Raumpatrouille Orion – Rücksturz ins Kino

Deutschland 2003 · 92 min. · FSK: ab 6
Regie: Michael Braun, Theo Mezger, Stephan Reichenberger
Drehbuch: ,
Kamera: Kurt Hasse
Darsteller: Dietmar Schönherr, Eva Pflug, Elke Heidenreich, Wolfgang Völz u.a.
Nostalgische Zukunft: Die Raumpatrouille

FROGS-frei in die Zukunft – und alles wird galaktisch gut

Ach, waren das noch Zeiten, damals in den 60ern: Die Mensch­heit schien langsam auf dem Weg in Richtung einer fried­li­chen Zukunft, selbst der kalte Krieg galt auf lange Sicht als über­windbar. Die Technik sollte für alle Zeiten dem Wohle der Mensch­heit dienen. Und statt die vorhan­denen Lebens­räume durch die damals noch unbe­kannte Umwelt­ver­schmut­zung zu zerstören, würde sich die verei­nigte Mensch­heit neue Sied­lungs­räume erschließen, den Meeres­boden auf der Erde und ferne Planeten. All dies unter der wohl­mei­nenden Aufsicht der weisen Welt­re­gie­rung. Ein Übel war allen­falls von außen zu erwarten.

Dort entdeckt es zumindest Commander Cliff Allister McLane, wegen unan­ge­brachten Drauf­gän­ger­tums samt seiner Orion-Crew zur Raum­pa­trouille an den Rand der Galaxis straf­ver­setzt. Dort wird er mit feind­li­chen Aliens, den »Exoter­risten« konfron­tiert. Als ob es nicht schwer genug wäre, sich auf dem eigenen Raum­schiff gegen die strenge Aufsicht von Tamara Jagell­ovsk zu wehren, zur Über­wa­chung McLanes vom galak­ti­schen Sicher­heits­dienst auf die Orion komman­diert. Wird die Besatzung von Raum­pa­trouille Orion es schaffen, dank neuster Waffen­technik (Overkill) die gefähr­li­chen FROGS zu besiegen?

Alle lang­ge­dienten Orion-Fans mögen diese extreme Kurz­fas­sung des Inhalts der geliebten Serie verzeihen. Denn auch der Film dampft die Handlung der insgesamt sieben eins­tün­digen TV-Folgen auf knappe andert­halb Stunden ein. Durch Konzen­tra­tion auf den »roten Faden« der Serie, durch Verkür­zung, Umstel­lung und Ergänzung nunmehr fehlender Infor­ma­tionen durch die Nach­richten der »Ster­nen­schau« (gespro­chen von Elke Heiden­reich) gelingt dieser Zusam­men­schnitt auf durchaus inter­es­sante Weise. Die wich­tigsten Kurio­sitäten wie das Büge­leisen auf dem Steu­er­pult oder der Galyxo im Starlight Casino bleiben erhalten. Und die Kurz­fas­sung ist ja auch nicht für die alten Fans der Serie gedacht, die so manches lieb gewordene Detail vermissen mögen: Ziel des Kino­filmes ist vielmehr, neue Anhänger des Orion-Kultes zu gewinnen, die für den spröden Charme des Originals ja erst begeis­tert werden müssen.

Die Musik von Peter Thomas, die in den letzten Jahren zunehmend Beachtung fand, wurde mit der gesamten Tonspur für das Kino neu digital abge­mischt. So steht ein dem heutigen Kino­stan­dart ange­passter Sound neben den klas­si­schen, schwarz-weißen Bildern der Serie. Die wenigen Farb­auf­nahmen, die laut Infor­ma­tionen aus der Fan-Gemeinde für die Szenen z.B. im Starlight Casino (und zwar für das Blue-Box-Verfahren zum Einko­pieren der Riesen­fi­sche im Hinter­grund) entstanden sein sollen, fanden wohl aus Gründen der Einheit­lich­keit keinen Eingang in die Kino­fas­sung.

Hinreißend veraltet wirkt auch das Vokabular der Zukunft: Lange vor dem ersten Mann auf dem Mond spricht man beispiels­weise vom »Rücksturz« als der Rückkehr zu Erde. Und die myste­riösen FROGS verdanken ihren englisch anmu­tenden Namen nicht etwaigem amphi­bi­schen Aussehen, sondern dem Umstand, dass sie ihre Kraft­fahr­zeuge nicht ordent­lich gemeldet haben: die Abkürzung steht für »feind­liche Raum­schiffe ohne galak­ti­sche Seri­en­nummer«. Ja, Ordnung musste sein – das Jahr ‘68 stand damals noch in den Sternen.

