IL/D/F/RO 2010 · 104 min. · FSK: ab 6 Regie: Eran Riklis Drehbuch: Noah Stollman Kamera: Rainer Klausmann Darsteller: Mark Ivanir, Guri Alfi, Noah Silver, Rozina Kambus, Julian Negulesco u.a. |
||
Auch mit dem Bulli ist immer noch gut reisen |
Ein Mann besucht die Gerichtsmedizin von Jerusalem, um ein Opfer des letzten Bombenanschlags zu identifizieren: »Welches Attentat?« fragt der Pathologe, »das in der Pizzeria, oder das am Marktplatz?« – Absurdität des israelischen Lebens mit dem alltäglichen Terror. Überhaupt gibt es ein paar solche guten, hübsch frechen Witze an der Grenze zur Geschmacklosigkeit, und darum sehr treffend, um geschmacklose Sachverhalte aufzuhellen. Nochmal im Leichenschauhaus: Der Besucher sucht einen für ihn zuständigen Ansprechpartner, guckt in verschiedene Zimmer hinein, aber findet immer nur tote Körper. Plötzlich bewegt sich einer von ihnen, richtet sich schnell auf: Einer der Pathologen hat auf einer Bahre unterm Leichentuch ein Nickerchen eingelegt.
Ansonsten ist Die Reise des Personalmanagers – gedreht nach der gleichnamigen Romanvorlage von Abraham B. Jehoschua – allerdings eher brav und von jener gepflegten, lauwarmen »Warmherzigkeit« aus der Retorte, wie sie den derzeitigen Arthouse-Mainstream dominiert, jene Filme, die auf Festivals zu viele Preise gewinnen, und über die man gar nicht anders, als in Temperaturmetaphern reden kann: Männer, die irgendwie zu hart und zu kalt sind, und »eine Reise« zu einem möglichst entlegenen, skurrilen Ort machen müssen, wo sie lustig-kauzige Menschen kennenlernen, verführerische Frauen vielleicht noch etwas besser, um dann heimzukehren, und aufgetaut und geläutert bei ihrer Familie zu sitzen. Eran Ricklis neuer Film gehört immerhin eindeutig zu den besseren Werken jener Gattung.
Die Hauptfigur des Films, der »Human Resources Manager« in Jerusalems größter Bäckerei, bleibt bis zum Schluss des Films namenlos, und das muss etwas zu bedeuten haben. Normalerweise besteht sein Job aus öder Schreibtischarbeit am Computer, »nine to five«. Irgendwelche Störungen im Betriebsablauf sind da zu beseitigen, vielleicht mal ein paar Leute zu versetzen oder gar zu entlassen. Eines Tages wird er kurz vor Betriebsschluss zu seiner Chefin gebeten. Die erzählt ihm von einem höchst unangenehmen Zeitungsartikel, zu dem er der Angelegenheit nachgehen und einen öffentlichen Entschuldigungsbrief formulieren soll: Yulia P., eine Einwanderin der Bäckerei ist bei einem Selbstmordattentat ermordet worden. Sie wurde bereits vor einem Monat entlassen, doch offiziell ist sie noch Angestellte – merkwürdige Diskrepanzen, die ein windiger Sensationsreporter mit Spitznamen »Wiesel« zu Lasten der Firma ausschlachten will.
Öffentlichkeitswirksam soll nun der Sarg in die Heimat der Toten überführt werden, und all das muss der genervte Personalmanager gemeinsam mit dem Journalisten überwachen. Die Reise geht in ein namenloses osteuropäisches Land – gedreht wurde in Rumänien – das man am besten als »Kusturica-Land« bezeichnen kann. Hier sind die Landschaften schön und pittoresk, die Leute überaus originell, laut, trinkfest, und entweder trotz elender Lebensverhältnisse grundlos fröhlich, oder reich und korrupt. Am Ende war wieder einmal der Weg das Ziel, und der Personalmanager kann geläutert heimkehren -übrigens in einem Panzer, woran wiederum vor allem die Vorlage schuld ist.
Regisseur Eran Riklis, geboren 1954 in Jerusalem, ist auch in Deutschland alles andere, als ein Unbekannter. In Die syrische Braut und Lemon Tree rückte er Frauenschicksale in Israel erfolgreich ins Zentrum. Die Reise des Personalmanagers ist bereits der vierte seiner insgesamt neun Spielfilme, der auch in Deutschland ins Kino kommt. Die Männer sind weich und gefühlvoll in seinem Film, der immer dann überzeugt, wenn es ernst wird, und er sich zur Melancholie seiner Figuren bekennt. Da wirkt der Film wie die Aktualisierung von Figuren wie Camus' »Fremdem«, zwischen Alltagsnihilismus und stoischer Gleichgültigkeit.
Wollte der Film nicht so verdammt witzig sein und würde immer nach seinem Publikum schielen, als ob es sich um Fernsehzuschauer handeln würde, die wegzappen könnten – aber das geht ja im Kino noch nicht – dann wäre er richtig gut.