The Social Network

USA 2010 · 120 min. · FSK: ab 12
Regie: David Fincher
Drehbuch:
Kamera: Jeff Cronenweth
Darsteller: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Rooney Mara, Brenda Song, Bryan Barter u.a.
Von Arschlöchern und der Reduktion der Gefühle

Die Rache des Nerds

Börsen­gang des Ichs: Wie David Finchers Film den Kapi­ta­lismus rettet

Das Inter­es­sante an diesem Film ist nicht der Film. Der Film ist sowas von konven­tio­nell, das man sich schwer wundern muss, wer ihn alles gut findet. Das Inter­es­sante ist das Thema: Der Börsen­gang des eigenen Ichs, die Reduktion von Gefühlen und zwischen­mensch­li­chen Begeg­nungen auf »Gefällt mir«-Buttons und das Sammeln der Kontakt­zahlen, die Verlu­de­rung des Freund­schafts­be­griffs durch dessen Qzan­ti­fi­zie­rung, das Sammeln der »Freunde« auf Facebook. Mit alldem hat The Social Network über­ra­schend wenig zu tun, und die größte Enttäu­schung dieses over­hypten Films ist, dass er von David Fincher stammt.The Social Network heißt jener Spielfilm, in dem Fincher die Geschichte von Facebook und seinem größen­wahn­sin­nigen sozial gestörten Gründer Mark Zucker­berg erzählt – und auf alles verzichtet, was an dieser Geschichte inter­es­sant ist.

Es ist ja eigent­lich nicht wichtig, ob Mark Zucker­berg ein Arschloch ist. Es gibt viele Arschlöcher auf der Welt, und hier in diesem Film gibt es halt Leute, die ihn so nennen, und wiederum andere, die ihn trösten, er sei doch keines, sondern wäre nur gern eines. Meistens sind es Mädchen. Es genügt zu wissen, dass Zucker­berg der Erfinder von Facebook ist, um zuzugeben, dass es für 80 Prozent der Mensch­heit eine narziss­ti­sche Kränkung bedeutet, dass »ausge­rechnet so einer« ausge­rechnet so was erfindet, und damit auch noch Milli­ardär wird.

Der Film wird letzt­end­lich von keinem anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Impuls getrieben, aber er schlägt – soziales? – Kapital daraus, dass er bei seiner Haupt­figur einen anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Impuls sugge­riert. Der Film-Zucker­berg mag die smarten musku­lösen elitären Jungs der Ivy-League nicht. Weil sie unver­diente Macht und unver­dientes Geld haben, weil sie die Mädchen kriegen. Ok, aber er selbst nutzt seine Macht, wenn er sie dann hat, nicht weniger kalt aus. Was will uns dieser Film also sagen?

Will er Zucker­berg ärgern? Mag sein. Wer Zucker­berg wirklich ärgern will, der sollte einfach nur immer wieder den Satz wieder­holen: Eduardo Savarin ist Mitbe­gründer von Facebook. Eduardo Savarin ist Mitbe­gründer von Facebook. Eduardo Savarin ist Mitbe­gründer von Facebook. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpel­stilz­chen heiß'. Eduardo Savarin ist Mitbe­gründer von Facebook. Und er sollte diesen Satz in Facebook posten – solange er noch bei Facebook ist.

Denn was man auch tun sollte, nicht nur um Zucker­berg zu ärgern, sondern um sich selbst etwas Gute zu tun, ist seinen Facebook Account zu kündigen. Und sei es nur, weil man Typen wie diesen hier im Film, keinen einzigen Cent in den Rachen werfen will.

Das Inter­es­sante an diesem Film ist was er im Titel trägt: Das Soziale Netzwerk. Für die einen sind soziale Netzwerke Teufels­zeug, für andere die neueste Offen­ba­rung. Auf alle Fälle kann man über sie, vor allem über Facebook, trefflich und mit reli­giöser Inbrunst streiten. Sie sind die heißeste Errun­gen­schaft des »Web 2.0«.