Als die Raum­pa­trouille Orion 1966 mit der Erst­aus­strah­lung ihrer 7 Folgen drei Jahre vor der ersten Mond­lan­dung den Fernseh-Dienst aufnahm, lagen die Themen »Weltraum« und Science-Fiction in der Luft. Fast zur gleichen Zeit startete in den USA das Raum­schiff Enter­prise (mit zunächst weitaus weniger Publi­kums­zu­spruch als sein deutsches Pendant), Präsident John F. Kennedys Mond­lan­dungs­pro­gramm war bereits einige Jahre alt, und wenige Jahre später sollte Stanley Kubrik mit 2001: A Space Odyssey den bis heute wohl besten und tief­sin­nigsten filmi­schen Beitrag zum Sujet liefern.

»Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirk­lich­keit sein. Hier ist ein Märchen von über­morgen.« – Der Satz zu Beginn jeder Orion-Folge ist reprä­sen­tativ: Nie wieder lag der Zukunfts­op­ti­mismus seitdem so sehr in der Luft, wie damals. Zu seiner Entste­hungs­zeit war Raum­pa­trouille Orion ein mutiges Projekt, sehr wohl aber trotzdem Main­stream – keines­wegs ein stief­müt­ter­lich behan­deltes Nebenbei-Produkt oder gar früher Trash, sondern einfach das, was mit den Mitteln des Fern­se­hens zu jener Zeit möglich schien. Mit 3,4 Millionen Mark Produk­ti­ons­kosten war die Serie für damalige Verhält­nisse durchaus teuer, und entwi­ckelte sich sofort zum »Straßen­feger«. Die ange­kün­digte Fort­set­zung wurde aller­dings nie gedreht.

Mitte der 80er erlebte die Orion ihr erstes Comeback, als der Sputnik-Film­ver­leih die Folgen in Programm­kinos zeigte. Kurz darauf kaufte der Privat-Sender Sat.1 die Ausstrah­lungs­rechte und versuchte vom wach­senden Kult um die Orion für sein Image, aber auch ökono­misch durch den Verkauf diverser Merchan­di­sing-Produkte zu profi­tieren. Seit dem Easy-Listening-Revival Mitte der 90er wurde der Sound­track von Peter Thomas dann überdies ein welt­weiter Erfolgs­titel, nach wie vor hört man ihn regel­mäßig in besseren Nacht­lo­kalen, schließ­lich sicherte die Trash-Mode der letzten Jahre der Raum­pa­trouille Orionendgültig das Überleben.

Nun also der Rücksturz ins Kino als »Producer’s Cut«: Die alten Fernseh-Folgen wurden dafür zu einer 90-minütigen Spiel­film­hand­lung zusam­men­ge­strickt, deren Drama­turgie der der Serie folgt: Major Cliff Allister McLane, Commander der Orion wird vom obersten Raum­fahrt­kom­mando in den Patrouil­len­dienst straf­ver­setzt. Zur Aufsicht wird ihm und seiner mit ihm in geradezu nibe­lun­gen­treuer Kame­rad­schaft verbun­denen Besatzung – darf man, ohne als Spaß­ver­derber zu gelten, zugeben, dass einem jüngeren Zuschauer da durch alle offen­sicht­liche Locker­heit des Orion-Teams immer wieder mal auch die 1966 gerade mal zwei Jahr­zehnte zurück­lie­genden Kriegs­ka­me­rad­schaften in den Sinn kommen? – der weibliche Offizier Leutnant Tamara Jagell­ovsk vom Galak­ti­schen Sicher­heits­dienst (GSD), nicht zufällig im Zeitalter zwischen Mauerbau und neuer Deutsch­land­po­litik ein russi­scher Name, zur Aufsicht zugeteilt. Eva Pflug spielt sie mit sprödem Domina-Charme. Zwischen McLane und Jagell­ovsk herrscht anfäng­lich Kalter Krieg, dann kommt es zeitgemäß zum Wandel durch Annährung. Nebenbei kämpft die Besatzung gegen die feind­se­ligen »Frogs«, die wie Papier­flieger aussehen, und erfüllt am Ende »Plan BX 17: Rettet die Erde« und tut, wenn auch mit brachialen Mitteln, einiges für die Völker­ver­s­tän­di­gung.

