Plötzlich Prinzessin

The Princess Diaries

USA 2001 · 114 min. · FSK: ab 0
Regie: Garry Marshall
Drehbuch:
Kamera: Karl Walter Lindenlaub
Darsteller: Julie Andrews, Anne Hathaway, Hector Elizondo, Heather Matarazzo u.a.
Korrumpierender Luxus

Seit es das Kino gibt, haben dort auch die Prin­zes­sin­nen­träume ihren festen Platz. Kein Film vermochte ihnen ideal­ty­pi­schere Gestalt zu geben, als 1950 Walt Disneys Anima­ti­ons­stück Cinde­rella, eine von knapp 20 Verfil­mungen, die das Grimmsche-Märchen vom Aschen­puttel nach Amerika trans­fe­rierten (und die elen­der­weise immer pünktlich zur Weih­nachts­zeit ins Kino kommen, erinnern wir uns einmal kurz an Drew Barrymore vor drei Jahren in Ever After), und in dessen Haupt­figur sich all die Aufstiegs­träume der vielen Aschen­puttel im Publikum bündeln durften, die auch darauf hofften, eines Tages aus ihrem Alltag erlöst zu werden, und sich unver­se­hens in eine strah­lende Prin­zessin verwan­deln zu können.

Gerade demo­kra­tisch-egalitäre Gesell­schaften wie die der Verei­nigten Staaten scheinen für die aris­to­kra­ti­sche Utopie natur­ge­ge­bener Ungleich­heit besonders anfällig zu sein. Ohne jahr­hun­der­te­lange Erfahrung mit den tatsäch­li­chen Schrecken absoluter Fürs­ten­herr­schaft darf man sich hier, wie es scheint, ganz unver­mit­telt für den äußeren Glanz des Monar­chi­schen begeis­tern – wie zuletzt noch die Anteil­nahme der Ameri­kaner für das Schicksal der »People’s Princess« Diana bewies. Und spätes­tens die nahtlose Verwand­lung des Filmstars Grace Kelly in die mone­gas­si­sche Fürstin Grazia Patrizia in den 50er Jahren belegte, wie nahe sich auch die Show­in­dus­trie Holly­woods seit jeher der könig­li­chen Insze­nie­rungs­kunst fühlt.

An Grace Kelly und das Grimaldi-Fürs­tentum Monaco muss man auch in Garry Marshalls neuestem Film denken. Dort ist es der fiktive Klein­staat Genova, der vom Stamme der Rinaldis regiert wird. Doch die Herrscher­linie droht auszu­sterben, also reist Königin Clarisse (von Julie Andrews mit würdigem Under­state­ment gespielt) in die USA um den an der Westcoast lebenden letzten Sproß der Familie zu reak­ti­vieren. Bisher hat Mia, die unehe­liche Tochter von Clarisses verstor­benem Sohn, keine Ahnung von ihrer Herkunft. Doch plötzlich ist sie Prin­zessin.

Es bedarf einigen Aufwandes, um diese kompli­ziert und nicht eben glaub­würdig konstru­ierte Geschichte in Bewegung zu setzen, und anfangs knirscht es mitunter vernehm­lich im Komö­di­en­ge­bälk. Dann aber hat Regisseur Garry Marshall alle Pflöcke einge­schlagen, um das zu erzählen, was er immer wieder und am liebsten erzählt: die Verwand­lung des häss­li­chen Entleins in den präch­tigen Schwan, die Befreiung einer Frau (von was?) durch Bekenntnis zur Weib­lich­keit (welcher?) und Ehe. In Pretty Woman, Marshalls nach wie vor größtem Kassen­er­folg, hatte das durch die Entde­ckung von Julia Roberts und durch Richard Gere noch einigen Charme, in Die Braut, die sich nicht traut (Runaway Bride), der verkrampft versuchte, diesen Erfolg zu wieder­holen, überwog schon Vorher­seh­bares, diesmal erscheint alles endgültig ausge­leiert – so über­ra­schungslos plät­schert die Story dahin, so lahm und unin­ter­es­sant ist Plötzlich Prin­zessin insze­niert. Allein manche Schau­spie­ler­leis­tungen – Anne Hathaway in der Haupt­rolle, Julie Andrews und Hector Elizondo – trösten über einiges hinweg. Ansonsten domi­nieren altbe­kannte Klischees, denen Marshall nichts Neues abzu­ge­winnen vermag.

