Rossini

Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief

Deutschland 1997 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: Helmut Dietl
Drehbuch: ,
Kamera: Gernot Roll
Darsteller: Heiner Lauterbach, Mario Adorf, Götz George, Gudrun Landgrebe u.a.
Das lebende Inventar im Rossini

Hell ist der Raum erleutet, ganz in weiß glitzern die Wände des italie­ni­schen Restau­rants, alle Tische sind besetzt, und es geht mal wieder hoch her. Kaum hat der Film begonnen, sind wir schon mitten drin.

Was wir im Folgenden unter dem merk­wür­digen langen Titel Rossini oder die mörde­ri­sche Frage, wer mit wem schlief zu sehen bekommen, spielt fast nur an diesem einen Ort und fast nur an einem langen Abend. Erzählt wird das Fest zum – wieder einmal – vier­zigsten Geburtstag von Valerie, der Lebens­ge­fährtin des Film­pro­du­zenten Oskar Reiter (gespielt von einem gran­diosen Heiner Lauter­bach, der noch nie so gut war, wie in diesem Film). Mit von der Partie sind alle möglichen Freunde und Adabeis, nicht zuletzt Bodo Kriegnitz, der Liebhaber von Valerie, was der Freund­schaft zwischen ihm und Reiter aber keinen Abbruch tut. Der Produzent kämpft gleich­zeitig um die Film­rechte des Best­sel­lers: Loreley. Die Geschichte einer Hexe, aus dem er einen filmi­schen »Super­me­ga­über­hammer« machen will, dessen Film­rechte der hyper­sen­sible Autor Lutz Windisch aber nicht verkaufen möchte. Bankiers bedrängen Reiter und auch sonst ist viel los an diesem Abend.

Man kann die vielen kleinen Geschichten gar nicht alle erzählen, die Regisseur Helmut Dietl mit beste­chender Lässig­keit mitein­ander verknüpft. Souverän behält er dabei immer den Überblick und die Kontrolle.
Hand­werk­lich fehlt Rossini kaum etwas. Dietl beherrscht die Kunst der eleganten Über­trei­bung, des richtigen Maßes und des schnellen Wechsels so perfekt, wie dies in einem deutschen Film bisher nicht zu sehen war. Rossini ist auch eine deutsche Screwball-Comedy, jeder Satz dieser hervor­ra­genden geschlif­fenen Dialoge (für die neben Dietl selbst auch Best­seller-Autor Patrick Süßkind verant­wort­lich ist) ist genau auf den Punkt gebracht

Vor allem aber hat Rossini viel Tempo und schafft es diese Rasanz bis zur letzten Minute durch­zu­halten. Immer wird die Handlung in neuen Wendungen voran­ge­trieben, oft ist der Ton dem Bild um Augen­blicke voraus. Dabei ist der Film nicht hektisch, sondern gönnt seinen Figuren – ähnlich wie Robert Altmann in Short Cuts – auch kurze Momente des Inne­hal­tens.

Es geht um Film und vor allem die Umstände des Filme­ma­chens sind das Haupt­thema von Rossini. Aber zugleich geht es um mehr, um viel mehr: denn all diese kindi­schen Machos, eitlen Egomanen, diese erfolgs­ver­wöhnten Sensi­bel­chen und hypo­chon­dri­schen Nerven­bündel, die von Allergien, Stress, Herz­at­ta­cken und Verstop­fung gequälten Schönen und Reichen stehen für das Ganze. Sie sind, na klar doch, derbe Klischees. Zugleich reprä­sen­tieren sie in über­höhter Form unsere bundes­re­pu­bli­ka­ni­sche Gegenwart, zumindest einen wichtigen Teil von ihr. Dietl hat keine falschen Sympa­thien für diese unbarm­her­zige Gesell­schaft, aber er ist auch nicht der Zyniker, für den ihn viele halten, er zeigt sie mensch­lich und voller Nachsicht für ihre Schwächen. Dabei vermeidet Dietl geschickt Pathos und Mora­lismus, er spielt bewußt mit dem Kitsch, aber ironi­siert ihn dann sofort wieder.

Seine Schau­spieler lenkt Dietl hervor­ra­gend. Was auffällt, ist die körper­liche Präsenz aller Akteure, die mit jeder Körper­faser da sind, und nicht nur ihre Texte aufsagen. Nichts ist statisch in diesem Film. Gernot Rolls ausge­zeich­nete Kamera unter­s­tützt das noch, immer ist sie in Bewegung, begleitet die Darsteller, und tut so wie der Ton, der endlich einmal wirklich gelungen ist, viel für Tempo und quirlige Atmo­s­phäre.
Alle negativen Befürch­tungen gehen an diesem Film vorbei: Rossini, über dessen reale Hinter­gründe genug in der Presse zu lesen war, ist weit mehr, als ein Schlüs­sel­roman der Münchner Schi­ckeria oder die Fort­set­zung seiner TV-Serie Kir Royal, und weit mehr auch als die eitle Nabel­schau einiger Mitfünf­ziger. Statt Selbst­be­weih­räu­che­rung herrscht heitere (Selbst-)Ironie. Diese schwarze Komödie ist eine sati­ri­sche Sitten­ge­schichte die ganz up to date ist.

Gibt es nichts Schlechtes zu sagen? Nein, Helmut Dietl hat es geschafft: das Jahr hat kaum begonnen, und er hat bereits die Komödie des Jahres gedreht. Der Abstand zu all den lang­wei­ligen, geschmack­losen Yuppie-Klamotten, in denen es nur darum geht, daß jeder Topf am Ende seinen Deckel findet, und die manche Kritiker zu Zeichen einer neuen Film­kultur in Deutsch­land hoch­schwätzen, ist derart meilen­weit, daß man beim Besuch dieses Film erst begreift, wie schlecht all die anderen Filme sind, und was man im Kino auch heute machen kann, selbst in der Bundes­re­pu­blik, wenn man nur zwei Dinge besitzt: eine Idee und Geschmack.