Ich mag nun, glaube ich, Facebook nicht (verachte es?). Zum einen – sozusagen grund­sätz­lich – weil dieser Aspekt, den ich oben »Börsen­gang des Ichs« nenne, mir sehr unsym­pa­thisch ist: Dass eine Art unaus­ge­spro­chene aber doch faktische Werter­mitt­lung des Ichs statt­findet, öffent­lich über Zahl der Freunde, des »gefällt mir«, etc., und »privat« über die Menge der Geburts­tags­glück­wün­sche oder sowas (und die Ich-Aktie sinkt psychisch, wenn dann nächstes Jahr mal weniger gratu­lieren).
Davon angesehen mag ich es nicht, weil meine Freundin dort mit einem Teil auch meiner Freunde kommu­ni­ziert, und dann manchmal mehr oder schneller was über sie weiß, als ich, und das erzeugt dann wieder einen unsym­pa­thi­schen sozialen Druck: Viel­leicht sollte man doch... etc. Ist natürlich Schwach­sinn. Eben!

Im Kino beginnt all das eher lauwarm, recht bescheiden, fast wie eine jener typischen ameri­ka­ni­schen College-Komödien zum schnelle Vergessen, die sich Menschen über 22 aus guten Gründen nicht ansehen: Mark Zucker­berg (Jesse Eisenberg) ist ein ziemlich unan­sehn­li­cher, picke­liger und tenden­ziell kontakt­ge­störter Infor­matik-Student in Harvard im Jahr 2003. Er hat leicht autis­ti­sche Züge und man versteht ganz gut, warum ihn seine Freundin gleich in der ersten Szene verlässt. Mehr frus­triert und gekränkt, als ernsthaft unter Liebes­kummer leidend, rennt er nach Hause, heult sich in Internet-Chatrooms über »die Schlampe« aus, und kommt dabei zufällig auf sein paar Ideen, die er zunächst selber kaum in ihrer Dimension begreift: Er entwirft eine Seite namens »Facemash«, in der große kleine Harvard-Jungs wie er die »heißesten« Studen­tinnen mitein­ander verglei­chen, und die Frauen online bewerten können. Über Nacht wurde die Seite ein Erfolg, Harvards Server brachen zusammen, und die Basis für Zucker­bergs Millarden-Imperium war gelegt. Kurz darauf gründete Zucker­berg die noch auf Harvard beschränkte Vernet­zungs-Seite »theface­book.com« – dieser Vorgang hat schon für viel Kontro­versen gesorgt, weil Zucker­berg hier womöglich gewisse Ideen von zwei Mitstu­denten »geborgt« hat, und offi­zi­elle 65 Millionen Dollar Scha­dens­er­satz zahlen musste – für Zucker­berg wie ein Straf­zettel fürs Falsch­parken.

The Social Network zeigt nun – in den Fakten basierend auf Ben Mezrichs Buch »Milli­ardär per Zufall« – nicht etwa fort­wäh­rend Computer-Nerds auf Tasta­turen herum­klöp­peln und in Bild­schirme glotzen, sondern erzählt diese Geschichte knapp und ökono­misch aus dem Rückblick. Das Gegen­warts­zen­trum des Films liegt auf dem Prozess, den die genannten Mitstu­denten gegen Zucker­berg führen, und den Vorwürfen seines einst besten Partner, der Zucker­berg vor allem beschul­digt, aus der Idee einer sozialen Verbin­dung ein Macht­in­stru­ment gefertigt zu haben.

Das Inter­es­sante an diesem Film ist die Zeit­dia­gnose. Die nur zum Teil statt­findet. Was fast schon wieder eine Zeit­dia­gnose ist. Die Nerds haben die Herr­schaft über­nommen, das wird klar. Es wird klar, was Facebook ist: Ein Zeitdieb, basierend auf planlosem Rumgepose von Leuten die offenbar irgend­etwas daran nötig haben. Man wird »Freund« von Menschen, mit denen man nicht befreundet sein will, die man kaum kennt, oder mit denen man nicht befreundet sein könnte, würde man sie denn kennen. Aber Fincher erzählt nichts, absolut nichts über unseren Umgang mit Gefühlen, mit Sehnsucht, mit Aner­ken­nung und Freund­schaft. Ihm fällt nichts ein zu Eitelkeit, zu Einsam­keit, zu Privat­heit. Gesell­schaft findet in seinem Film nicht statt. Ist das die Message? Auch nicht. The Social Network ist alles egal.

