Spoiler Alarm

Spoiler Alert

USA 2022 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Michael Showalter
Drehbuch: ,
Kamera: Brian Burgoyne
Darsteller: Jim Parsons, Ben Aldridge, Josh Pais, Allegra Heart, Jeffery Self u.a.
Die schönste Zeit des Jahres ist...
(Foto: Universal)

Vom Lieben und Sterben

Michael Showalters Filmbiografie ist eine unkonventionelle Gratwanderung zwischen romantischer Komödie und Krebsfilm, dann aber auch so normal wie das Leben nebenan

»Are you afraid to die? No!
Did you have sex with Sebastian? Yes!«

– Michael und Kit in Spoiler Alarm

Der viel­leicht über­ra­schendste Moment in diesem Film ist viel­leicht der, wenn man am Ende ein wenig verpuz­zelt das Ganze noch einmal zusam­men­setzt, wie nach so vielen Filmen, und dann gleich so wie schon im Film selbst, ein weiteres Mal über den Filmtitel stolpert. Der ist zwar ganz nah an der Über­schrif­tung der Memoiren von Michael Ausiello mit dem Titel „Spoiler Alert: The Hero dies“, die 2017 veröf­fent­licht wurden und das Leben seines verstor­benen Ehemanns Kit Cowan erzählt, der 2015 an Krebs verstarb. Ausiello erzählt aber auch ihre Liebes­ge­schichte, die immer wieder skurill und komisch ist, da die Verliebten unter­schied­li­cher nicht sein könnten. Auf der einen Seite der etwas linkische und intro­ver­tierte, aber trotzdem (oder gerade deshalb) bei einem Fern­seh­sender arbei­tende Ausiello (Jim Parsons), der eine Kindheit als Dicker­chen und TV-Serien-Addict hinter sich hat. Auf der anderen Seite die Ganz­kör­per­schön­heit Kit (Ben Aldridge), die in jeder Schwu­lenbar sofort die Blicke auf sich zieht, aber seinen Eltern immer noch nicht gesagt hat, dass er schwul ist. Doch auch wenn es mit dieser schon fast zu langen Inhalts­an­gabe noch weiter­ginge, würde wohl niemand das Gefühl haben, mit einem Spoiler über­vor­teilt zu werden oder das Gedan­ken­spiel des Spoilers ander­weitig verwenden wollen.

Das liegt vor allem daran, dass hier die aller­nor­malste Geschichte der Welt erzählt wird. Eine Geschichte, die erst einmal über das Lieben handelt und die genauso als Hetero-Geschichte schon unzählige Male erzählt worden ist. Die Anziehung der Gegen­sätze, die Hinder­nisse, die Befreiung und dann auch die Einsicht, dass die Liebe irgend­wann vom Alltag gekapert wird und dass das, was früher anziehend war, nun abstoßend ist. Showalter, der 2017 mit der unge­wöhn­li­chen Culture-Clash-Romcom The Big Sick auf sich aufmerksam machte, erzählt diesen Teil der Geschichte so, wie wir es von roman­ti­schen Komödien erwarten und über­rascht eigent­lich erst in dem Moment, als klar wird, dass der Film sich tatsäch­lich noch einmal neu erfindet, weil er nun von Krankheit und dem Sterben erzählt und nun auch Michaels Flash­backs in seine Sitcom-Vergan­gen­heit eine neue Drama­turgie besitzen.

Doch auch das, was nun passiert, wirkt auf vertrackte Weise nur allzu­be­kannt, was nicht weiter schlimm wäre, gibt es doch zahllose Remakes, die die gleiche Geschichte besser als das Original erzählen. Doch anders als in einigen Krebs­filmen der letzten Zeit – hier sei nur Emma­nu­elle Bercots komplexes Krebs­drama In Liebe lassen und der aufre­gende Jugend­krebs­film Milla meets Moses erwähnt – fehlt Spoiler Alarm so etwas wie ein „Allein­stel­lungs­merkmal“. Denn so wie die erste Hälfte des Films ist, so ist auch die zweite Hälfte – alles geht ohne besondere Vorkomm­nisse, ohne große Über­ra­schungen einfach weiter in dieser Welt weißer, satu­rierter New Yorker Männer, nur die Umstände ändern sich halt ein wenig. Und viel­leicht es ja genau das: die fehlende Charak­ter­ent­wick­lung, die ja sowohl in roman­ti­schen Komödien als auch in Krebs­filmen eine der span­nendsten drama­tur­gi­schen Momente ist. Davon gibt es in Spoiler Alarm so gut wie nichts zu sehen.

Dieses Nichts ist dann aber auch fast so etwas wie eine Wohltat, entsteht doch dabei wie in einfachen auto­fik­tio­nalen Formaten – sei es in der Literatur, im Fernsehen oder den Bewegt­for­maten des Internet – das Gefühl, dem ganz normalen, authen­ti­schen Leben beizu­wohnen. Und einmal nicht von einer über­mo­ra­li­sie­renden Instanz gegängelt zu werden, so wie das ja erst im letzten Jahr mit der ersten, großen Main­stream-Schwulen-Romcom Bros der Fall war, in der alles richtig und nichts falsch gemacht wurde, um jedweden Shit-Storm zu vermeiden und ein schrill-schwule Liebes­ge­schichte mit großen Gefühlen zu erzählen. Die Gefühle in Spoiler Alarm sind zwar ebenfalls groß, doch die Geschichte ist klein. Aber wie schon gesagt: das muss nicht schlecht sein.