Priscilla

USA 2023 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Sofia Coppola
Drehbuch:
Kamera: Philippe Le Sourd
Darsteller: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Dagmara Dominczyk, Ari Cohen, Jorja Cadence u.a.
Das Schmink-Püppchen Priscilla
(Foto: Mubi)

Die Frau als Fetisch und Vorstellung

Sofia Coppolas Priscilla illustriert das öde Leben an der Seite eines Stars

Sorg­fältig rotla­ckierte Fußnägel sinken tief in den rosé­far­benen Flokati ein. Lange Echthaar-Wimpern werden an die rauchig geschminkten Augen angelegt, bevor es zum Kreiss­saal geht. Ein Close-up-Griff zum Flacon, Chanel No. 5 (Product Placement). Glänzende Nude-Nägel blättern in Illus­trierten. Elvis und Nancy. Elvis und Scoobie. Elvis und … Ein Seufzen. Ein Blick ins aufgeräumte Wohn­zimmer. Ein weißer Pudel sorgt für noch mehr Nied­lich­keit des kleinen Wesens, das sich in Pumps auf der Wohn­land­schaft nieder­ge­lassen hat. Wie aus dem Ei gepellt sitzt Priscilla da, frisiert, geschminkt und gekleidet, wie Elvis, ihr Noch-nicht-Lover und Bald-Ehemann, es gerne hat. Schwarz getönte Haare, blaue kurze Kleidchen. Cailee Spaeny spielt sie gebühr­lich puppen­haft, als würde sie warten, in jedem Moment des Films. Jedoch: Kein Elvis in Sicht.

Wer jetzt gähnend abschaltet, der weiß, wie es der Ehefrau von Elvis Presley, Mutter seines einzigen Kinds, gegangen sein muss. Ange­leitet wurde Sofia Coppola von der Auto­bio­gra­phie der echten Priscilla Presley, die den Film auch mitpro­du­ziert hat. »Elvis and Me« heißt das Buch und verspricht »the true story of the love between Priscilla Presley and the King of Rock ’ N’ Roll«. Und der Film insze­niert jetzt diese wahre Geschichte. Oder? Irgend­wann kommt er dann doch, der King, und knipst mit einstu­dierten Posen das Leben in Memphis an. Jacob Elrodi (der übrigens auch in Sean Price Williams The Sweet East einen Auftritt hat) spielt ihn mit großer Würde als Riesen-Kleinkind, das im rechten Moment stammelnd sagen darf: »Werde ich jetzt Papa?«

Coppolas Priscilla ist ein Film für alle möglichen Lesarten. Man erhält »Einblicke« in das Leben auf Graceland. Man macht eine Zeitreise in die Sechziger und darf den Beginn der Siebziger in den verän­derten Frisuren und Moden erleben. Man kann sich aber auch femi­nis­tisch empören. Darüber, dass ein junges Mädchen im zarten Alter von 14 Jahren wie auf dem Heirats­markt von einem zehn Jahre älteren Mann »ausge­sucht« wird, dem damals, 1959, schon alle Frau­en­herzen erlegen waren. Der Weltstar und das unberührte Mädchen, das klingt nach Pygmalion-Mythos, wo sich der Töpfer eine Frau ganz nach seinen Wünschen formen darf. Und tiefen­psy­cho­lo­gisch lässt das natürlich tief blicken, wenn sich ein mächtiger Mann einen ahnungs­losen Teenager schnappt. Dass der Wille von Priscilla gebrochen wurde, ist wohl die Story behind the Star. Dass Priscilla nur zum Leben erweckt wurde, wenn Elvis sie ansah, ist ihre Tragik. Und die leider ungleich realere Antithese zu Greta Gerwigs »Barbie«-Inter­pre­ta­tion (wo Ken nur existiert, wenn Barbie ihn ansieht).

