The Persian Version

USA 2022 · 108 min. · FSK: ab 12
Regie: Maryam Keshavarz
Drehbuch:
Kamera: André Jäger
Darsteller: Layla Mohammadi, Niousha Noor, Kamand Shafieisabet, Bijan Daneshmand, Bella Warda u.a.
Iran liegt in den USA...
(Foto: Sony)

Macht und Erlösung

Maryam Keshavarzs Culture-Clash-Komödie ist tragikomisches Coming-of-Age, politisch korrekt und überrascht mit ein paar Ecken und Kanten

Culture-Clash-Komödien gehen eigent­lich immer und immer besser, ist doch unsere ganze Welt inzwi­schen ein einziger Culture-Clash. Kein Wunder also, dass dieses Genre inzwi­schen nicht nur und weiterhin die klas­si­schen Migra­ti­ons­ziele wie die USA (Und dann kam Dad, 2023), Frank­reich (Tenor, 2022 oder Monsieur Claude und sein großes Fest, 2021) oder Deutsch­land (Träume sind wie wilde Tiger, 2021) bedient, sondern inzwi­schen auch andere Kultur­räume wie China (Joy Ride, 2023) oder Nigeria (Namaste Wahala, 2020) ins Visier nimmt.

Maryam Kesha­varzs Variante, die nicht nur 2023 den Sundance Publikums- und Dreh­buch­preis gewann, sondern auch das Münchner Filmfest 2023 eröffnen durfte, erzählt von der irani­schen Diaspora in den USA, also von einem der klas­si­schen Migra­ti­ons­ziele, besonders für die Iraner, die Ende der 1970er nach dem Sturz des Schahs in alle Welt flüch­teten.

In The Persian Version ist es aller­dings die zweite Gene­ra­tion der Einge­wan­derten, die im Zentrum von Maryam Kesha­varzs auto­fik­tio­naler Geschichte steht. Leila (Layla Mohammadi) ist wie Keshavarz Filmer­ma­cherin und zwischen der Ursprungs­so­zia­li­sie­rung ihrer Eltern und der inzwi­schen vertrau­teren ameri­ka­ni­schen Kultur hin- und herge­rissen. Als sie erfährt, dass sie durch einen One-Night-Stand schwanger geworden ist, eskaliert die Situation, da sie sich nicht nur um sich und den Kinds­vater, sondern auch um ihren herz­kranken Vater kümmern muss, dessen kritische Situation und die bevor­ste­hende OP die ganze Groß­fa­milie zum ersten Mal seit langem wieder zusam­men­führt.

Diese Situation ist ähnlich insze­niert wie die Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung während des jüdischen Shiva-Begräb­nis­ri­tuals in Emma Seligmans Shiva Baby. So wie bei Seligman, deren Prot­ago­nistin kulturell ähnlich zwischen den Stühlen steht, wird bis zur erzäh­le­ri­schen Klimax – der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung – vor allem von der Macht fami­liärer Schwei­ge­kultur gespro­chen, die durch die Katharsis einer Krise gebrochen und letzt­end­lich durch den Sprechakt zu Selbst­er­mäch­ti­gung und Befreiung führt. Aber Keshavarz zeigt auch, dass diese Situation keine Einzel­the­rapie und singuläres Coming-of-Age, sondern ein alle invol­vie­render grup­pen­the­ra­peu­ti­scher Prozess ist, in dem alle Betei­ligten vor allem auch Empathie lernen, um den Anderen in seinem Andersein zu verstehen und zu respek­tieren.

Doch anders als Seligman insze­niert Keshavarz ihre in hohem Tempo dahin­ra­sende Tragi­komödie immer wieder mit Brüchen, bindet über Flash­backs von Leilas Eltern und ihrer Groß­mutter auch eine sehens­werte histo­ri­sche Kompo­nente mit ein und benutzt Brechts gerade wieder sehr in Mode gekommene V-Effekte des epischen Theaters erratisch, um dem Zuschauer zu demons­trieren, dass letzt­end­lich jede hier darge­stellte Perspek­tive eine persön­liche ist und niemals allge­mein­gültig sein kann.

Dabei bewegt sich The Persian Version mit seinen spitzen und klugen Dialogen auf ganzer Linie politisch völlig korrekt, was dann und wann ein wenig nervt, hätte ein wenig selbst­kri­ti­sche Dekon­struk­tion der New Yorker Bubble und ihrer mora­li­schen Queerness dem Film gut getan, wäre es so angenehm wie über­ra­schend gewesen, wenn nicht nur das sozio­kul­tu­rell bedingte Schweigen von Leilas Familie als Zünd­grund­lage der entfachten Streich­hölzer gedient hätte. Andrer­seits ist es viel­leicht nur so möglich, am Ende die Feelgood-Momente zu erzeugen, die es braucht, um so etwas von der ja so wichtigen Hoffnung in den Raum zu stellen, dass Assi­mi­lie­rung jedweder Art immer möglich ist. Voraus­ge­setzt wir reden.