Die Übergänge zwischen den Folgen sind geschmeidig, für den, der die Serie nicht kennt, kaum noch spürbar. Nur gele­gent­lich knarzt es im Story-Gebälk, und um solche Brüche und Verkür­zungen zu über­brü­cken, haben sich die Produ­zenten kurze Folgen einer »Ster­nen­schau« ganz im damaligen Design einfallen lassen. In ihr verkündet Elke Heiden­reich als Spre­cherin (die Texte stammen von Claudius Seidl) die Nach­richten und lässt sie mit dem ceterum censeo »Alles wird galak­tisch gut« enden. Technisch wurden Ton und Origi­nal­sound­track in Dolby-Digital-Sound über­ar­beitet, der Sound­track zusätz­lich ergänzt und auch die Bilder restau­riert. Gleich­wohl konnte der Ton bei der Pres­se­vor­füh­rung nicht restlos über­zeugen, stel­len­weise klang alles erstaun­lich dumpf, dann wieder hallte es über­trieben, und der vom modernen Surro­und­system erzeugte räumliche Effekt stand in merk­wür­digem Kontrast zu den einst auf 35 Milli­meter Schwarz­weiß­film gedrehten Bildern. Die hielten der Vergröße­rung vom Bild­schirm­format zur meter­großen Leinwand nämlich erstaun­lich gut stand.

Das ganze Rezept klingt einfach. Zu einfach viel­leicht. Die »Raum­pa­trouille« war ein Fern­seh­format, und ist dies auch in der Kino­fas­sung geblieben – ein rechter Span­nungs­bogen will sich nicht ergeben, zu kurzatmig und dabei gleich­förmig ist die Drama­turgie, plät­schert mit wenig Höhe­punkten dahin. Der eigent­liche Reiz und das Erfolgs­ge­heimnis der Serie liegen gerade in ihrer heute offen­sicht­li­chen Naivität, in der Unschuld der Zukunfts­dar­stel­lung. Mit Hilfe von Büge­leisen, einem riesigen Blei­stift­spitzer und Duschar­ma­turen, schlich­testen Bilder­tricks und sehr phan­ta­sie­vollen, oft einfach im besten Sinne albernen Einfällen wird eine märchen­hafte Zukunft herbei­ge­zau­bert, die sich nie ernst nimmt. So war der Erfolg auch schon in den Sech­zi­gern nicht mit Welt­flucht erklärbar, sondern eher mit klarer, wenn auch aus heutiger Sicht spürbar domes­ti­zierter, nie subver­siver Ironie. Bis heute wirkt dieses einmalige Design nahezu unge­bro­chen. Die Serie ist zudem gut photo­gra­phiert. Beim Wieder­sehen im Kino merkt man auch, wie gut nach wie vor Schwarz-Weiß-Film­for­mate funk­tio­nieren – viel zu wenig sieht man das noch. Und im Zeitalter perfekter CGI-Wirk­lich­keits­si­mu­la­tion begeis­tern die archai­schen Spezial-Effekte.

Doch gerade in dieser Hinsicht verrät der »Rücksturz ins Kino« sein Vorbild, indem er zwar auf die Naivität er alten Tricks und des absurden SF-Design setzt, zugleich die neu hinzu­ge­fügten Ster­nen­schau-Stellen aber mit ebenso perfektem Ernst compu­ter­ani­miert und einge­setzt werden, wie man betont, dass der Ton heutigen tech­ni­schen Bedürf­nissen angepasst sei – von Selbst­ironie keine Spur, und die Naivität ist nur vermeint­lich markt­ge­rechte Pose aus der Retorte.

Was bleibt, ist ein nost­al­gi­scher Science-Fiction, der den Geist der Zeit kurz vor der Studen­re­volte und der mit ihr einher­ge­henden Kultur­re­vo­lu­tion atmet. »Ohne Insub­ord­i­na­tion geht es nicht.« geht es nicht, das ist die Message, die McLane aller­dings auch mit den Helden von »08/15« gemeinsam hat. Und das heutige Publikum darf 90 Minuten ohne Reue und ohne Scham­ge­fühl auch über nicht mehr ganz zeit­ge­mäße Scherze lachen, so wie beim Fami­li­en­abend, bei dem der Opa alte Urlaubs­dias zeigt. Sixties reloaded!