Japan 2008 · 130 min. · FSK: ab 12 Regie: Yôjirô Takita Drehbuch: Kundo Koyama Kamera: Takeshi Hamada Darsteller: Masahiro Motoki, Tsutomu Yamazaki, Ryoko Hirosue, Kazuko Yoshiyuki, Kimiko Yo u.a. |
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Der im März mit dem Oscar preisgekrönte und mit insgesamt zehn Auszeichnungen bei den japanischen Filmpreisen überhäufte Film überrascht einerseits mit einem ungewöhnlichen und gut ausgearbeitetem Sujet, bleibt aber gerade aufgrund seiner zahlreichen Auszeichnungen hinter den Erwartungen zurück.
Vorbei der Traum von einer Existenz als berühmter Cellist: Daigo wurde eben erst in einem Orchester engagiert, das aber aufgrund ausbleibender Zuschauer den Betrieb einstellen muss. Aus Ermangelung einer beruflichen Alternative geben er und seine Frau die Wohnung in Tokio auf und ziehen in das Haus der vor zwei Jahren verstorbenen Mutter in einer Kleinstadt. Eine Zeitungsannonce verheißt ihm die baldige Aussicht auf einen interessanten Job: guter Lohn bei geringem Aufwand, willkommen auch derjenige, der kaum Erfahrung mitbringt. Lediglich die Beschreibung ist unpräzise und lädt zu Spekulationen ein. Daigo bewirbt sich und erhält prompt den neuen Job. Erst während des Gesprächs wird allerdings klar, dass es sich nicht – wie von ihm angenommen – um eine Art Reisebegleitung, sondern um die »letzte Begleitung« handelt – eine bestatterische Tätigkeit, durch die der Leichnam im Rahmen einer Zeremonie feierlich gekleidet und wie zu Lebzeiten geschminkt wird, so dass sich die Hinterbliebenen gebührend von dem Verblichenen verabschieden können.
Nokan verwebt mehrere Themen – mehr oder weniger geschickt – ineinander. Da ist einerseits das schmerzliche Thema des Vaters, der die Familie in jungen Jahren verlassen und sich seitdem nicht mehr gemeldet hat. Der Schmerz sitzt dem sensiblen Daigo noch immer tief in den Knochen – er wird nur ungern auf seinen Erzeuger angesprochen.
Daran eng gebunden das Thema der Familie; der Großteil seines jetzigen Lebens scheint auf seine Frau gerichtet; sie verkörpert das
Idyll, nach dem er sich als Kind gesehnt hat. Das Ehepaar bemüht sich rege um seine eigene, kleine familiäre Welt. Auch Daigos Rückschlag aufgrund des verlorenen Jobs scheint das Paar nicht aus der Bahn zu werfen – beide ziehen in die Kleinstadt in der sicheren Zuversicht, einen ansprechenden Rahmen zu finden.
Als drittes Thema die Suche nach dem eigenen, seinem Weg: Daigos großer Traum, das Leben eines berühmten Künstlers zu führen, scheitert bereits bei seiner ersten Anstellung
in einem Orchester; auch sieht er sich nicht ausreichend talentiert, diesen Weg weiter zu verfolgen. Er verkauft sein teuer erstandenes Cello, doch statt dies zu bereuen, fühlt er sich sogar eigenartig befreit. Wohin ihn die berufliche Reise führt, bleibt ihm allerdings zunächst verborgen.
Aneinander gebunden sind diese Themen durch die schicksalhafte Wahl des neuen Broterwerbs. Der Beruf als »Zeremonienmeister« bei Bestattungen ist nicht eben das, was sich Daigo als berufliche Erfüllung vorstellt; viel schlimmer noch – die Wahl seines neuen Broterwerbs muss er Mika, seiner Frau, verheimlichen, weil er befürchtet, dass sie es nicht akzeptiert. Nicht nur sie, auch Andere missbilligen offensichtlich seinen neuen Weg. Einzig und allein sein Chef – Fels in der Brandung, abgehärtet durch die stetige Konfrontation mit dem Tod – sieht in Daigo den Berufenen. Und wahrlich – nach anfänglichen Widerständen – dem Ekel vor einer fast verwesten Leiche, einem Familienstreit, der beim Anblick der nicht originalgetreu geschminkten verstorbenen Tochter entbricht, einem Gehängten, der mitten in der Nacht beerdigt werden muss, erlernt Daigo allmählich von seinem Vorgesetzten das Feingefühl und die Würde, die sich hinter diesem Beruf verbirgt. Das würdige Zeremoniell beginnt mit der rituellen Waschung, im Anschluss daran wird der Verstorbene geschickt in würdevolle Gewänder gehüllt und schließlich geschminkt. Für die Hinterbliebenen ist dieser Akt von so tiefgreifender Bedeutung, dass sie oft mehrfach nach der Zeremonie ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Der Zauber, der diesem Ritus innewohnt, überträgt sich auch auf den Zuschauer. Gebannt folgt man Daigo, wie er zusehends geschickter bei seinen rituellen Handlungen vorgeht und an Würde gewinnt. Fast glaubt man selbst, es sei ein Muss, die Toten auf diese Weise letztmalig herzurichten; nur dann scheint es wahrhaft möglich, von Ihnen Abschied zu nehmen. Auf diese Weise erscheint der Tod akzeptabler – er verliert an Hässlichkeit und Brutalität.
Es erstaunt nicht, dass gerade diese Berufung Daigos, die er zusehends perfektioniert, letztlich auch dazu führt, die drei wesentlichen Konflikte und Themen, die ihn quälen, aufzulösen – der alte, stets schwelende Konflikt mit dem Vater, seit dieser den Sohn verlassen hat, der Konflikt mit seiner Ehefrau, die seinen neuen Beruf nicht akzeptieren will, ihn sogar verlässt, als er nicht einlenkt, den Beruf aufzugeben und die Ungewissheit, seinen eigenen Weg zu finden. Seine Konflikte und Lebensthemen verlieren sich im Angesicht des Todes.
Auch wenn es dem Regisseur gelungen ist, die Anmut eines ausgefallenen Berufs darzustellen und die Konflikte des Protagonisten darin zu verweben, sie letztlich auch aufzulösen, so darf dies jedoch nicht über dramaturgische Schwächen des Films hinwegtäuschen. Gerade dem zweiten Drittel mangelt es an erzählerischem Elan, an einer Dynamik, die den Zuschauer fesselt, sei es durch die Kausalität, die auf ein klares Ziel hin gerichtet ist oder durch das geschickte Ein- und
Ausarbeiten von Nebenhandlungen. Geradezu aufgedrängt hätte sich an dieser Stelle die Episode seiner Frau, die ihn verlässt, als Daigo seinen Beruf nicht aufgeben will. Dass er sich in keinster Weise um die von ihm so sehr geliebte Frau bemüht, ist für den Zuschauer irritierend.
So verbleibt ein etwas zweideutiger Eindruck – die Kunst, die Handlung voranzutreiben, zu steigern und auf einen Höhepunkt hin zu lenken, geht dem Werk keinesfalls ab, allerdings ist die Stringenz
nicht im ganzen Film klar zu erspüren. Den Zauber eines wahrlich ausgefallenen Gewerbes zu transportieren, ist ihm jedoch gelungen.