Das klingt toxisch und nach »Me too«, auch wenn der kleinen Priscilla (»the little one«, wie Elvis sie nennt) schnell die Karriere ausge­trieben wird. »Du musst dich entscheiden: ich oder deine Karriere.« Und als Priscilla dann vom freudlos braun­ge­färbten Wiesbaden ins creme­far­ben­ge­tönte Memphis wechselt, dann ist Graceland für sie nichts anderes als ein Gefängnis. Und eben kein Goldener Käfig, denn: Für Priscilla ist hier nichts golden. Nur öde und beige. Das ist – auf einem anderen Level – dann auch nur ein ganz normales Frau­en­schicksal der Sech­zi­ger­jahre, wo mittelstän­di­sche Haus­frauen in den Einfa­mi­li­en­häu­sern zu »grünen Witwen« wurden. »Bleib zu Hause und halte den Herd warm«, sagt Elvis zu Priscilla, wenn er zum Dreh nach Hollywood muss oder auf Tour geht. Im Original sagt er: Keep the home fires burning – die patrio­ti­sche Durch­halte-Hymne aus dem ersten Weltkrieg ist eine Perfidie des Films. Die Zeile könnte auch aus einem Elvis-Song stammen (ist aber vom Briten Ivor Novello, der das Lied 1914 kompo­niert hat).

Viel­leicht aber ist es sogar inter­es­santer, was Coppola ästhe­tisch anstellt. Die Regis­seurin von The Bling Ring und Expertin für Kratzer in glän­zenden Ober­flächen insze­niert meis­ter­lich die Leere, die sich im Leben der Elvis-Braut auftut. Anders als in Marie Antoi­nette, einer anderen Einge­sperrten in ihrer Filmo­gra­phie, verzichtet sie hier auf das Exal­tierte, auf die Über­trei­bungen, auf die großen Gesten, wenn sie vom Leben Priscillas erzählt. Die ist von Nicht- und allen­falls Soft­farben umgeben. Man sieht, wie sie ins mensch­leere Wohn­zimmer starrt oder gelang­weilt aus dem Fenster. Das ist nicht sehr aufregend. Aber auch nicht klaus­tro­pho­bisch. Man schaut als Zuschauer einfach der Gelang­weilten zu. Dafür entschä­digen visuell die zahl­rei­chen Close-ups auf Finger- und Zehen­nägel, falsche Wimpern, hellblaue Lack-Pumps. Sie stili­sieren die Frau – unter dem Male Gaze von Elvis – zum Objekt, und erheben ihn insgesamt zum Fetisch und filmi­schen Hochglanz.

Coppola wieder­holt subtil auf ästhe­ti­scher Ebene, was sich im Leben Priscillas abspielt: Ihre Geschichte von der allein­ge­las­senen und von Elvis hinge­hal­tenen und verschmähten Ehefrau befrie­digt letzt­end­lich dann doch auch die Sensa­ti­ons­lust derje­nigen, die gerne in den Illus­trierten blättern – sei es beim Friseur in der »Gala«, sei es wie Priscilla in ihrem einsamen Wohn­zimmer, bis sie wieder auf eine Love Story über den »King« stößt, die ihr möglichst weh tut. Und der Film wird selbst zu dieser Illus­trierten, will auch diese Illus­trierte sein, wenn er über weite Strecken das Leben der Allein­ge­las­senen bebildert. Das Leben der Reichen und Schönen ist dann eben doch schön anzusehen.

Dazu ertönt: kein einziger Elvis-Song. Und über die ganze Filmlänge hinweg kein kompo­nierter Score. Die Abwe­sen­heit von Filmmusik macht Coppolas Phantasie über Priscilla dann wieder sehr wahr­haftig, wenn die Stille im Hause hörbar wird. Coppola bürstet den erwart­baren Sound­track, und hier ist sie Marie Antoi­nette dann doch wieder sehr nahe, konse­quent gegen den Strich. Bei der Auswahl der Songs hat sie sich (bzw. ihr Partner und Phoenix-Musiker Thomas Mars) vom Musik­pro­du­zenten Phil Spector inspi­rieren lassen, der in den Acht­zi­gern Cover­ver­sionen von Songs aus den Sech­zi­gern produ­zierte. Ramones’ »Baby, I Love You«, das auf die Ronettes von 1963 zurück­geht, ist ein Beispiel für das perfekte musi­ka­li­sche Vexier­spiel in Priscilla. Und erspart einem die Elvis-Songs, mit denen man sich durch Baz Luhrmanns Biopic Elvis hangeln durfte. Dies ist kein Elvis-Film. Punkt.

