Der phönizische Meisterstreich

The Phoenician Scheme

USA/D 2025 · 105 min. · FSK: ab 12
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: ,
Kamera: Bruno Delbonnel
Darsteller: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks u.a.
Der phönizische Meisterstreich
Wenn der Film zum Gemälde wird...
(Foto: Universal)

Too much of nothing

Wes Andersons bestätigt in seiner Tragikomödie seine Vorlieben für manierierte Gedankenspiele, extravagante Kinematographien und ein dadaistisches Staraufgebot. Das ist selten komisch und zutiefst zwanghaft

Too much of nothing
Can turn a man into a liar
It can cause one man to sleep on nails
And another man to eat fire
Ev’rybody’s doin’ somethin’
I heard it in a dream
But when there’s too much of nothing
It just makes a fella mean

– Bob Dylan & The Band, Too Much of Nothing (The Basement Tapes)

Wer Wes Andersons letzte Filme Asteroid City (2023), The French Dispatch (2021) oder seinen letzten großen Erfolg Grand Budapest Hotel (2014) gesehen hat, wird durch Andersons Der phöni­zi­sche Meis­ter­streich, der gerade im Wett­be­werb in Cannes seine Premiere gefeiert hat, nicht über­rascht werden. Er kriegt das, was er erwartet hat, ja viel­leicht sogar noch ein wenig mehr, denn wenn überhaupt etwas an Der phöni­zi­sche Meis­ter­streich über­rascht, dann, dass Wes Anderson noch einen kleinen Schritt weiter gegangen ist und sein so manie­riertes wie kunst­volles, selbst­ver­liebtes Kino noch ein wenig grotesker und surrea­lis­ti­scher gestaltet hat.

Das Narrativ bei Anderson ist dabei inzwi­schen nicht mehr als ein redu­zierter Aufhänger für dalieske, magritte­sche Bausteine, die zu dada­is­tisch-grotesken Klau­be­reien verschwur­belt werden. In diesem Fall fanta­siert Anderson zusammen mit Roman Coppola vom wohl­ha­benden Busi­nessman Zsa-Zsa Korda (Benicio del Toro), der mit Geschäften in der Rüstungs- und Luft­fahrt­branche zu einem der reichsten Männer Europas geworden ist und durch eine neue Geheim­un­ter­neh­mung ins Visier eines intri­ganten Tycoons, auslän­di­scher Terro­risten und zu allem entschlos­sener Atten­täter gerät, die immer wieder versuchen, Zsa-Zsa Korda zu ermorden. Deshalb ernennt er seine einzige Tochter Liesl (Mia Threa­p­leton), eine Nonne, zur Allein­erbin seines Vermögens, um im schlimmsten Fall zu retten, was seine dämo­ni­schen Ideen bisher geschaffen haben. Auf dem Road- und Flight-Trip, den er mit Liesl unter­nimmt, um sein Unter­fangen zu sichern und Liesl moralisch zu korrum­pieren – sie ist ja eine Nonne –, treffen sie auf etliche Geschäfts­partner, die allesamt von Holly­wood­größen gespielt werden. Das aber natürlich in Andersons ganz beson­derem Zirkus und Kurio­si­tä­ten­ka­bi­nett als Monster und Freaks mit aufge­setzt zele­brierten Dialogen, die vor trockener, künst­li­chere Energie nur so krachen. Damit eröffnet Anderson wie immer ein schönes Suchspiel. Ist das jetzt wirklich Michael Cera, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Bill Murray, Benedict Cumber­batch oder Charlotte Gains­bourg?

Anderson bettet die von seinem Personal aufge­sagten Dialoge in ein wie stets liebevoll arran­giertes, museales Panop­tikum ein, mit immer wieder auftau­chenden Original-Gemälden aus der Hamburger Kunst­halle, das über zise­lierte Kame­ra­ein­stel­lungen selbst zu einer Anein­an­der­rei­hung filmi­scher Gemälde wird. Ein wenig abfallen tun allein die Szenen im Himmel, wo sich Korda in flüch­tigen Todes­mo­menten vor dem Jüngsten Gericht für seine Sünden recht­fer­tigen muss, nur, um im nächsten Moment wieder von den Toten aufzu­er­stehen.

Das sind natürlich best­ge­meinte Kalau­er­mo­mente, die aber derartig gehäuft und vorher­sehbar sind, dass man sich dabei nach Oskar Panizza und seinem Liebes­konzil sehnt, um endlich wieder an etwas Rele­vantes denken zu können.

Denn das ist es viel­leicht, was in Andersons Der phöni­zi­sche Meis­ter­streich am meisten stört: das Zuviel, ja das Zwang­hafte der vielen grotesken, witzigen, ironi­schen, neun­malklugen Bonmots, seien sie filmi­scher, erzäh­le­ri­scher, philo­so­phi­scher oder auch schau­spie­le­ri­scher Natur. Dieses Zuviel ist bei aller über­mäßigen Kontrolle, die Anderson auf eigent­lich alles ausübt, das, was ihm letzt­end­lich außer Kontrolle gerät, so dass sich am Ende das Zuviel in schlichtweg nichts auflöst.