USA 2024 · 113 min. · FSK: ab 12 Regie: David Mackenzie Drehbuch: Justin Piasecki Kamera: Giles Nuttgens Darsteller: Riz Ahmed, Lily James, Sam Worthington, Matthew Maher, Willa Fitzgerald u.a. |
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Immer auf der Hut... | ||
(Foto: Leonine) |
Bereits in dem großartigen Thriller Hell or High Water (2016), für den Taylor Sheridan das Drehbuch geschrieben hatte und der mit einem wundervollen Cast (Jeff Bridge, Chris Pine und Ben Foster) eine traurige Geschichte über den Riss, der durch die amerikanische Gesellschaft geht, erzählte, überzeugte David Mackenzie vor allen durch seine slicke, fast schon schwebende Inszenierung, die die Fäden der aufregenden Geschichte fast spielerisch zu einem so furiosen wie überraschenden Finale zusammenführte.
Auch für Mackenzies The Negotiator ließe sich dieser Anfang genau so an das Ende einer Kritik stellen. Mit nur ein paar kleinen Änderungen versehen. Das kluge Drehbuch hat dieses Mal Justin Piasecki geschrieben, ein Drehbuch, das ein langes Leben hatte und ursprünglich den Titel »The Broker« trug und 2019 in die legendäre Liste der besten, unverfilmten Drehbücher aufgenommen wurde, bevor Mackenzie schließlich zugriff.
Die Originalität des Stoffes wird schon in den ersten Einstellungen deutlich, in denen Mackenzie zum einen einen düsteren Thriller über die Unmoral der amerikanischen Wirtschaft zu skizzieren beginnt und zum anderen die ersten feinen Ausläufer einer Liebesgeschichte in den Raum stellt. Das passiert jedoch so unmerklich und erzählerisch geschickt verschachtelt, dass einem der Subtext der Erzählung erst viel später klar wird. Das liegt auch und genauso wie in Hell or High Water an den großartigen Schauspielern, die Mackenzie hier zusammenführt.
Allen voran Riz Ahmed als Ash, der sein Geld als Vermittler von Bestechungsgeldern zwischen Whistleblowern und Unternehmen verdient. Zu seinen Aufgaben gehört es, geheime Treffen zu überwachen, wobei er dank strenger selbst auferlegter Regeln stets anonym bleibt. Anstatt direkt Kontakt aufzunehmen, nutzt er den »Tri-State«-Relay-Dienst, bei dem Telefonisten seine Botschaften vorlesen – so muss er seine Kunden nie treffen und bleibt unauffindbar. Doch als ihn Sarah (Lily James) kontaktiert, die ihr Biotech-Unternehmen wegen eines gefährlichen, insektenresistenten Grases entlarven wollte und nun um ihr Leben fürchtet, bricht er seine eigenen Regeln.
Neben der Charakterzeichnung seiner beiden Hauptdarsteller lässt sich Mackenzie jedoch genug Zeit, um den Nebenrollen ausreichende Kontur zu geben und sie so zu glaubwürdigen, ebenbürtigen Gegnern aufzubauen und dann, ganz nebenbei, auch noch ein toller New York-Film zu sein, der mit der großartigen Kamera von Giles Nuttgens ein New York zeichnet, das man so selten gesehen hat.
Das größte Kunststück gelingt Mackenzie und dem Drehbuch von Justin Piasecki jedoch durch die Fallhöhe der hier porträtierten Moral und ihr ständiges Changieren. Zum einen sind da die Whistleblower selbst, die zwischen Angst und moralischem Impetus hin und her flottieren und im steten Zweifel sind, ob das, was sie tun, gut oder schlecht ist. Denn letztendlich müssen sie sich in einer moralischen Grauzone zurechtfinden, die den Unternehmen selbst fremd ist und müssen sich entscheiden, ob sie durch eine Entschädigungszahlung schweigen und damit auch ihr Leben retten wollen oder ob sie altruistisch sein wollen und dann doch den Schritt wagen, an die Presse zu gehen. Über dieses charakterliche Dilemma zeichnet der Film dann auch das gnadenlose Porträt einer Wirtschaft, die über Leichen geht, um Erfolg zu haben. Das ist an sich nichts Neues, doch erzählt der Film nicht nur detailgetreu die Mechanismen, sondern macht vor den Wirtschaftszweigen nicht halt, die offizielle nur das Beste für unsere globalisierte Welt wollen.
Die gnadenlose Politik der Wirtschaft bleibt jedoch so dezent wie subtil im Hintergrund, genauso wie Ashs psychische Probleme, die rudimentär erzählt werden, aber dennoch ausreichend genug, um den Film zu einem so furiosen wie überraschenden Ende zu führen, in dem sich die aufgezählten Schwerpunkte karussellartig immer wieder und in immer schnellerem Tempo abwechseln und drehen, um schließlich zu einem Halt zu kommen, der wie in Hell or High Water eigentlich kein Halt ist und das Ende wie so oft im Leben der Anfang ist.