Roman Polanski – Mein Leben

Roman Polanski: A Film Memoir

GB/F/I/D 2011 · 94 min. · FSK: ab 12
Regie: Laurent Bouzereau
Drehbuch:
Kamera: Pawel Edelman
Schnitt: Jeff Pickett
Faszination des Dunklen im Objektiv

Tragödien und Einsamkeit

Tanz der Vampire von 1967- das ist wohl nach wie vor sein erfolg­reichster Film, und in seiner Mischung aus Groteskem und Burleskem, aus Horror und Komödie, dasjenige seiner Werke, dass am besten das Kino­schaffen von Roman Polanski reprä­sen­tiert. Man möchte kaum glauben, dass er nächstes Jahr schon 80 wird. Noch immer hat sich Roman Polanski nicht nur äußerlich – lange Haare, federnder Gang – etwas Jugend­li­ches bewahrt. »Ich bin noch nicht fertig«, erklärte er erst kürzlich. »Ich habe bisher noch keinen Film gemacht, den ich ganz als 'meinen Film' empfinde, meinen 'Moby Dick'.«

Humor und Horror – diese Paarung prägt Polanskis Werk. Ihn faszi­niert die dunkle Seite des Lebens, und doch möchte er nie vergessen, dass es immer auch im Dunlen das Helle gibt, und dass er selbst vieles nicht bierernst meint.
Sogar seinem Shoa-Drama Der Pianist kann man das ansehen: Im besetzten Warschau zeigt Roman Polanski die Begegnung zwischen dem im Unter­grund versteckten Wladyslaw Szpilman und seinem poten­zi­ellen Mörder in einer chap­linesken Szene, in der der halb verhun­gerte Pianist vergeb­lich versucht, eine Gurken­dose mit einem Schür­haken zu öffnen.

Laurent Bouzereau Doku­men­tar­film Roman Polanski – A Film Memoir entstand in jenen langen Monaten, in denen sich Polanski nach dem US-Auslie­fe­rungs­an­trag im Schweizer Haus­ar­rest befand. Inter­viewt wurde er vom Produ­zenten Andrew Brauns­berg, einem engen Freund Polanskis. So ist der Film im Kern nicht viel mehr als eine lange Inter­viewauf­zeich­nung, garniert mit Film­aus­schnitten und Bildern aus Nach­rich­ten­sen­dungen. Es ist dies auch kein sonder­lich kriti­sches Portrait eines Regis­seurs, der seine ganz persön­li­chen Abgründe hat.

Aber auf seine Weise erzählt der Franzose, doch eine ganze Menge über Künstler, über Mensch und Werk. Polanski erscheint hier als ein Regisseur, der eher den Teufel sucht als Gott. Egal, ob das Ergebnis die Gestalt einer grotesken Komödie hat wie T Tanz der Vampire oder die einer einfühlsam-surrealen Schi­zo­phre­nie­studie wie Ekel 1965: Fast immer verwan­delt er das Böse in reale Erfahrung, holt es in die Wirk­lich­keit. Polanski nennt dies ein »Kino der reinen Evidenz«: Die Dinge bedeuten sich selbst, keine Metapher. Der Zuschauer darf sich über nichts sicher sein. Das Inter­es­sante ist seine Unsi­cher­heit, die die des Regis­seurs spiegelt.

Seine frühen Filme entwerfen Topo­gra­fien der Einsam­keit: Das Messer im Wasser 1963, Wenn Katelbach Kommt... 1966 und Macbeth 1971. Kurz nach seinem größten Kassen­er­folg, Rosemary’s Baby 1968, der heute noch so unmit­telbar scho­ckiert, wie vor 44 Jahren, holte der Horror Polanski dann persön­lich ein, mit der Ermordung seiner hoch­schwan­geren Frau Sharon Tate durch die »Manson Family« 1969. Vieles spricht dafür, dass Polanski dieses Erlebnis bis heute nicht wirklich verwunden, sondern nur überlebt hat.

Aber vermut­lich galt schon immer, dass man seine ganze Kunst als einen solchen Kampf ums Überleben verstehen musste. Polanski, 1933 als Sohn polni­scher Juden in Paris geboren, entkam als Kind der Schoa nur, indem er die Familie im Ghetto von Krakau zurück­ließ. Die Mutter wurde in Auschwitz ermordet. Er selbst überlebte mithilfe einer katho­li­schen Familie – seinen Filmen liegt der Katho­li­zismus immer sehr nahe. Auch die ersten Nach­kriegs­jahre waren geprägt von Gewalt und trau­ma­ti­schen Erfah­rungen, die er in seiner Auto­bio­grafie »Roman« und indirekt auch in dem Film Oliver Twist 2005 beschrieben hat. 1962 emigrierte er aus dem kommu­nis­ti­schen Polen nach Frank­reich, wo er wieder seit 1977 lebt – aus den USA floh er nach bis heute unbe­wie­senen Vorwürfen sexuellen Miss­brauchs einer Minder­jäh­rigen. 2009 holten sie ihn dann unmit­telbar wieder ein: Mit den Verfol­gungen durch die US-Behörden, die sich zwar als juris­tisch unhalt­bare Verfol­gungswut bewiesen, aber doch öffent­lich viel Eindruck geschunden haben. Erstmals entschul­digt Polanski sich hier auch öffent­lich bei dem seiner­zeit 13-jährigen Mädchen.

Im Film erscheint Polanski auch sonst als sensibler und verletz­li­cher, nach­denk­li­cher, eloquenter Mensch. Bei wenigen Regis­seuren, das macht dieser hervor­ra­gende Doku­men­tar­film deutlich, liegen direkte Bezüge zwischen Biografie und Werk so auf der Hand wie bei Polanski. Dennoch sollte man sich vor vorei­ligen Schlüssen hüten. Polanski hat in seiner Karriere fast alle Genres erprobt. Thriller liegen ihm inzwi­schen, seit er sich von den absurden Komödien verab­schie­dete, offenbar am meisten.
Welches ist sein bester Film? Viel­leicht Chinatown, weil er dort die Eleganz der Form auf die Spitze treibt, Glück und Horror, Realismus und Romantik verbindet, und am Ende ganz persön­lich wird: in der Anteil­nahme für einen unper­fekten Menschen. Bis hin zum Der Pianist ist Polanskis Werk von solch unmit­tel­barer Empathie ebenso geprägt, wie von Distanz zu allen Erlö­sungs­an­ge­boten. Es sind unge­schützte Filme, die auf Sinn­stif­tung keinen Wert legen. Dafür kann man dort erfahren, was es bedeuten kann, in der Unsi­cher­heit zu leben.