Kanada/D 2024 · 109 min. · FSK: ab 16 Regie: Evan Johnson, Galen Johnson, Guy Maddin Drehbuch: Evan Johnson Kamera: Stefan Ciupek Darsteller: Cate Blanchett, Alicia Vikander, Charles Dance, Roy Dupuis, Denis Ménochet u.a. |
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Eine erzählerische Sackgasse... | ||
(Foto: Plaion Pictures / Studiocanal) |
»Cate Blanchett als deutsche Kanzlerin«, prangt in großen Lettern auf dem Kinoplakat von Rumours, den man hierzulande in Tanz der Titanen umbenannt hat. Als sei das schon eine Sensation oder ein Witz an sich. Blanchett als Merkel quasi? Na, wenn das nichts ist! Nur: Weder gibt die Schauspielerin hier tatsächlich eine Parodie der ehemaligen Kanzlerin noch wird daraus ein zündender Witz. So, wie ohnehin recht wenig zündet in diesem Film, abseits des unausweichlichen Weltenbrands, der in Tanz der Titanen ausbricht. Drei Regisseure, Guy Maddin sowie Evan und Galen Johnson, haben ihn inszeniert und gemeinsam die Story entwickelt. Was die drei erdacht haben, enttäuscht trotz vielversprechender Prämisse in seiner strukturellen Schlichtheit und seinen begrenzten komödiantischen Mitteln. Dabei beginnt ihr Film zunächst immerhin irritierend! Schon die ersten Einstellungen sind in eine verschrobene Unbehaglichkeit getaucht, wenn die G7-Regierungschefs aus dem prachtvollen Anwesen zum Podium und Gruppenfoto schreiten und da stehen sie nun in ihren erstarrten Posen wie ausgeschnittene Pappfiguren in der Kulisse.
Im Anschluss lockt dann das gemeinsame Mittagessen. Man zieht zu einem Pavillon am Teich in herrlicher Naturkulisse in Dankerode. Ein trügerisches Idyll im Sonnenlicht. Wäre da nur nicht die lästige Arbeit dieser Politikerinnen und Politiker, die neben der bereits genannten Cate Blanchett unter anderem von Charles Dance, Roy Dupuis und Nikki Amuka-Bird verkörpert werden. Die führenden Köpfe der westlichen Welt sollen gemeinsam eine Erklärung erarbeiten. Probleme gibt es schließlich genug in den einzelnen Ländern, aber wie formuliert man das nun genau? Worin besteht die Krise der Gegenwart eigentlich? Was will man den Völkern anbieten? Wie will man sich politisch inszenieren?
Im Grunde ist Tanz der Titanen von einem einzelnen Sinnbild und einem einzelnen Gag her gedacht: Die hochrangigen Politiker sind planlos und verirren sich im dunklen Wald. Langsam bricht die Nacht herein. Die Belegschaft ist verschwunden. Nebelschwaden wabern umher und nun versucht man gemeinsam, einen Weg durch das Dickicht und zurück in die Zivilisation zu finden. Faszinierend ist das zunächst noch in seiner surrealen, wahnhaften Atmosphäre, wenn dort eigenartig bunte Lichtstimmungen im Horror-Wald hergestellt werden, wenn auf einmal ein übergroßes Gehirn in der Natur erscheint oder Untote ihr Unwesen zu treiben scheinen. Das Motiv der freigelegten Moorleiche als Angst vor dem Tod und dem politischen Sturz wird schon früh im Film eröffnet. Und die Bilder werden immer künstlicher, außerweltlicher, wenn die Apokalypse im rot schimmernden Licht einsetzt, auf die man in der allumfassenden Krisenstimmung zusteuert.