Das Unin­ter­es­sante an diesem Film ist sein Mora­lismus. Der Film selbst ist überaus konven­tio­nell, eine dichte, wort­ge­wal­tige, manchmal verquas­selte, mora­li­sie­rende Fabel über das Leben, zugleich ein oft witziges Gesell­schafts­pan­orama, mit anti­ka­pi­ta­lis­ti­scher aber folgen­loser Grund­hal­tung. Filmisch ist das senti­mental, basierend auf einem Narrativ, das auch zur Stumm­film­zeit schon möglich war: Man soll seine Freunde schätzen.

Das Unin­ter­es­sante an diesem Film ist auch David Fincher. Fincher, der vielfach oscar­prä­mierte Meister von so beklem­mend zeit­ge­mäßen und großartig einfalls­reich insze­nierten Thrillern wie Se7en, Fight Club und Panic Room, war immer schon ein Filme­ma­cher, der in seinen Filmen aktuelle soziale und poli­ti­sche Entwick­lungen ins Zentrum stellt. Aber Fincher ist endgültig von der Spur abge­kommen. Bei Panic Room konnte man noch sagen: Ok, mal ein schwächer Fincher. nicht so stark wie..., aber immer noch besser als...; nicht so stark wie Se7en, aber immer noch besser als fast jeder Spielberg-Film. Bei Zodiac konnte man noch sagen: Lang­weilig, aber schön, bei Benjamin Button: Ein schwacher Film ist immer drin. Hier nun ist er nur noch lang­weilig.

Fincher hat seinen Schneid verloren, sein Sarkasmus, seine Bosheit, die ihn so scharf­sichtig machten für Entwick­lungen, aber auch für Abgründe unserer Gegenwart. Das ist die eigent­liche Enttäu­schung dieses Films. Denn solcher Scharf­sinn fehlt ja auch im Gegen­warts­kino. The Social Network – zu anderen Zeiten wäre dieser Titel allein zusammen mit dem Regie­credit für Fincher schon ein boshafter Witz gewesen. Aber Fincher spitzt hier nichts mehr zu, er leiert einfach die Fakten runter, richtet sie ein bisschen filmisch zu, und das noch nicht einmal besonders originell. Das ist die eigent­liche Enttäu­schung dieses Films.

Unver­s­tänd­lich, woher der ganze Hype kommt. Also die guten Kritiken guter Kritiker. Selten hat man etwas so gar nicht verstanden, es geht ja hier nicht um übliches Geblock­bus­tere... Und noch nicht mal um so einen Inception-Hype (der bekam übrigens viel schlech­tere Kritiken, obwohl er filmisch inter­es­santer ist).

Es spricht zwar sehr für Fincher und seinen Autor Aaron Sorkin, dass beide nicht bei Facebook sind, und dass sie, glaubt man Inter­views, Facebook blöd finden. Aber warum merkt man das dem Film so wenig an? So könnte man den Film und seine Haupt­figur auch als eine Nerd-Version des Großen Gatsby von F.Scott Fitz­ge­rald bezeichnen. Aber er darf dann auch kein Arschloch sein, noch nicht mal das, sondern muss aus Frau­en­mund moralisch gerettet werden.

Ein weiterer Wehr­muts­tropfen ist Haupt­dar­steller Jesse Eisenberg. Der sieht zwar aus, wie sein eigener Teddybär, und passt daher recht gut zum Thema. Man hätte sich trotzdem einen charis­ma­ti­scheren Darsteller in dieser Rolle gewünscht: Mehr Verführer, mehr Genie, mehr Dämon. Also einen wie Leonardo di Caprio. So funk­tio­niert das Ganze zwar als eine hoch­in­ter­es­sante Kultur­ge­schichte des Nerds. Auch ist dieser Film ein Lehrstück über Zeitgeist und Lebens­ge­fühl der New Economy und ihre Prot­ago­nisten wie den Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timber­lake). Ob er aber ein Film ist, durch den man in 50 Jahren eine ganze Epoche versteht?