Erzählt wird Plötzlich Prin­zessin völlig aus der Perspek­tive der jungen Mia. »Hör auf zu träumen.« rät ihr die Mutter schon im ersten Satz, aber gewiß hat die 15jährige, die in einem Villa-Kunter­bunt-artigen Wohn-Atelier im Post-Hippie-Milieu von San Francisco lebt, andere Flausen im Kopf, als die, eines Tages als Königin zu regieren. Der Song im Hinter­grund – »I am supergirl. Who’s gonna save me?« – verweist schon darauf, dass die Rettung aus solchen Umständen in diesem Fall von Außen kommen muss.
Man erfährt schnell, dass das etwas unschein­bare Mädchen auch in der Schule eine Durch­schnitts­e­xis­tenz lebt, dass die schöneren, aber charak­ter­losen Klas­sen­ka­me­ra­dinnen sie verachten – auch dies eine Analogie zu Aschen­put­tels bösen Schwes­tern. Schon zu Beginn krankt Marshalls Insze­nie­rung daran, dass er versucht, die Atmo­s­phäre einer altmo­di­schen romantic comedy mit dem derberen Humor eines Teenager-High-School-Films zu verbinden. Eines Tages soll Mia an der Schule einen Vortrag über Schul­uni­formen als Mittel sozialer Gleich­heit halten. Doch bevor sie richtig beginnen kann, muss sie sich übergeben – offenbar liegt ihr das Aris­to­kra­ti­sche bereits dermaßen im Blut, dass der Körper gegen das Thema rebel­liert.

Als Mia dann von ihrer Groß­mutter über ihre wahre Herkunft aufge­klärt ist, bedarf es nur kurzen, eher pflicht­ge­mäßen Sträubens, bevor sie in die Ausbil­dung für ihre neue Rolle einwil­ligt. Nebenbei werden noch die ältesten ausge­fransten Hüte des Monar­chismus hervor­ge­holt: Eigent­lich heißt herrschen nämlich »Opfer bringen«, sind die Royals von Genova allein durch Liebe für Land und Volk und durch Selbst­dis­zi­plin motiviert.
Im Folgenden wird man Zeuge von Mias – keines­falls besonders witzigem – Verwand­lungs­pro­zess. »Werde, der Du bist« à la Hollywood. Die fällige Perfek­tio­nie­rung des Objekts Frau, die Hollywood so liebt, wie weniges sonst, wird hier ziemlich uner­träg­lich zele­briert: Mia muss ihren Wider­spruchs­geist ablegen und Make-up auftragen, aus natür­li­chen Locken müssen »schöne« glatte Haare werden. Garniert wird das mit kleinen Scherz­ein­lagen wie dem obli­ga­to­risch eitlen Friseur, oder einem Fall Mias vom Stuhl, als sie versucht, korrekt zu sitzen – das unfrei­wil­lige Portrait sozialer Verhält­nisse als Abrich­tungs­ma­schine, wie sie Michael Haneke aber ungleich eindrucks­voller zele­briert hat.

Es ist bemer­kens­wert: Eine Gesell­schaft, die gegen Menschen­klonen und gene­ti­sche Mani­pu­la­tion des Einzelnen eintritt, macht in einem Film wie Plötzlich Prin­zessin aus der alltäg­li­chen sozialen Mani­pu­la­ti­ons­praxis einen Komö­dienstoff und damit klamm­heim­liche Tugend. Der Vorwurf von Mias bester Freundin: »Früher war es Dir wichtiger, was in Deinem Kopf ist, als drauf.« ist für den Zuschauer nicht völlig von der Hand zu weisen, dient aber im Film nur als rheto­ri­sche Floskel, die keinen anderen Zweck hat, als den, flugs widerlegt zu werden.
Nach dem Happy-End hat man gelernt, das Frauen letztlich durch Luxus doch kurrum­pierbar sind. Und durch Macht. In einem Moment des Zweifelns wird Mia nämlich mit dem Argument zum Thron geraten, dort habe sie »die Macht, Verän­de­rungen zu bewirken. Wie viele Teenager haben das schon?« – aber was soll Mia von Genova wohl verändern, wenn doch selbst ein Garry Marshall, der sich in Hollywood eine Menge erlauben könnte, gar nichts wagt?