Am Schluss singt dann Dolly Parton »I will always love you« zur Fahrt in die Freiheit im roten Cabrio. Die Faszi­na­tion von Elvis ist für Priscilla dann doch zu groß, um sich wirklich von ihm loszu­sagen.

Priscilla allein zuhaus

Graceland ist überall: Sofia Coppolas Priscilla über die Frau von Elvis Presley ist ein typischer Coppola-Film über Sehnsüchte und Einsamkeit junger Mädchen

»Maybe we all have to survive our teenage dreams; the things we want at age 14 are rarely the best for the long term, and luckily, most of us don’t get them.«
Stephanie Zacharek

Es war einmal, eines Nach­mit­tags im Jahr 1959. Die erst 14-jährige Priscilla Beaulieu, Tochter eines US-Army-Offiziers im südhes­si­schen Bad Nauheim, wird in einem American Diner inmitten ihrer Schul­nach­mit­tags­lan­ge­weile von einem älteren Herrn ange­spro­chen: Ob sie Elvis Presley möge – eine fast schon naive Frage, denn längst war dieser der Schwarm aller Teenies der west­li­chen Hemispähre. Die nächste Frage des Herrn aber hat es in sich: Ob sie Lust hätte, am kommenden Freitag mit auf eine Party zu kommen und Presley persön­lich kennen­zu­lernen? Der »King of Rock'n'Roll« absol­vierte da gerade in der jungen Bundes­re­pu­blik seinen Wehr­dienst bei den US-Besat­zungs­truppen. Priscilla Beaulieu sagt nach kurzem Zögern zu und so wird für sie ein Traum wahr, den sie nie zu träumen wagte.

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Mit dieser Szene, die unschuldig-nett ist, zumal der fremde Herr, wie damals üblich, auch noch die Eltern um Erlaubnis fragt, und die zugleich offen schlüpf­rige Seiten hat, beginnt Priscilla. In ihrem neuen Film erzählt die Ameri­ka­nerin Sofia Coppola (Lost in Trans­la­tion) von einem erst 14-jährigen, aber lebens­klugen Teenager, der selbst nicht genau weiß, warum sich ein zehn Jahre älterer berühmter Rockstar für sie inter­es­siert. Aber weil es sich eben um Elvis Presley handelt, sagt man nicht Nein, erst recht nicht, als Elvis sie nach einigen weiteren Party­frei­tagen höflich fragt, ob sie seine Freundin sein möchte. Nach zwei Jahren keuscher Distanz­be­zie­hung ziehen die beiden zusammen, doch eine grund­sätz­liche Distanz, die nicht nur etwas mit dem Alters­un­ter­schied zu tun hat, bleibt weiter bestehen.

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Wüsste man nicht, dass sich dieser Film eng an die Auto­bio­gra­phie von Priscilla Presley, der Ex-Frau des »King« anlehnt, wäre das auch nicht weiter schlimm. Denn Priscilla ist vor allem ein typischer Coppola-Film: Keine brave Illus­tra­tion von Fakten, sondern eine klug-empa­thi­sche Medi­ta­tion über die univer­sale Einsam­keit junger Mädchen. Dies ist Coppolas großes Kinothema: Zwischen Graceland und den anderen Schau­plätzen von Coppolas Filmen, zu Versailles, dem »Park Hyatt Hotel« in Tokio und dem »Chateau Marmont« in Los Angeles, besteht kein großer Unter­schied. Dieser Film ist auch eine Feier des Luxus, des schönen Lebens und der Abwe­sen­heit von schlichten psycho­lo­gi­schen Kurz­schlüssen.

