren Gesch­masck des FAZ-Kollegen Andreas Kilb. Der beschrieb im Gespräch mit dem RBB sehr schlüssig »eine allge­meine Tendenz des Kinos von Wim Wenders« in den letzten Jahren: »Er kuschelt mit den Figuren ... jede ist dermaßen vom Regisseur verstanden, dass wir gar nichts mehr erfahren. Sie haben kein Rätsel mehr, dem ich mich nähern kann.«
Die Figuren bei Wim Wenders seien »in so eine Art Kino­ge­mälde einge­sperrt, aus dem sie nicht raus kommen.«

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So sehr ich mich darum drücke, aber jetzt muss ich endlich auf etwas anderes kommen, auf den neuen Film von Andreas Dresen. Mir geht es so, dass ich Dresen als Regisseur in seinen ganzen letzten Filmen voll­kommen unin­ter­es­sant finde. Ich meine jetzt nicht die Themen, nicht die manchmal tollen Dialoge, nicht die mit unter über­ra­schenden und oft sehens­werten Schau­spieler. Sondern den Regisseur. Über den Filme­ma­cher Dresen kann man in Deutsch­land gar nicht richtig streiten. Es lohnt überhaupt nicht, alle finden ihn nett, alle finden ihn unin­ter­es­sant, das sagen ja selbst die, die seine Filme mögen. Wozu also? Und er selbst scheint sich für seine Filme auch wenig zu inter­es­sieren, jeden­falls viel weniger, als für junge Schau­spie­le­rinnen. Dazu noch später.
Was auch nicht für den neuen Dresen-Film Als wir träumten spricht, ist, dass er vor der Berlinale versteckt wurde, und bald danach startet, am kommenden Donnerstag. Damit sagt einem aufge­klärten Zuschauer der Verleih: Leute, wir glauben selber nicht dran, wir haben Angst, dass sich was rumspricht, also schnell weg mit der Sch... schwie­rigen Ware.
Dresens neuen Film könnte ich nach Ansicht total verreißen. Aber ich mag den Produ­zenten Peter Rommel wirklich gern. Und weil ich die Befürch­tung habe, dass er mir das ande­ren­falls nicht glauben würde, schreibe ich genau diese zwei Dinge jetzt hier so hin, und lasse den Rest.

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Hab ich gedacht. Genau mit diesem Satz, den ich mir schon am Montag gleich nach der Vorstel­lung aufge­schrieben habe, wollte ich es belassen. Das wäre ein Umgang, bei dem ich mich nicht verleugne, ehrlich und offen bin, aber trotzdem freund­lich. Aber es geht nicht. Sorry, Peter... I have to do my job.

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Als wir träumten handelt von allem Möglichen, aber bestimmt nicht vom Träumen. Wer träumt denn hier? Und wovon träumen die? Dies ist ein Film, der wirkt, als ob Dresen, für viele eben ein netter Typ, aber auch eher zuständig für Leichtes mit Hinter­sinn, als ob Dresen jetzt endlich mal was Hartes machen wollte. Dazu genügen ihm zwei Dutzend Leipziger Neonazis keines­wegs, obwohl die mindes­tens ein halbes Dutzend mal unsere fünf jungen Helden derart verprü­geln, dass sie liter­weise Filmblut vergießen und verspritzen und Filmkotze kotzen. Auch die Insze­nie­rung bedient sich allerlei Holz­ham­mer­me­thoden.

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Erinnern muss man aber wohl erstmal daran, dass alles auf einen Roman von Clemens Meyer zurück­geht. Ich hab den Roman nicht gelesen, werde es jetzt bestimmt erst recht nicht tun. Aber andere, die ihn kennen, kommen­tierten den Film so, dass bei Dresen alles viel viel finsterer sei, und dass der Roman »viel mehr Spaß macht«. Das will ich mal hoffen.
Das Drehbuch hat Wolfgang Kohlhaase geschrieben. Es geht um eine Handvoll Freunde, in den ersten Jahren nach Ende der DDR. Um eine Lost Gene­ra­tion. Immer wieder schneidet die Story dann auch zurück in die Zeit, als sie noch so zehn, zwölf Jahre alt sind. Bei diesen Kinder­szenen hat man immer das Gefühl, da sind Dresen und Kohlhaase bei sich, fühlen sich erkennbar wohl. Da ist der Film ein guter Dresen-Film. Man muss diese Szenen nicht mögen, aber jeden­falls funk­tio­nieren sie. Ob der Rest funk­tio­niert, da hab ich so meine Zweifel.

