USA 2000 · 128 min. · FSK: ab 16 Regie: William Friedkin Drehbuch: James Webb, Stephen Gaghan Kamera: William A. Fraker, Nicola Pecorini Darsteller: Tommy Lee Jones, Smauel L. Jackson, Ben Kingsley, Blair Underwood u.a. |
Einfach hat es William Friedkin seinen Zuschauern noch nie gemacht. Wer French Connection gesehen hat, den Exorcist, oder Rampage, der weiß, dass in Friedkins Filmen, die immer wieder das Durcheinander thematisieren, das Chaos der blinden Wirklichkeit, auch die Genres meist eine wüste Mischung eingehen: Horror und Kriminalfilm, Gerichtsthriller und Serienkiller-Movie, Charakteranalyse und Milieuschilderung. Der gemeinsame Nenner aller Filme Friedkins ist, könnte man sagen, immer wieder der Schrecken, die Einzelnen in ihren Versuchen, ihn zu bewältigen, und ihr letztliches Scheitern.
Auch Rules – Sekunden der Entscheidung (im Original Rules of Engagement) vermischt mindestens zwei Genres: den Militärfilm – und zwar eher den klassischen im Stil von Raoul Walsh und John Ford, als den eines Spielberg –, und das Court-Room-Drama. Auch hier steht ein Trauma am Anfang, das zweier Männer, das zugleich nach wie vor das der amerikanischen Nation ist: Vietnam. Indem der schwarze Colonel Schilders (Samuel L. Jackson) dem weißen Colonel Hodges (Tommy Lee Jones) das Leben rettete, indem er einen Gefangenen widerrechtlich erschoß, um einen zweiten zu erpressen, begründete sich die Freundschaft der beiden.
Friedkin lässt sich Zeit für diesen Auftakt, für die Beschwörung der Dramatik des Krieges, die keine Reflexion, nur schnelle Entscheidungen zulässt, und für die Inszenierung eines Männerbundes, der Armee im Kleinen: Hier gebe es, erfahren wir, andere Gesetze; draußen, das sei »ein ganz neues Spiel«: »Wir sind Waisen out there, keine Freunde, keine Feinde, no Mama, no Papa.«
Friedkin schildert das Militär von innen heraus, lässt es an Pathos nicht fehlen, ohne martialisch zu werden.
Hier wertet er kaum, macht die Dinge nicht schlimmer, aber auch nicht sympathischer, als sie sind. Doch auch dadurch bietet er offene Flanken für vielerlei Ressentiments, und die Filmkritik hat schon in den USA nicht an Vorwürfen gegen Rules – Sekunden der Entscheidung gespart.
Die eigentliche Story beginnt 28 Jahre später, im Amerika der späten 90er. Kurz nach Hodges Abschied wird Childers in mit einem Commando-Trupp in den Yemen geschickt: Der dortige US-Botschafter (Ben Kingley) muss befreit werden, der fanatisierte Mob und einige Heckenschützen trachten nach seinem Leben. Auch hier lässt sich Friedkin viel Zeit, zeigt die Professionalität der Kriegshandwerker, nicht zurückschießen, obwohl einzelne von ihnen getroffen werden. Man sieht einen feigen Zivilisten, böse Moslems und eine US-Flagge, die unter Lebenseinsatz geborgen wird. Und irgendwann, die Aktion scheint schon fast vorbei, fällt in den musikuntermalten Lärm der Satz »Yes, Yes, waste the motherfuckers.« Jetzt schießen die Soldaten zurück in die Menge, und eine dämonische Stille tritt ein: dreiundachtzig Tote sind zurückgeblieben und der kommandierende schwarze Colonel muss sich vor dem Kriegsgericht verantworten.
Man kann Friedkin kaum vorwerfen, bis hierhin viel zu verklären. Gewiß bleibt die Perspektive immer die amerikanische. Aber der Regisseur zeigt den Preis vermeintlicher Selbstverteidigung. Es kann nicht ausbleiben, dass man sich dieser Tage an die Bilder von der Westbank erinnert, auch dort schießen Soldaten in die militärisch klar unterlegene Menge, auch dort tragen andererseits schon 12jährige Kinder Handgranaten, kann sich unter dem Schleier einer Frau eine todbringende Bombe verbergen. »Ein Mörder und ein Held unterscheiden sich oft nur haarscharf.« Dies ist zu hören, ebenso die Verteidigung des Colonels, die eine klammheimliche Selbsteinsicht enthält: »Wenn ich wegen dem schuldig bin, dann bin ich wegen allem schuldig, was ich in den letzten 30 Jahren getan habe.« Friedkin ist zu klug, als das er nicht wüsste, dass man den Satz in beide Richtungen lesen kann.
Solchen Formen versteckter Kritik stehen jedoch nun eindeutige Verklärungen gegenüber. Sie liegen zunächst einmal in der schroffen Konfrontation der Krieger und Bescheidwisser im Militärapparat mit den Zivilisten, den »Kaffetrinkern« und »Beach Boys«. Auch der korrupte Politiker, Symbolfigur für Washington darf nicht fehlen, und Friedkin versäumt es nicht, zu schildern, wie sich dieser Bad-Guy auf John F. Kennedy beruft. So zutreffend diese Kritik an Heuchelei und kaltem Aufopfern des »einfachen Soldaten« sein mag, sie kommt zu plump daher, als dass sie nicht Gegenreaktionen provozierte. Und gerade die Nebenepisode, in der der Politiker ein Videoband verschwunden lässt, dass Childers entlasten würde, ist der Kardinalfehler des Plots: Sie rechtfertigt den Colonel moralisch, wo gerade die moralische Unklarheit seines Handelns die interessante Frage sein könnte. Am Schluß wird Childers freigesprochen. Er bleibt ohne spürbare innere Zweifel an seinem Tun, und wie er hat auch das Publikum vor allem gelernt, dass man den Kriegwie andere Dinge den Fachleuten überlassen soll. Auch am Ende bleibt es bei Binnenansichten und der Versöhnung der Krieger.
So hat Friedkin letztlich einen Film gedreht, in dem er seinem Publikum die Moral des guten Militärs predigen möchte. Zu simpel eigentlich für Friedkin, der damit seinen simplifizierenden Kritikern in die Hände spielt. Denn moralische Anstalt darf das Kino schon sein, nur gehörte Friedkin früher nicht zu jenen, die darunter billiges Thesenkino verstehen.
Einen sehr lesenswerten Beitrag von Fritz Göttler zu diesem Film ist in der Münchner Filmzeitschrift »24« nachzulesen (erhältlich am Filmmuseum, in der Basis-Buchhandlung und am Münchner Hauptbahnhof).