USA 2016 · 115 min. · FSK: ab 12 Regie: Todd Phillips Drehbuch: Stephen Chin, Todd Phillips, Jason Smilovic Kamera: Lawrence Sher Darsteller: Jonah Hill, Miles Teller, Ana de Armas, JB Blanc, Bradley Cooper u.a. |
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Zwiespältige Antihelden |
Nicht zwangsläufig garantiert die Ankündigung „Based on a True Story“ einen packenden Film, doch gelegentlich gebiert sich die Realität absurder als jede Fiktion. Guy Lawsons „Rolling Stone“-Artikel „Arms and Dudes“ von 2011 über zwei Mitzwanziger-Waffenhändler aus der Mittelschicht, die vor ihrem Fall zu Millionären aufstiegen, weckte sofort Hollywoods Interesse. Regisseur Todd Phillips, Spezialist für derbe Komödien wie Road Trip oder die Hangover-Trilogie, erscheint nicht sofort als idealer Regisseur für eine Satire über Kriegsgewinnler, die Pervertierung des „American Dream“ und lückenhafte US-Gesetzgebungen. Doch auch in seinem aktuellen Werk War Dogs finden sich zahlreiche vertraute Motive wie verhängnisvolle Entscheidungen, Reisen ins Chaos oder die Freundschaft konträrer Charaktere wieder. Ob die beiden Protagonisten überhaupt jemals wirkliche Freunde waren, ist eine Fragestellung, um die sich das Finale vornehmlich dreht.
Während der Kriege im Irak und in Afghanistan erlaubte eine Initiative der Bush-Regierung jedem Anbieter, sich um lukrative Waffenaufträge zu bewerben, wobei kleine Lieferanten bevorzugt wurden. Davon profitierten die Kumpane Efraim Diveroli (Jonah Hill) und David Packouz (Miles Teller), die sich schon seit High-School-Tagen kennen. Ihr jüdischer Hintergrund fließt anfangs stark mit ein: Beide fühlen sich als Rettung Israels, doch im Grunde geht es schlicht um schnelles Geld. Gleich zu Beginn wird der Filmtitel erläutert: War Dogs steht für Blutegel, die an kriegerischen Auseinandersetzungen verdienen, ohne je den Fuß in ein Kampfgebiet gesetzt zu haben. Dass Diveroli und Packouz mit einer ihrer Waffenlieferungen tatsächlich in Afghanistan landen, gehört zu den Spannungsmomenten der skurrilen Geschichte, die mit reichlich fiktionalen Elementen nach Hollywoodmanier aufbereitet wurde.
Im Stil von The Wolf of Wall Street verbinden Todd Phillips und seine beiden Co-Autoren einen leicht satirischen Blick auf eine gierige US-Gesellschaft, eine Aufstieges- und Fall-Studie von allzu sorglosen Möchtegern-Geschäftsleuten und Elemente des Culture Clash-Dramas, wobei Rumänien für Albanien herhalten musste. Der Stoff lebt vom Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Figuren: Auf der einen Seite steht der reumütige Ich-Erzähler David Packouz, der einst als glückloser Masseur und Vertreter kaum genug verdiente, um sich und seine junge Ehefrau Iz (Ana de Armaz) ernähren zu können. Dass der echte David Packouz dem Stoff seinen Segen erteilte, lässt sich schon an seinem Gastauftritt erkennen, als er in einem Seniorenstift eine Gitarrenversion von „Feel The Reaper“ interpretiert. Ähnlich bissig kommentieren Popmusikstücke häufig im Hintergrund das Geschehen.
Auf der anderen Seite tritt sein Ex-Kompagnon Efraim Diveroli als Selfmade-Aufsteiger mit Sonnenbrille, gegeltem Haar und protzigen Goldkettchen auf, der dank seines Verhandlungsgeschicks und Selbstbewusstseins lukrative Aufträge an Land und sich aus mancher Bredouille zu ziehen versteht. Jonah Hills Tour de Force unterstreicht die Ausstattung mit Beweisen für seinen wachsenden Größenwahn wie goldene Lampenhalter im Maschinengewehr-Design. Angeblich stellte das Scarface-Remake Diverolis Lieblingsfilm dar, war sich als roter Faden vom parodistischen Filmplakat über den Schauplatz Miami Beach oder Dialogzitate bis zum riesigen Al Pacino-Foto im Verhandlungsraum der Firma AEY Inc. zieht. In Wahrheit war das Politdrama Lord of War – Händler des Todes Diverolis Lieblingsfilm, doch damit hätte man ein weiteres filmisches Vorbild der Produktion in den Fokus gerückt.
Nach The Wolf of Wall Street und Die Kunst zu gewinnen – Moneyball bewährt sich Jonah Hill mit einem zwiespältigen Antihelden erneut in einer dramatischen Rolle. Dagegen erinnert Miles Tellers Part stark an Whiplash, wo er sich ebenfalls erst langsam aus dem Schatten eines übermächtigen Mentors mit negativen Auswirkungen auf sein Privatleben lösen musste. Die steten Lügen über Packouz’ wahre Geschäftspraktiken treiben allmählich einen Keil in seine junge Ehe, zumal seine schwangere Gattin von den legalen, aber windigen Deals nichts hält. Ihr luxuriöser Lebensstil vermag sie nur vorübergehend zu besänftigen.
War Dogs erweist sich als Todd Phillips bislang bestes Werk, bei dem die Farbdramaturgie zwischen leuchtendem Partytreiben in Miami Beach und der entsättigten, düsteren Beleuchtung in der Albanienpassage den Plot unterstützt. Ganz ohne Schwächen bleibt die Tragikomödie dennoch nicht: Mitunter wiederholt der Off-Kommentar lediglich das bizarre Geschehen auf der Leinwand. Die Rückblendenstruktur im Martin Scorsese-Stil mit Packouz in den Händen albanischer Krimineller soll von Beginn an die Spannung schüren, wirkt aber eher überflüssig. Nur gelegentlich greift Phillips den satirischen Tonfall des Anfangs wieder auf, wo die Kosten eines Kriegs minuziös aufgerechnet werden – etwa während einer Waffenhändlermesse in Las Vegas, die wie eine schrille Comic Convention des Todes erscheint und der Realität vermutlich reichlich nahe kommt. Gegen die absurden Verkettungen von Politik, Finanzwesen und Gesellschaft kommt die Fiktion mitunter nur schwer nach.