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Depres­sion schon ganz am Anfang : Ein Hero­in­süch­tiger kurz vor dem Goldenen Schuss. Kurz danach bei mir in irgend­einer Hirnecke der Gedanke, dass der Westen auch eine Droge ist, auf der viele Ostdeut­sche immer noch drauf sind.
Von Anfang an schreien die Jungs »Arschloch«, »Scheiße«, »Ich bin so scheiße«, in einem fort geht das so. Rinn­stein­poesie trifft Leder­ja­cken­exis­ten­tia­lismus. Wir sehen en detail eine sabbernde, kotzende Destro-Jugend. Aus dem Off beschwört eine Stimme »Die Jahre in denen alles anders wurde.«

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Neben mir flüstert eine Freundin: »Das kommt raus, wenn so ein Spießer wie der Dresen mal was Hippes machen will.« Meine Antwort: »Das kommt raus, wenn man Häss­lich­keit mit Authen­ti­zität verwech­selt.« Wenn deutsches Kino realis­tisch ist, haben die Darsteller in jedem Fall Akne. Überhaupt ist hier alles, was man im Bild sieht, sehr hässlich, unschön, ekelig. Klar so war es wohl in der DDR, aber wie die Kind­heits­rück­blicke zeigen, geht es hier ja nicht um Realismus. Sondern um Suhlen im Dreck. Nach 15 Minuten geht der Erste. Nach 20 Minuten der zweite, nach 35 Minuten der dritte.
Besser wird es auch nicht dadurch, dass die jungen Schau­spieler vom Regisseur allein gelassen werden. Sie spielen alle was das Zeug hält, sehr betont, sehr intensiv, sie spielen spielen.

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Dies ist ein Film ohne Seele, ohne Herz, ohne Energie, dies ist kein Film, der einen irgendwie berührt, den guckt man halt so weg. Ich bleibe ganz ehrlich nur noch drin, weil ich den Film nicht ein zweites Mal gucken will. Um zu wissen, was passiert und ihn gesehen zu haben. Was er im Berlinale-Wett­be­werb zu suchen hat, ist nur durch Kosslick-Arith­metik zu erklären: Zwei bis vier deutsche Filme, vier Filme von Match-Factory, einer für die Kritiker.

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Und dann die Frau. Die Filme zeigen ja laut Dieter Kosslick »starke Frauen in extremen Situa­tionen.« In diesem Fall geht das so: Die große Liebe der Haupt­figur seit Kind­heits­tagen, einst Muster­pio­nierin, die aufs Lieb­lichste die Geschichte vom »Rotarmist Filipenko« vorlesen konnte, ist inzwi­schen ganz schön herun­ter­ge­kommen. Sie ist mit dem Chef der Neonazis zusammen und angeblich ein ziem­li­ches Luder. Allemal hat sie hier immer sehr enge und sehr kurze Klamotten an, und Dresen hat ihr offenbar als Schau­spiel­an­wei­sung gesagt, dass sie immer ihre Lippen schürzen soll. Wo nötig oder auch nicht, reißt sie sich auch die Bluse auf. Mit gutem Exploita­tion hat’s trotzdem nix zu tun.
In einer Szene, die anfängt wie der erste ehrliche Moment zwischen den beiden, sagt sie, sie habe »ein Geschenk«. Dann setzt sie sich aufs Pflaster, und pinkelt.
In der ziemlich letzten Szene arbeitet sie dann in einer Topless-Bar und dem Helden wird endgültig klar, dass sie ihn verraten hat. Er liebt sie trotzdem. Aber muss uns der Regisseur dafür die ganze ranzige Table­dance-Nummer zeigen? Muss er wohl, weil er hier erkennbar seine eigenen Projek­tionen nicht im Griff hat. Steht bestimmt auch alles im Roman, das ist die Ausrede, macht’s aber nicht besser, zumal hier nicht das ob, sondern das wie entscheidet. Der Schau­spie­lerin tut derar­tiges muffiges Alther­rentum jeden­falls keinen Dienst. Jede, die die Rolle abgelehnt hat, darf sich im Nach­hinein beglück­wün­schen.

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Ein Mehltau des unent­schlos­senen Erzählens liegt auf Dresens und Herzogs Filmen, als ob sie nicht mehr wüssten, wozu sie Filme machen.

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Kurze Diskus­sion mit einem Regisseur aus einem Nach­bar­land: Ob das für Dresen wohl wirklich ein Vorteil ist, im Wett­be­werb aufzu­tau­chen? Aber natürlich ist es das: Mag der Film auch so schrottig sein, wie er will, die Förder­punkte, die der Film als A-Festi­val­teil­nehmer unab­hängig von aller Qualität auto­ma­tisch erhält, sind ökono­misch bereits die halbe Miete.