Outsourced

USA 2006 · 101 min. · FSK: ab 0
Regie: John Jeffcoat
Drehbuch: ,
Kamera: Teodoro Maniaci
Darsteller: Josh Hamilton, Ayesha Dharker, Larry Pine, Asif Basra, Matt Smith u.a.
Farbige Fettnäpfchen

Ein Amerikaner in Gharapuri

Sie sollten flexibel, orts­un­ge­bunden und idea­ler­weise mit einem PKW ausge­stattet sein, liest der Arbeit­su­chende heute in den Stel­len­aus­schrei­bungen. So viel Unsi­cher­heit klingt beängs­ti­gend. Aber zumindest ist man auf die nicht vorhan­dene Lange­weile in der Arbeits­welt vorbe­reitet. Was Todd Anderson wahrlich nicht behaupten kann.

Von einem Tag auf den anderen ist Todds neuer Arbeits­platz um rund 12 500 Kilometer verlegt worden. Und er findet sich dabei, obwohl auf der Leinwand, in der Realität heutiger Wirt­schafts­po­litik wieder. Erschre­ckend nüchtern erzählt sein Manager von der Umstruk­tu­rie­rung, in deren Rahmen die von Todd geführte Call-Center Abteilung des Versand­un­ter­neh­mens Western Novelty aus dem heimi­schen Seattle nach Indien verlegt wird. Die Gründe für das Outsour­cing sind eindeutig: Kosten­re­du­zie­rung. Arbeits­kräfte sind in Indien in Fülle vorhanden und somit ist Todd der einzige Über­le­bende seiner Abteilung. Auser­koren, um seinen indischen Nach­folger einzu­ar­beiten. Wirklich auser­koren? Wohl kaum, denn die ange­drohte Kündigung verhin­dert eine wirklich neutrale Entschei­dungs­wahl. Kurz darauf steht Todd am Flughafen in Mumbai. Und er ist solange verdammt zu bleiben, bis die MPA (Minuten pro Auftrag) von ökono­misch verhee­renden 15 auf 6 geschrumpft ist. Was nun folgt ist die allmäh­liche Annähe­rung des gefrus­teten Ameri­ka­ners Todd an eine ihm völlig neue Kultur.

Regisseur John Jeffcoat schafft in seinem Debütfilm eine humor­volle und überaus realis­ti­sche Insze­nie­rung einer zeit­genös­sisch brisanten culture-clash-Episode. Das Endpro­dukt siedelt irgendwo zwischen dem schwer­wie­gendem Drama von Mira Nair The Namesake (2006) und July Delpys sprit­ziger Neuro­ti­ker­studie 2 Days in Paris (2007). Jeffcoats erster Kunst­griff ist dabei die Besetzung von Todd mit Josh Hamilton, einem verhält­nis­mäßig unbe­kanntem Gesicht Holly­woods. Hamiltons eigene Schüch­tern­heit hilft, den Realismus der Erzählung aufrecht­zu­er­halten. Kein arro­gantes Augen­ver­drehen vermurkst hier die erfri­schenden Pointen, in denen sich kühle Wirt­schaft­lich­keit mit jung­fräu­li­chem Wirt­schafts­wachstum paaren. Und so gewinnen Haupt­dar­steller und Prot­ago­nist glei­cher­maßen an Sicher­heit.

Die MPA sinkt und erreicht schließ­lich das gefor­derte Minimum. Was bei dieser schon fast natur­ge­ge­benen Entwick­lung immer wieder über­rascht, sind die gut beob­ach­teten Kultur­kon­flikte, die Todd durch­läuft. Man spürt, dass sich der Regisseur mehr als nur mit der Materie ausein­an­der­ge­setzt hat. Er lebt sie. Ein Blick in seine Biografie verrät zahl­reiche Aufent­halte in Südasien, sowie themen­be­zo­gene Kurz­film­pro­jekte. Nur so lassen sich die charmant insze­nierten Fett­näpf­chen erklären, in die Todd auf seiner Reise in die indische Kultur immer wieder tritt. Darunter der verzwei­felte Versuch, die Funktion eines Rinder­brand­ei­sens zu erklären vor einer ungläu­bigen Beleg­schaft vege­ta­ri­scher Hindus. Oder die Schwie­rig­keit, seinen indischen Gast­ge­bern ausein­an­der­zu­setzen, was Kitsch ist. Als Ange­stellter von Western Novelty arbeitet Todd für ein Unter­nehmen, das ameri­ka­ni­schen Kitsch in Perfek­tion verkauft: das Sortiment reicht von klobigen, Gouda-gelben Käsehüten über surreal verformte Weiß­kopf­ad­ler­ke­ra­miken bis zu schil­lernden Tisch­de­cken mit Stars-and-Stripes Muster.