In Coppolas Kino gibt es immer ähnliche geschlos­sene Orte, fast frei­wil­lige Tren­nungen und Isola­tionen der Figuren vom Rest der Welt – aber norma­ler­weise neigen die Prot­ago­nis­tinnen ihrer Filme dazu, den Ort ihrer selbst­ge­wählten Gefan­gen­schaft bis zum Ende nicht zu verlassen. Diesmal ist es anders: Hier in Graceland findet der Entwick­lungs­pro­zess der Figur statt, den Coppola filmt: Intim, diskret, respekt­voll und sehr persön­lich. Wobei die Kamera mit den Augen und Gesich­tern der beiden Haupt­fi­guren auch jeden noch so kleinen Gesichtszug zeigt. Die Medi­en­seite von Elvis wird dagegen ignoriert. Er ist hier einfach ein Mann, ein Ehemann, verletz­lich, unfähig, auf seine Frau zu hören, zugleich dominiert von seinem Vater und seinem Manager.

Er ist vor allem ein asexu­elles Totem inmitten des testo­ste­ron­ge­la­denen Männer­bundes, der ihn ständig umgibt, einer, der zugleich junge weibliche Fans im Dutzend vernascht – weil er es kann. Dafür braucht der Mann auch gar keine Row Zero.

Priscilla allein zuhaus ist aber deshalb kein Opfer. Sie ist nicht zerbrech­lich, sondern so elastisch wie alle Menschen bei Coppola, deren Kino ohne Ausru­fe­zei­chen, Schlag­worte und »Themen«-Bedeu­tungs­hu­berei auskommt.

Coppola filmt kaum eine Szene mit Konfron­ta­tionen und Zusam­men­s­tößen, mit Schreien und Rufen à la Hollywood. Während Coppolas Elvis mit gedämpfter Stimme schwer fassbar ist, explo­diert Priscilla, auch wenn sie von Eifer­sucht und dem Gefühl, betrogen worden zu sein, durch­drungen ist, nie. Sondern sie wird reif für ihr Alter und alles Weitere verdichtet sich in ihrem enttäuschten, traurigen, resi­gnierten Blick.

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Gehüllt in perfekte pastell­far­bene Kostüme und wunderbar schwe­bende, unver­gleich­liche Musik­stücke, die übrigens auffal­lend selten von Elvis selber stammen, sondern anachro­nis­ti­scher, zeit­genös­si­scher Pop ist, wird dieser Entwick­lungs­pro­zess erzählt.

Getragen wird alles zugleich von der exzel­lenten, bisher wenig bekannten Cailee Spaeny in der Titel­rolle. Sie und Jacob Elordi als Elvis sind zwei der größten Stärken des Films. Sie sind wie Priscilla- und Elvis-Doubles aus einem Paral­lel­uni­versum, die ihren realen Vorbil­dern gar nicht einmal allzu sehr ähneln. In ihnen verbindet sich extreme Natür­lich­keit mit einer Art von Undurch­dring­lich­keit, auch zuein­ander. Es ist, als ob sich Priscilla und Elvis auch nach vielen Jahren des Zusam­men­le­bens und dem Einschlafen im selben Bett einfach nicht näher kommen könnten. Fast wie in einer realen Version von Ken und Barbie, defi­nieren sich auch diese Figuren über Mode und perfekte Kleidungs- und Fris­ur­wechsel, über den Feti­schismus mate­ri­eller Objekte – so erscheint Priscilla als ein unfrei­wil­liges, aber wichtiges Echo auf den Barbie-Welt­erfolg von Greta Gerwig.

Und zugleich liegt in dieser schwer­ver­s­tänd­li­chen Beziehung eine große Zärt­lich­keit, ein unver­gleich­li­ches Vertrauen.

