Deutschland 2024 · 97 min. Regie: Manuel Stettner Drehbuch: Manuel Stettner Kamera: Manuel Stettner Schnitt: Manuel Stettner |
![]() |
|
Eine fragmentarische Biografie... | ||
(Foto: Partisan Filmverleih) |
»Kompetenz. Performanz. Paradigma.«
– QRT»Wer tot ist, kann nicht darüber sprechen. Wer noch lebt und vom Tod spricht, weiß nicht, was er redet. Nun finden wir uns als Untote vor, das heißt, wir sind zu tot, um sprechen zu können, aber zu lebendig, unser Schweigen zu ertragen.«
– QRT
Vielleicht war es ihm schon mit diesem Namen in die Wiege gelegt worden: Konradin. Wie der letzte Staufer. Was muss das für eine Familie sein, die ihren Sohn so nennt, mitten in den Sechziger Jahren.
Nach allem was man lesen kann, Bürgertum, Apotheker,
Man wüsste gern mehr.
Wer so heißt, der trägt eine Last, aus dem kann nichts Normales werden, und eine der Fragen, die ich an ihn hätte, wäre die, ob er sich nicht doch irgendwann mal so etwas gewünscht hat, wie Normalität. Wahrscheinlich würde er mir jetzt spätestens eine reinhauen.
Vielleicht war das aber auch nur der Gestus von Konradin Leiner, genannt »Fascho Kurt«, selbsternannt QRT, ausgesprochen Kurt.
+ + +
Ich bin ihm das erste Mal begegnet, da war er schon tot. Aber diese Bücher haben etwas seltsam Faszinierendes, sie stechen heraus, aus dem Papp-Einerlei des Merve Verlags, aus den verschiedenen Pastelltönen, in die die französische Theorie im Berlin der 80er verpackt wurde. Sie sind Schwarz und Weiß, oder Weiß auf Schwarz, wie man möchte. Schon damit suggerieren sie eine Eindeutigkeit und eine Sympathie mit dem Schwarzen, mit der Nacht, mit dem Leder, mit dem glänzenden fettigen Schwarz, mit den Bildern von Soulages. An die habe ich zum Beispiel denken müssen bei QRT oder an ihn bei den Bildern von Soulages, als sie 2010 im Gropiusbau ausgestellt waren und wir sie endlich einmal in großer Menge sehen konnten. Wie lange das schon wieder her ist!
Auch die Titel der Bücher waren ungewöhnlich, nicht nur aber gerade besonders für Merve: Irgendwie chic, irgendwie Techno, aber nicht Loveparade, eher Deathparade, desperat, Berghain am Aschermittwoch.
+ + +
Dann hat mir irgendwann auch mal Oskar Roehler von QRT erzählt, dass der in seinem Gentleman gespielt habe, und sich gefreut, als ich ihm sagte, dass ich den Namen schon mal gehört hatte.
Die Titel seiner vier Bücher, die sind nicht klar, aber sie drücken doch irgendeine Art von Entschiedenheit aus: »Schlachtfelder der elektronischen Wüste: Die Figur des Helden im Zeitalter der Simulation«, »Tekknologic Tekknowledge Tekgnosis. Ein Theoremix.«, »Zombologie: Teqste«, und »Drachensaat: Der Weg zum nihilistischen Helden«. Und dann immer dazu (Internationaler Merve Diskurs: Perspektiven der Technokultur). Bisschen posig.
+ + +
Neulich hat mir jemand erzählt, dass er schon mehrfach gelebt habe, darunter einmal auch als Kreuzritter im 12. Jahrhundert, also etwa in der Zeit von Konradin. Ich hätte gerne gewusst, ob QRT auch an so etwas wie Seelenwanderung glaubte und daran, schon mal gelebt zu haben. In jedem Fall glaubte er. Er glaubte an das Heroische, an das Magische, sein Denken war magisches Denken, also beschwörendes Denken. Magisches Denken und Technik und vielleicht hat das nicht nur ein bisschen, sondern viel mit dem »Cyborg Manifesto« von Donna Haraway zu tun. »Wir sind Cyborgs« schreibt sie, wir sind Zombies schreibt er, »Materie wird durch das Leben zum Medium.« Seine Texte sind Zombie-Manifeste. Ich weiß nicht, ob er so etwas gedacht hat, aber er hat es gefühlt und gelebt, und die Idee dieses Films ist sicher, uns Untoten eine Ahnung von der Performance zu geben, die dieses Leben war, dieses Leben nicht nachzuplappern, sondern aufzuführen.
