They Want Me Dead

Those Who Wish Me Dead

USA 2021 · 100 min. · FSK: ab 12
Regie: Taylor Sheridan
Drehbuch: , ,
Kamera: Ben Richardson
Darsteller: Angelina Jolie, Finn Little, Nicholas Hoult, Jon Bernthal, Medina Senghore u.a.
Nostalgische Reise in ein anderes Kino
(Foto: Sky)

Denn was ein Mensch sät, wird er auch ernten

Zum Ende der Pandemie wurde der neueste Film von Sicario-Autor und Wind River-Regisseur Taylor Sheridan erst auf der mangel­haf­testen Streaming-Plattform aller Zeiten versenkt, ist aber jetzt auch im Kino zu sehen. Ein Glücks­fall.

»Ich hasse diesen beschissen Ort.«
»Er hasst dich ebenfalls.«

– Aidan Gillen und Angelina Jolie in They Want Me Dead

Einen Film auf einer der Apps von Sky Ticket zu streamen ist wie eine Zeitreise in die Anfänge des Streamens: mal startet der Film nicht, dann ruckelt es, dann stimmen Tonspur und Film nicht überein und auch von Unter­ti­teln scheint bei Sky niemand etwas gehört zu haben, von den Abstürzen ganz zu schweigen – wer also wirklich wegen eines exklusiv gelaunchten Films auswei­chen muss, sollte keines­falls die Posts der verzwei­felten Community lesen, sondern sich mutig ins Gefecht stürzen, denn irgend­wann geht irgendwie dann doch irgend­etwas.

Und außerdem gibt es nun mal Filme, die es am Ende der Pandemie nicht mehr ins Kino schaffen, die durch die anste­henden Tsunami-artigen Neustart­wellen der nächsten Wochen im Strea­ming­strudel unter­gehen werden oder schon unter­ge­gangen sind, und bei denen es anstren­gender Perlen­tau­cherei bedarf, um wenigs­tens ein paar von ihnen zu retten.

Am Anfang schien dies auch das Schicksal von They Want Me Dead zu sein, als er am 3. Juni auf Sky gelauncht wurde, doch inzwi­schen hat es They Want Me Dead tatsäch­lich auch in Deutsch­land noch in die Kinos geschafft – sogar vor dem großen, kollek­tiven Neustart aller Kinos am 1. Juli.

Und das ist gut so, denn They Want Me Dead ist eine dieser Perlen, nach denen es sich unbedingt zu tauchen lohnt, auch wenn es viel­leicht eher eine Zucht­perle als eine Natur­perle ist. Aber es ist immerhin eine Regie- und Dreh­buch­ar­beit von Taylor Sheridan, der mit seinen Dreh­büchern zu Sicario, Sicario 2 und Hell or High Water und dann mit seiner ersten Regie­ar­beit Wind River skal­pel­l­artig und beein­dru­ckend konse­quent die Tumore bloß­ge­legt hat, die Amerika von innen zerfressen. Ein Amerika, in dem die »last frontiers« im Grunde jene sind, die schon vor 150 Jahren die »last frontiers« waren, und in dem damals wie heute nur »Gewalt als Therapie« bleibt, um die inneren und äußeren Frei­heiten zu retten.

Diese Arbeits­hy­po­these gilt auch für Sheridans They Want Me Dead, eine Verfil­mung des gleich­na­migen Romans von Michael Koryta, der zusammen mit Sheridan und Charles Leavitt für das Drehbuch verant­wort­lich ist. Wie in allen Filmen mit Sheridans Betei­li­gung beob­achten wir auch in They Want Me Dead einen entfes­selten Kapi­ta­lismus, der Wider­sa­cher gnadenlos aus dem Weg räumt. In diesem Fall einen foren­si­schen Buch­halter, der sich auf die Seite des Guten hat schlagen wollen, nun aber mit seinem Sohn Conner (Finn Little) auf der Flucht nach Montana ist und seinen Sohn schon sehr bald in die schüt­zenden Hände von Hannah Faber (Angelina Jolie), eine Feuer­sprin­gerin, übergeben muss, die dadurch ebenfalls ins Visier des brüder­li­chen Killer­kom­mandos um Jack (Aidan Gillen) und Patrick (Nicholas Hoult) gerät.

Die einfach struk­tu­rierte Action-Thriller-Handlung, die immer wieder an Klassiker des Genres wie John McTi­ernans Die Hard erinnert, eman­zi­piert sich jedoch nicht nur durch ein zeit­ge­mäßes Gender-Uplifting – statt Bruce Willis haben wir es mit der ebenso körper-kompe­tenten und reak­ti­ons­starken Angelina Jolie zu tun –, sondern wie schon in Wind River übt Sheridan auch in They Want Me Dead sehr direkte Kapi­ta­lis­mus­kritik und stellt die Natur und ihre Gewalt­tä­tig­keit nicht nur symbo­lisch neben die Gewalt­be­reit­schaft der Menschen. Er kommt dabei der bibli­schen Erkenntnis in den Galatern – »Denn was ein Mensch sät, wird er auch ernten.« – sehr nah, vor allem durch die im tatsäch­li­chen Wortsinn beein­dru­ckende »Unter­feue­rung« seiner Argu­men­ta­tion.

Diese Deut­lich­keit ist aller­dings auch die größte Schwäche von They Want Me Dead. Hatte Wind River gerade durch seine Ambi­guität überzeugt, Sheridans Verwei­ge­rung simpler Stereo­type von Gut und Böse und eine immer wieder betonte Verlang­sa­mung des Tempos, um seinen Charak­teren Zeit für ihre Entwick­lung zu geben, befinden wir uns hier tatsäch­lich im »reinen« Genre des action­be­tonten Thrillers, in dem die Schau­spieler nur mühsam den Anfor­de­rungen des Drehbuchs hinter­her­kommen. Allen voran Angelina Jolie, der man die trau­ma­ti­sierte Feuer­wehr­frau in kaum einem Moment so richtig abnimmt und für die Linda Hamilton, die im letzten Termi­nator vor zwei Jahren auf ganzer Linie über­zeugte, wohl die bessere Wahl gewesen wäre.

Doch bleibt bei all der verbrannten Ambi­guität und charak­ter­li­chen Tiefe immer noch Sheridans kriti­scher, wuchtiger Unterton und eine irgendwie auch nost­al­gi­sche Reise in das Kino der 1980er und 1990er.

They Want Me Dead ist seit dem 3. Juni 2021 auf Sky abfrufbar, aber inzwi­schen auch in ausge­wählten Kinos zu sehen.