Die Heldin, so wie Spaeny sie spielt, ähnelt in ihrer stillen Grad­li­nig­keit auf subtile Weise einer der selbst­mör­de­ri­schen Jung­frauen aus Coppolas Debüt The Virgin Suicides; aber der unmit­tel­bare Vorgänger von Priscilla im Werk der Regis­seurin ist Marie Antoi­nette – auch dies ein Biopic über eine uner­fah­rene histo­ri­sche Figur, die sich in ein wunder­schönes Leben stürzt, in dem sie Kuchen statt Brot isst, sich selbst aber immer zu verlieren droht.

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Coppolas visueller Ansatz wird durch den gesamten Stil des Films unter­s­tützt – betont dekorativ, voll­ge­stopft mit farben­frohen Arte­fakten, die in den Coppola-typischen, schnell-montierten Bild­se­quenzen ablaufen. Wir sehen in extremen Nahauf­nahmen ein Paar mit Gänse­blüm­chen geschmückter Stilettos, eine Dose »AquaNet«-Haarspray, eines »kitty-cat«-eyeliner, nackte Füße auf pinkem Teppich – versetzen die Zeit zurück in eine Mädchen­welt der Sech­zi­ger­jahre, in der das richtige Make-up und die richtigen Acces­soires das Schicksal bedeuten konnten. Die wich­tigsten Verän­de­rungen, die Priscilla in Graceland erlebt, sind keine seeli­schen, sondern eine neue Garderobe, unge­wöhn­liche Frisuren und Make-up. Das Äußere ist ihre Substanz, und Coppola findet dafür tolle, eindring­liche Bilder: Selbst wenn Priscilla in die Entbin­dungs­klinik geht, klebt sie ihre künst­li­chen Wimpern auf.

Aber das ist keine Ober­fläch­lich­keit, sondern eine bewusst gewählte Methode und das eigent­liche Thema all der filmi­schen Unter­su­chungen dieser Regis­seurin. Coppola versucht gar nicht, »hinter« die glänzende Hülle von Elvis Presley zu schauen, denn sie will ja zeigen – uns, aber auch ihrer Haupt­figur –, dass er nur aus eben dieser Hülle besteht.

Glamourös und einsam

Zwischen Glamour und Isolation, Hoffnung und Verzweiflung auf dem Weg zur eigenen Identität – ein intimes und postfeministisches Portrait von Priscilla Presley im neuen Film von Sofia Coppola

»Offenbar inter­es­siert mich Isolation. Als Versuchs­an­ord­nung. Als eine Situation, in der man von Über­gangs­zu­ständen erzählen kann, denn in meinen Filmen geht es nicht darum, zu sein, sondern zu werden.«
Sofia Coppola, in: Karin Nitz­schmann: »Hoffnung und Ausweg­lo­sig­keit in geschlos­senen Welten«

Die Füße mit den rotla­ckierten Nägeln, die farblich perfekt zum flau­schigen Hoch­flor­tep­pich passen, in dem sie beim Gehen versinken; eine junge Frau, die sich schminkt und die künst­li­chen Wimpern aufklebt; ein luxu­riöses Wohn­zimmer mit einem weißen Flügel – diese ersten Szenen gewähren dem Zuschauer einen kleinen Vorge­schmack auf Priscilla von Sofia Coppola. Der Film basiert auf der 1985 von Priscilla Presley veröf­fent­lichten Biogra­phie »Elvis and Me«, in der sie von ihrer Beziehung zu ihrem Mann Elvis Presley erzählt. Priscilla Presley war persön­lich an den Dreh­ar­beiten beteiligt. Es ist schwer zu sagen, inwieweit ihre Mitwir­kung die künst­le­ri­sche Freiheit von Sofia Coppola einge­schränkt hat, aber man erkennt definitiv Coppolas filmische Hand­schrift.