Dennoch hat man sich an solchen Schauwerten schnell sattgesehen, weil man sie auf wenige Stationen innerhalb der Handlung herunterbrechen kann und dazwischen erschöpft sich Tanz der Titanen in dem immergleichen Geplapper und einer politischen Standpauke, die nach wenigen Minuten ausformuliert und auserzählt ist. Das Drehbuch von Evan Johnson nimmt eigentlich nur die simpelste Form der Profanisierung vor, um die politischen Führungskräfte von ihrem hohen Ross herunterzuholen. Der Film lässt seine Stellvertreter- und Witzfiguren als allzu menschliche, überforderte Gestalten auftreten. Sein und Schein der Politik lässt er auseinanderklaffen. Hinter den Kulissen regiert die reinste Planlosigkeit. Die Politiker haben untereinander ihre Zwistigkeiten, Ängste, Vorbehalte und romantischen Affären, die wie in einer Telenovela ausgehandelt werden. Ganz so, damit sich das Publikum über sie erheben kann. Aber was ist denn die Konsequenz daraus, wenn es dem Film doch eigentlich selbst an politischen Inhalten fehlt? Irgendwas mit Klimakatastrophe, gewiss, irgendwas mit politischer Ignoranz und Blindheit für die Probleme der Bevölkerung; das spielt dort alles eine Rolle.
Der ganze Witz dieses Films bleibt jedoch furchtbar ermüdend und oberflächlich. Am Ende, so will er dem Publikum sagen, überlegt die Politik lieber, wie sie uns das Ende der Welt verkaufen kann, anstatt dieses Ende zu verhindern. Aber Tanz der Titanen vermittelt doch selbst keine Vision, keine Vorstellung von den Schräglagen, die für eine solche Untergangsstimmung verantwortlich sind. Stimmung ist ohnehin das Stichwort. In einer Stimmung schwelgt dieser Film, denn er bemüht sich ja von Anfang bis Ende darum, das Gefühl einer diffusen Verschwommenheit zu reproduzieren. Sicherlich ein weit verbreitetes, gegenwärtiges Lebensgefühl, dass uns die Übersicht über die Welt und ihre Probleme verlorengeht! Weil sich alles jederzeit in einer medial verzahnten Gleichzeitigkeit befindet.
Gefühle haben aber bekanntlich nicht immer etwas mit Fakten zu tun. Und es ist eben nicht so, als könnte man Missstände nicht benennen. Dass Wohlstand etwa ungerecht verteilt bleibt, dass Konzerne zu viel Macht erhalten, dass Menschen in Not kaum oder nicht geholfen wird, dass Infrastrukturen zerfallen und so weiter und so fort: Die Liste der Herausforderungen ist lang. Vielleicht ist die Welt ja gar nicht so kompliziert und verschwommen, wie es einem auch Künstler hin und wieder gern erzählen wollen? Der größte Gag dieses Films ist doch, dass er seinen Politiker-Figuren naive Unwissenheit, Unbeholfenheit und Planlosigkeit unterstellt. Diese Haltung grenzt an Perfidie. Es ist völlig absurd, dem dominierenden Konservatismus bis hin zu den reaktionären Kräften der sogenannten westlichen Welt, die sich gerade neu sortieren soll, vorzuwerfen, sie wüssten nicht, was sie tun! Das Gegenteil ist der Fall.
Die menschengemachten Krisen der Gegenwart, die dieser Film vage umrandet, existieren im erheblichen Maße, weil sie politisch so gewollt sind, weil man Alternativen bewusst ablehnt, beispielsweise um das eigene Klientel oder Lobby-Interessen nicht zu verprellen. Die Verantwortlichen einfach nur als dümmlich und blind darzustellen, wie das dieser Film im Grunde unternimmt, greift schon in seiner grundsätzlichen Idee als Satire zu kurz und gerät dadurch viel zu schnell in eine erzählerische Sackgasse. Ein Film wie Tanz der Titanen ist in seinen diffusen, fatalistischen Stimmungsbildern und Kalauern nicht viel mehr als ein Ausdruck, aber auch das unfreiwillige Sprachrohr und die ästhetische Bestätigung der vermeintlichen Alternativlosigkeit. Er tapp selbst im sinnbildlichen Dunkel. Mit viel zu wenig innerer Erkenntnis und – leider – ganz viel humoristischem Leerlauf.