Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie

No Name Restaurant

Deutschland 2022 · 122 min. · FSK: ab 6
Regie: Stefan Sarazin, Peter Keller
Drehbuch: ,
Kamera: Holger Jungnickel, Alexander Hasskerl
Darsteller: Luzer Twersky, Haitham Omari, Makram Khoury, Yussuf Abu-Warda, Raida Adon u.a.
Kochen im Sternenrestaurant
(Foto: Alpenrepublik)

Religion ist, wenn man trotzdem lacht

Eine Religionskomödie, geht das? Stefan Sarazin und Peter Keller machen vor, wie das durchaus witzig und intelligent möglich ist

Strandet ein Jude in der Wüste. Trifft dort auf einen Araber, der sein Kamel sucht… Was nach einem gefürch­teten Reli­gi­ons­witz klingt, könnte auch als Plot­zu­sam­men­fas­sung von Nicht ganz koscher durch­gehen. Wäre der Film nicht viel tief­grün­diger, hinter­sin­niger und schlauer, als sein Unter­titel »Eine göttliche Komödie« vermuten ließe. Eine Komödie ist es durchaus, was das Regie- und Drehbuch-Duo Stefan Sarazin und Peter Keller aus der ägyp­ti­schen Wüste mitge­bracht haben. Nicht ganz koscher ist eine Cultural-Clash-Komödie, bei der es jedoch am Ende gar keinen Clash gibt, in der vielmehr von den Brauch­tü­mern und Ritualen der anderen gelernt wird. Der Newcomer-Film ist die konge­niale und höchst vergnü­g­liche Umsetzung einer recht einfachen Grundidee. Ben, ein ortho­doxer Jude aus Brooklyn, soll nach Alex­an­dria reisen, um dort als zehnter Mann das Pessach-Fest der einst größten jüdischen Community zu retten. Weil er sein Flugzeug in Jerusalem verpasst, muss er mit dem Über­landbus durch Ägypten fahren und wird bald auf der Basis einer grausam demo­kra­ti­schen Abstim­mung in der Wüste ausge­setzt – eine pikante Umkehrung der reli­giösen Bedeutung des anste­henden Pessach-Fests, das an den Exodus des jüdischen Volkes aus Ägypten erinnern soll. Der unfrei­willig in die Wüste zurück­ge­kehrte Jude trifft auf den Nomaden Adel, der tatsäch­lich sein entlau­fenes Kamel sucht – so viel Witz muss sein. Im Weiteren geht es um den Sinn reli­giöser Rituale mitten in der Wüste, um Gepäck, das man nicht abwerfen will, aber auch um die Zube­rei­tung von Speisen quasi aus dem Nichts heraus. Ein wenig Mehl und in einer Fels­spalte gefundene Tauben­eier genügen. Der praktisch veran­lagte Nomade lernt: Wenn Ben mitkochen darf, ist es auto­ma­tisch koscher, eine Voraus­set­zung für das gemein­same Mahl. Eine einfa­chere Geste der Versöh­nung zwischen den Welt­re­li­gionen kann man kaum entwerfen, und dass der Film damit durch­kommt, verdankt sich der liebe­vollen Insze­nie­rung. Der Jude und der Moslem sind glei­cher­maßen Köche und Gäste im „No Name Restau­rant“, wie der Film inter­na­tional treffend heißt: Sie kochen gemeinsam im Ster­nen­lokal unter freiem Himmel, mitten in der Wüste. „No Name“, das ist der Gott, den sie beide teilen, für den sie aber keinen gemein­samen Namen haben. Sarazin und Keller garnieren den Wüsten­trip als respekt­volle Buddy-Komödie, die mutig die Skur­ri­li­täten von reli­giösen Ritualen aufspießt. Dazwi­schen nimmt sich der Film immer wieder Zeit für die atem­be­rau­bend foto­gra­fierte Wüsten­land­schaft, und verleiht der komö­di­an­ti­schen Handlung sogar zaghaft philo­so­phi­sche Dimen­sionen. Der Film wurde mit dem Baye­ri­schen Filmpreis 2021 ausge­zeichnet und kann sich leuch­tender Fixstern am ansonsten oft dunklen deutschen Komö­di­en­himmel nennen, voraus­ge­setzt, man sieht den Film im Original. Die Viel­spra­chig­keit ist hier essen­tiell, gespro­chen wird auf Hebräisch, Arabisch, Englisch, was in der Synchro zum deutschen Einheits­brei gerät. Wenn die Voraus­set­zungen stimmen, kann nach­voll­zogen werden, woran jüngst die Documenta geschei­tert ist, denn dies gelingt Sarazin und Keller mit Bravour: Sie jonglieren mit den Klischees über Juden und Paläs­ti­nenser, bringen sie mitein­ander in Dialog und gar zur Versöh­nung, und schaffen am Ende sogar noch, das Chris­tentum einzu­be­ziehen.