Die eigent­liche Handlung beginnt 1959 in Wiesbaden, wo der bereits weltweit berühmte Elvis Presley (Jacob Elordi) seinen mili­täri­schen Dienst leistet. Dort wohnt auch die 14-jährige Priscilla (Cailee Spaeny) mit ihren Eltern, ihr Stief­vater ist als Offizier der U.S. Air Force statio­niert. Eines Tages wird sie von einem Unbe­kannten zu einer Party ins Haus von Elvis Presley einge­laden. Dort lernt sie den 10 Jahre älteren Star kennen, der recht unsicher und gar nervös wirkt. Er will sie unbedingt wieder­sehen und scheint von ihrer unschul­digen, schüch­ternen Art angezogen zu sein.

Rasant entwi­ckelt sich zwischen den beiden eine (asexuelle) Beziehung. Nach einigen Monaten kehrt Elvis in die USA zurück, während Priscilla in Deutsch­land bleibt und ihr Leben wartend auf seine seltenen Anrufe verbringt. Einige Jahre später erlauben ihr die Eltern nach einigen Diskus­sionen, in seine Villa nach Graceland in Memphis zu ziehen, wo er ihnen hoch und heilig verspricht, dass Priscilla die Schule abschließen wird. Ab da lebt sie in seiner glamourösen Villa wie ein Vogel in einem goldenen Käfig.

Das wieder­keh­rende Motiv geschlos­sener Räume in Sofia Coppolas früheren Filmen findet auch hier seine Evidenz. Das Haus in Graceland ist tatsäch­lich eine geschlos­sene Welt, in die nur die Fami­li­en­an­gehö­rigen und Freunde von Elvis den Zugang haben. Priscilla irrt in der Villa meistens allein herum. Sie wirkt in der Mise-en-scène des luxu­riösen Wohn­zim­mers absolut verloren, durch dessen Größe der Kontrast zwischen ihrer Figur und dem Raum besonders ins Auge springt.

Priscilla
(Foto: Mubi)

Ein weiteres wieder­keh­rendes Motiv ist die weibliche Sexua­lität, über die trotz Priscillas Begehren allein Elvis bestimmt. Cailee Spaeny als Priscilla spielt über­zeu­gend sowohl das unsichere, naive, verträumte und bis über beide Ohren in Elvis verliebte 14-jährige Mädchen als auch die vulnerable junge Frau, die zunehmend an ihrem Leben an der Seite eines egozen­tri­schen Mannes zweifelt und schließ­lich eigene Entschei­dungen für ihr Leben trifft.

Es gibt viele Filme über die Rock’n’Roll-Legende Elvis Presley: Bereits letztes Jahr kam ein weiterer Film über ihn ins Kino, insze­niert von Baz Luhrmann (Elvis), der seinen Elvis erneut zum Strahlen brachte. Priscilla war zwar auch zu sehen, aller­dings in einer Neben­rolle. Sofia Coppola dreht den Spieß um und macht somit etwas ganz Post­fe­mi­nis­ti­sches: Sie insze­niert Elvis als Neben­figur in Priscillas Geschichte. Durch Priscillas Augen sehen wir den Star, der hier nicht ganz so gut wegkommt, was einer­seits innovativ, ande­rer­seits auch mutig ist. Seine Ängste, die ab und zu in Gewalt­aus­brüchen zum Ausdruck kommen, seine Abhän­gig­keit von drogenähn­li­chen Substanzen, seine Seiten­sprünge, seine dominante Art seiner Frau gegenüber – all das zeigt ihn in einem anderen, weniger strah­lenden Licht, was seinen Fans nicht so gut gefallen wird. Laut Regis­seurin war es jedoch keine Absicht, ihn zu verun­glimpfen, sondern vielmehr die Geschichte von Priscilla zu erzählen, in der seine mensch­li­chen Schwächen und seine private Seite fest­ge­halten wurden. Die Wahl des Schau­spie­lers Jacob Elordi für die Rolle von Elvis erscheint mir sehr spannend, denn seine nur gering­fü­gige Ähnlich­keit mit Elvis unter­streicht um so mehr bis dato unbe­kannte Seiten von ihm, Seiten, die nur seine Frau kannte und in ihrem Buch offen­barte.

