Zone 3

Chien 51

Frankreich 2025 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Cédric Jimenez
Drehbuch: ,
Kamera: Laurent Tangy
Darsteller: Adèle Exarchopoulos, Gilles Lellouche, Louis Garrel, Romain Duris, Valeria Bruni-Tedeschi u.a.
Zone 3
Mit Humor und Einfallsreichtum in die Zukunft...
(Foto: Studiocanal)

Klassengesellschaft mit Überwachungs-KI

Cedric Jimenez Science-Fiction-Thriller sieht gut aus und unterhält

Paris ist auch nicht mehr, was es mal war. Jeden­falls nicht mehr im Jahr 2045, nicht zufällig genau hundert Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Besatzung der fran­zö­si­schen Haupt­stadt und nur 20 Jahre nach unserer Gegenwart, in denen die Tech-Bros danach drängen, die Politik zu über­nehmen.

In dieser gar nicht mehr allzu fernen Zukunft ist Paris in drei Zonen aufge­teilt, die die sozialen Klassen vonein­ander trennen. Die gesamte Bevöl­ke­rung wird durch ein System künst­li­cher Intel­li­genz namens ALMA kontrol­liert. ALMA ist nicht nur in der Lage, alle Einwohner zu über­wa­chen, zu erkennen und zu verfolgen, sie ist eine voraus­schau­ende KI, das heißt, sie kann mögliche Verhal­tens­sze­na­rien berechnen, und damit auch im Voraus mögliche Verbre­chen. Das reduziert die Fehler­marge der Poli­zei­be­amten, die inzwi­schen auf einfache Über­wa­cher und Justiz­an­ge­stellte reduziert sind.
Doch eines Tages wird ausge­rechnet der deutschs­täm­mige Kessel, der Schöpfer von ALMA ermordet. Und das System gerät ins Wanken.

Nun werden Salia, eine hoch­ran­gige Beamtin, und Zem, ein abgeklärt-desil­lu­sio­nierter Elite-Polizist aus »Zone 3« mit einem Herz für die weniger Glück­li­chen, gezwungen, zusam­men­zu­ar­beiten, um den Mord aufzu­klären und eine mutmaß­liche Verschwörung aufzu­de­cken, die vom Anführer einer revo­lu­ti­onären Orga­ni­sa­tion von Cyber-Rebellen orches­triert wurde.

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»Chien 51« heißt im Original der Science-Fiction-Roman des fran­zö­si­schen Best­seller-Autors Laurent Gaudé, den der fran­zö­si­sche Genre-Spezia­list Cedric Jimenez jetzt zu einem star­be­setzten Kinofilm verwan­delt hat, der im Sommer bei den Film­fest­spielen von Venedig Premiere hatte – es handelt sich um eine sehr freie Adaption der Vorlage, und zugleich um das seltene Beispiel europäi­schen Science-Fiction-Kinos, das visuell durchaus mit Hollywood-Vorbil­dern mithalten kann.

Regisseur Jimenez bedient sich ein bisschen bei allen Werken des Genres, in deren Zentrum ein ultra-intel­li­gentes, bewusst­seins- und mensch­lich­keits­loses Instru­ment steht, dem enorme Macht und die Sicher­heit aller anver­traut wurden. I, Robot von Isaac Asimov, HAL, der Super­com­puter aus 2001, Und auch an die böse Entität, die in den neuesten beiden Kapiteln der Mission: Impos­sible-Reihe die Haupt­rolle spielt.

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Der digitale, fließende und unsicht­bare Gegner scheint der perfekte Feind unserer Gegenwart zu sein – etwas Ungreif­bares, das seine Macht vergrößert, indem es Daten und Infor­ma­tionen verschlingt, die Realität mani­pu­liert und die Mensch­heit in einen Strudel endloser und unlös­barer Paranoia stürzt.

Zugleich wirkt die Diktatur »old school«, zur sehr »Orwell« (also repressiv und Bürger­wün­sche negierend) und zu wenig »Huxley« (also vergnüg­lich, konsu­mis­tisch und von den Bürgern affir­miert) erscheint sie: Jeder wird ständig von der Polizei und den von ALMA ausge­sandten Drohnen überwacht und in seiner Freiheit erdrückt; vor allem die Bewohner der »Zone 3«, einer Art Ghetto, das man nur mit einer befris­teten Arbeits­er­laubnis oder durch den Gewinn eines Fern­seh­quiz' verlassen kann.

Das klas­si­sche Prinzip von Jeremy Benthams »Panop­ticum« wird hier wieder aufge­griffen und zugleich über­troffen, da das ALMA-System nicht nur beob­achtet, ohne beob­achtet zu werden, sondern auch eine riesige Menge an Daten sammelt und speichert.

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Das ein Film gut aussieht und Schau­werte opulent ausbreitet, das wird zur Zeit von vielen syste­ma­tisch unter­schätzt. Dieser Film sieht sehr gut aus. Und das Vergnügen, einfach dabei zuzusehen, wie hier fanta­sie­voll mit Humor und Einfalls­reichtum Zukunfts­welten entworfen werden, entschä­digt dafür, dass die Story nicht die aller­ori­gi­nellste ist.

Zone 3 ist auch hoch­karätig besetzt: Zem wird von Gilles Lellouche gespielt, der inzwi­schen auch als Regisseur Erfolg hat, und Salia, die tapfere Inspek­torin von Adèle Exar­cho­poulos, die mit Blau ist eine warme Farbe welt­berühmt wurde. Schließ­lich Louis Garrel, der den zwie­lichtig-charis­ma­ti­schen Rebel­len­führer verkör­pert.

Zone 3 versetzt Ideen von großen Hollywood-Filmen wie Matrix und vor allem von Steven Spiel­bergs Minority Report in das europäi­sche Kino – dies ist ein hervor­ra­gendes Beispiel dafür, dass man Genre-Filme und teuer ausse­hende Block­buster auch auf diesem Kontinent machen kann; und das es Europas Kino sehr gut täte, nicht immer nach Hollywood zu gucken, wie das Kaninchen auf die Schlange.