+ + +
Gerade heute muss man wieder an QRT denken. Denn wenn er ein Denker, ein Theoretiker war – ich bin mir nicht sicher, aber nehmen wir es mal an – und auch wenn er ein Journalist war – die Journalisten treten ja eh im 21. Jahrhundert an die Stelle, die einst die Intellektuellen und Meisterdenker innehatten –, dann war er ein Mediendenker. Und er hat schon vor 30 Jahren für heute den Satz des Tages geschrieben: »Die Medien brauchen den, der die Gewalt im Realen vollzieht; der Gewalttäter braucht das Medium als seinen Spiegel.«
+ + +
Wahrscheinlich war QRT auch ein Romantiker – selbstverständlich ein schwarzer Romantiker; und ich glaube, dass seine Ideen ohne Frage auch unter »Politische Mythologie« firmieren könnten.
Seine Ideen? Was für Ideen überhaupt?
Vielleicht hat QRT es auch nur geschafft, mit der ganzen Selbstmystifizierung und der Aura, die er mühevoll um sich herum aufgebaut hat, alle anderen auch zu bluffen, sogar jenen Autor im Philosophie-Magazin, der jetzt einen wirklich gut geschriebenen Text aus Anlass von QRT’s 60. Geburtstag veröffentlicht hat.
Wenn ich damit recht habe, dann bedeutet das übrigens noch lange nicht, dass QRT deswegen keine Aufmerksamkeit verdient hätte; er hätte sie nur anders verdient,
nicht etwa als großer Außenseiter, als Lonesome Cowboy im Westberlin der 90er, meinetwegen auch schon 80er, sondern als Phänomen eben dieses Westberlin.
Wenn er wirklich all das gedacht hat, was im Philosophie-Magazin steht, und es so gedacht hat, dann finde ich ihn uninteressanter, als so wie er jetzt erscheint. Dann wäre QRT einfach einer von den neunmalklugen Postmodernen, die zuviele Franzosen gelesen haben, und über die die Geschichte inzwischen weggegangen ist.
+ + +
So wie er jetzt ist, und in diesem Film ist, ist er interessanter: Eine Projektionsfläche. Für Jungs, sehr selten für Frauen.
Und ein zum Menschen gewordener Text, auf dem Westberlin und Technoberlin sich einschrieb. Eine verdichtete Existenz der 90er-Jahre in Berlin, schlaf- und ziellos die Themen der Zeit aufsaugend und ausrotzend, dabei manchmal auch analysierend. Seine Themen sind Techno und Heroin, Helden und Heilige, Comic und Film, Philosophie und Performance.
Dieser Dokumentarfilm nähert sich QRT an und entwirft eine fragmentarische Biografie anhand von Interviews mit Freunden, und kurzen Szenen eines kurzen Lebens. Dazu Auszüge aus seinen Texten, im Stakkato-Ton von einer hellen Stimme gesprochen. Es geht nicht um Wahrheit, sondern um Annäherungen an einen Toten.
Die Hofer Filmtage schrieben dazu: »QRT selbst wird zum Zombie, der wiederaufersteht und durch den Film spukt, ganz im Sinne der von ihm entwickelten Zombologie.«
+ + +
»Ein Nekrolog« ist dieser Film überschrieben. Das ist mindestens so nah an der Heiligsprechung wie am Dokumentarfilm.
Der Film kommt jetzt raus und wird hoffentlich lange draußen bleiben.
Am 12. Juni hat der Film in der Berliner Brotfabrik Premiere, danach wird er durch die Republik wandern.