Dass Jeffcoat die Adaption seiner Beob­ach­tungen gelungen ist, bestä­tigen die zahl­rei­chen Festi­val­preise für diese erstmals 2006 gezeigte Kultur­komödie. Der Film erhielt Publi­kums­preise unter anderem auf den Festivals in Bend, San Jose (Cinequest), Palm Springs wie auch in Seattle. In Palm Springs gewann Jeffcoat für sein Erst­lings­werk zudem den begehrten John Schle­singer Award.

Dennoch merkt man dem Jung­re­gis­seur sein noch fehlendes Selbst­ver­trauen an. Denn Jeffcoat scheut sich offen­sicht­lich, bestimmte Szenen in die Länge zu ziehen. Zu kurz erscheinen die inten­siven Szenen vom bezau­bernden Holi Feiertag, dem Fest der Farben. Und enttäu­schen den Zuschauer, der sich gerade in Insze­nie­rung und Thematik zu verlieben beginnt. Ebenfalls verwirren die unbe­hol­fenen Annähe­rungs­ver­suche zwischen Todd und seiner treuesten Mitar­bei­terin Asha (Ayesha Dharker), die schon auf Dreh­bu­ch­ebene stocken. Dies mag jedoch mit der Tatsache zusam­men­hängen, dass Jeffcoat und sein Dreh­buch­partner George Wing sich nicht einig sind, in welche Richtung ihre Geschichte nun schwenken soll. Komödie oder Romanze? Das Publikum im Kinosaal, wie auch auf den Festivals, scheint generell den humor­vollen Ton inmitten der brisanten Thematik zu schätzen. Und obwohl das roman­ti­sche Geplänkel zwischen den Prot­ago­nisten jair­gendwie kitschig wirkt, überzeugt der Ausgang der Geschichte wiederum durch den mutigen Bruch mit gängigen Holly­wood­kon­ven­tionen. Denn Todd verliert letzt­end­lich doch seinen Job. Weil er sich weigert, dasselbe Spiel der Nach­fol­ger­ein­ar­bei­tung in China neu zu beginnen. Und auch die komplexe Beziehung zu Asha findet kein Happy End. Während Asha dem tradi­tio­nellen Ruf in die arran­gierte Ehe folgt, kehrt Todd allein in seine Jung­ge­sel­len­woh­nung in Seattle zurück. Indem Todd seine Indie­ner­fah­rungen lediglich in Gedan­ken­form nach Hause bringt, bewahren Jeffcoat und Wing den Realismus ihrer Geschichte. Einfalls­reich symbo­li­sieren sie seinen Persön­lich­keits­ge­winn, indem er nost­al­gisch in seiner Wohnung ein Drittes Auge auf ein Bild von George Washington klebt.

George Wing ist es zu verdanken, dass das von ihm mitver­fasste Drehbuch nicht in die Hände von ausnahmslos profit­ori­en­tierten Holly­wood­stu­dios geriet. Aufgrund seines Dreh­bu­ch­erfolgs zu 50 First Dates (2004) und dem daraus resul­tie­renden Mitspra­che­recht im Produk­ti­ons­pro­zess schaffte er es, Jeffcoat zu seinem Regie­debüt zu verhelfen. Eine Tatsache, die große Studios sicher­lich von vorn­herein vereitelt hätten. Und so erklärt sich die unab­hän­gige Produk­tion des Films, der komplett vor Ort, in der größten Film­in­dus­trie der Welt gedreht wurde. Einen Großteil des Produk­ti­ons­teams rekru­tierten die ameri­ka­ni­schen Filme­ma­cher in Indien. Wenn es auch hier der künst­le­ri­schen Freiheit dien­teauch das ist eine Form von Outsour­cing.