Noi Albinoi

IS/D/GB/DK 2003 · 91 min. · FSK: ab 12
Regie: Dagur Kári
Drehbuch:
Kamera: Rasmus Videbæk
Darsteller: Tómas Lemarquis, Thrüstur Leó Gunnarson, Elin Hansdóttir, Anna Fridriksdóttir u.a.

Das blaue Licht

Eine kleine Stadt, versunken im Schnee, einge­klemmt zwischen einem drohend ragenden Berg und dem Meer: Hier gibt es nichts, dass der 17jährige Noi als seine Zukunft aner­kennen könnte.

Noi ist anders. Er passt nicht. Er kann sich nicht anpassen. Oder will er es einfach nicht?

Denn dumm ist er nicht – der Schul­psy­cho­loge hält ihn für ein Genie. Doch Nois Verwei­ge­rungs­hal­tung im Unter­richt stellt den eigent­lich wohl­mei­nenden Direktor vor die Entschei­dung, den Jungen von der Schule zu verweisen.

Nicht, dass das viel ändern würde an Nois Tages­ab­lauf zwischen der schrul­ligen Groß­mutter, bei der er wohnt, und dem unent­schlos­senen Vater, der erwartet, dass sein Sohn etwas aus sich macht, obwohl er sich selbst doch schon aufge­geben hat. Außerdem ist da noch der Buch­händler, in dessen Laden Noi mehr lernt als in der Schule, und des Buch­händ­lers Tochter Iris. Sie ist aus der Stadt in das abge­le­genen Kaff zurück­ge­kommen, und scheint genau so fremd, so anders als die übrigen Bewohner zu sein wie Noi selbst. Die beiden verlieben sich, doch ein halb­her­ziger Flucht­ver­such in eine bessere Welt, nach Hollywood-Muster ausge­führt, scheitert. Ihm bleibt sein Versteck im Keller, der einzige Ort, um wenigs­tens im Traum an Palmen­strände zu fliehen.

Soll man den eigent­lich tragi­schen Schluss als Befreiung verstehen, die Erlösung aus der Unge­wiss­heit kommt vom Berg? Oder wird nur eine Trennung vollzogen, die eigent­lich schon lange ange­deutet war? Die stahl­blaue Kälte der Bilder spiegelt die Isolation des Prot­ago­nisten, jede andere Farbe schockt wie eine Explosion (so der Kessel voll Blut). In den ruhigen Einstel­lungen mischt sich eine an Kauris­mäki erin­nernde Lakonik mit Resi­gna­tion, gebrochen aller­dings durch nicht wenige komische Effekte wie den Einbruch ameri­ka­ni­scher Gangs­ter­filme in islän­di­sche Monotonie oder die Weck­me­thode der Groß­mutter.

So entwi­ckelt Dagur Káris preis­ge­krönter Erst­lings­film eine Ambi­va­lenz zwischen Stagna­tion und Aufbruch, zwischen Faszi­na­tion und Ratlo­sig­keit, die einen noch lange nach dem Abspann weiter grübeln lässt.