An der Art, wie Sofia Coppola die Geschichte erzählt, erkennt man ganz deutlich ihre unver­wech­sel­bare Écriture féminine als Regis­seurin sowie ihr persön­li­ches Anliegen, die Wünsche und Begehren junger Frauen in einer von Männern domi­nierten Welt darzu­stellen.

So reiht sich der Film an die anderen Filme von Sofia Coppola, die aus weib­li­cher Perspek­tive und von Frauen erzählen (The Virgin Suicides, Marie Antoi­nette, Die Verführten etc.). Besonders finden sich unver­kenn­bare Paral­lelen zu Marie Antoi­nette. Die beiden Prot­ago­nis­tinnen sind am Anfang 14 Jahre alt, als sie eine für sie neue Welt der »Mächtigen« bzw. »Glamourösen« betreten – faszi­nie­rend und beängs­ti­gend zugleich. Beide machen den Übergang von den kleinen Mädchen zu den erwach­senen Frauen durch. Auch wenn Marie Antoi­nette eine deutlich komple­xere Geschichte ist, erkennt man dennoch auch bei Priscilla die Tendenz, eine neue Perspek­tive aufzu­zeigen, weibliche Adoles­zenz­ge­schichten neu zu erzählen sowie Frauen aus dem Schat­ten­da­sein der Männer­domäne ins Licht zu rücken.

Auch die Farb­pa­lette der Kostüme erinnert sehr stark an Marie Antoi­nette, wo pracht­volle Kleider und Schuhe mit dem pastell­far­bigen Interieur und den ähnlich farbigen Macarons und anderen obszönen Desserts abge­stimmt waren. Auch hier kreiert Tamara Deverell, die Produk­ti­ons­de­si­gnerin des Films, Priscillas Welt in Graceland aus Pastell­rosa, Babyblau und Creme­tönen. Alles ist farblich abge­stimmt, sogar die Farben der Pistolen, mit denen zum Zeit­ver­treib geschossen wird.

Durch die Kostüme und extra­va­ganten Frisuren, entworfen von der Kostüm­bild­nerin Stacey Battat, taucht man in die vergan­genen Zeiten ein. Viele Szenen mögen zum Teil wie Seiten aus einer glamourösen Mode­zeit­schrift erscheinen, aber »Elvis und Priscilla waren eben sehr mode- und stil­be­wusst«, so Coppola. So wie bei Marie Antoi­nette werden auch hier die Looks der drei Jahr­zehnte ihres gemein­samen Lebens mit Liebe zum Detail kreiert: Sogar Modehäuser wie Chanel und Valentino waren an den Krea­tionen beteiligt.

Hier wird eindeutig die Exzentrik einer jungen Frau ausgelebt, die sich in diesem Traumhaus einsam und gefangen fühlt und nicht weiß, was sie mit sich anfangen soll – so vertreibt sie ihre Zeit mit Herum­streifen durch Boutiquen und Friseur­sa­lons. Das war auch bei Marie Antoi­nette der Fall. Vor allem aber ist Priscillas Stil­wechsel im Laufe der Zeit ein wichtiger Indikator für die Entwick­lung ihrer Persön­lich­keit, ihr Erwach­sen­werden und ihre Eman­zi­pie­rung von ihrem Mann.

Wenn es Sofia Coppola ums »Werden« geht, dann ist es ihr durchaus gelungen, ein post­fe­mi­nis­ti­sches Portrait einer Frau zu schaffen, die durch schmerz­hafte Erfah­rungen an der Seite einer schwie­rigen, von vielen (sie selbst inklusive) vergöt­terten Persön­lich­keit einen riesigen Entwick­lungs­pro­zess auf der Suche nach ihrer eigenen Identität durch­macht, indem sie lernt, den Mythos der Rock’n’Roll-Ikone für sich selbst zu entzau­bern. Mögli­cher­weise werden einige von uns das auch tun.