Deutschland 1997 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Helmut Dietl Drehbuch: Helmut Dietl, Patrick Süßkind Kamera: Gernot Roll Darsteller: Heiner Lauterbach, Mario Adorf, Götz George, Gudrun Landgrebe u.a. |
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Das lebende Inventar im Rossini |
Hell ist der Raum erleutet, ganz in weiß glitzern die Wände des italienischen Restaurants, alle Tische sind besetzt, und es geht mal wieder hoch her. Kaum hat der Film begonnen, sind wir schon mitten drin.
Was wir im Folgenden unter dem merkwürdigen langen Titel Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief zu sehen bekommen, spielt fast nur an diesem einen Ort und fast nur an einem langen Abend. Erzählt wird das Fest zum – wieder einmal – vierzigsten Geburtstag von Valerie, der Lebensgefährtin des Filmproduzenten Oskar Reiter (gespielt von einem grandiosen Heiner Lauterbach, der noch nie so gut war, wie in diesem Film). Mit von der Partie sind alle möglichen Freunde und Adabeis, nicht zuletzt Bodo Kriegnitz, der Liebhaber von Valerie, was der Freundschaft zwischen ihm und Reiter aber keinen Abbruch tut. Der Produzent kämpft gleichzeitig um die Filmrechte des Bestsellers: Loreley. Die Geschichte einer Hexe, aus dem er einen filmischen »Supermegaüberhammer« machen will, dessen Filmrechte der hypersensible Autor Lutz Windisch aber nicht verkaufen möchte. Bankiers bedrängen Reiter und auch sonst ist viel los an diesem Abend.
Man kann die vielen kleinen Geschichten gar nicht alle erzählen, die Regisseur Helmut Dietl mit bestechender Lässigkeit miteinander verknüpft. Souverän behält er dabei immer den Überblick und die Kontrolle.
Handwerklich fehlt Rossini kaum etwas. Dietl beherrscht die Kunst der eleganten Übertreibung, des richtigen Maßes und des schnellen Wechsels so perfekt, wie dies in einem deutschen Film bisher nicht zu sehen war. Rossini ist auch
eine deutsche Screwball-Comedy, jeder Satz dieser hervorragenden geschliffenen Dialoge (für die neben Dietl selbst auch Bestseller-Autor Patrick Süßkind verantwortlich ist) ist genau auf den Punkt gebracht
Vor allem aber hat Rossini viel Tempo und schafft es diese Rasanz bis zur letzten Minute durchzuhalten. Immer wird die Handlung in neuen Wendungen vorangetrieben, oft ist der Ton dem Bild um Augenblicke voraus. Dabei ist der Film nicht hektisch, sondern gönnt seinen Figuren – ähnlich wie Robert Altmann in Short Cuts – auch kurze Momente des Innehaltens.
Es geht um Film und vor allem die Umstände des Filmemachens sind das Hauptthema von Rossini. Aber zugleich geht es um mehr, um viel mehr: denn all diese kindischen Machos, eitlen Egomanen, diese erfolgsverwöhnten Sensibelchen und hypochondrischen Nervenbündel, die von Allergien, Stress, Herzattacken und Verstopfung gequälten Schönen und Reichen stehen für das Ganze. Sie sind, na klar doch, derbe Klischees. Zugleich repräsentieren sie in überhöhter Form unsere bundesrepublikanische Gegenwart, zumindest einen wichtigen Teil von ihr. Dietl hat keine falschen Sympathien für diese unbarmherzige Gesellschaft, aber er ist auch nicht der Zyniker, für den ihn viele halten, er zeigt sie menschlich und voller Nachsicht für ihre Schwächen. Dabei vermeidet Dietl geschickt Pathos und Moralismus, er spielt bewußt mit dem Kitsch, aber ironisiert ihn dann sofort wieder.
Seine Schauspieler lenkt Dietl hervorragend. Was auffällt, ist die körperliche Präsenz aller Akteure, die mit jeder Körperfaser da sind, und nicht nur ihre Texte aufsagen. Nichts ist statisch in diesem Film. Gernot Rolls ausgezeichnete Kamera unterstützt das noch, immer ist sie in Bewegung, begleitet die Darsteller, und tut so wie der Ton, der endlich einmal wirklich gelungen ist, viel für Tempo und quirlige Atmosphäre.
Alle negativen Befürchtungen gehen an diesem Film vorbei:
Rossini, über dessen reale Hintergründe genug in der Presse zu lesen war, ist weit mehr, als ein Schlüsselroman der Münchner Schickeria oder die Fortsetzung seiner TV-Serie Kir Royal, und weit mehr auch als die eitle Nabelschau einiger Mitfünfziger. Statt Selbstbeweihräucherung herrscht heitere (Selbst-)Ironie. Diese schwarze Komödie ist eine satirische Sittengeschichte die ganz up to date ist.
Gibt es nichts Schlechtes zu sagen? Nein, Helmut Dietl hat es geschafft: das Jahr hat kaum begonnen, und er hat bereits die Komödie des Jahres gedreht. Der Abstand zu all den langweiligen, geschmacklosen Yuppie-Klamotten, in denen es nur darum geht, daß jeder Topf am Ende seinen Deckel findet, und die manche Kritiker zu Zeichen einer neuen Filmkultur in Deutschland hochschwätzen, ist derart meilenweit, daß man beim Besuch dieses Film erst begreift, wie schlecht all die anderen Filme sind, und was man im Kino auch heute machen kann, selbst in der Bundesrepublik, wenn man nur zwei Dinge besitzt: eine Idee und Geschmack.