USA 1998 · 113 min. · FSK: ab 12 Regie: Richard Linklater Drehbuch: Richard Linklater, Claude Stanush, Clark Walker Kamera: Peter James Darsteller: Matthew McConaughey, Skeet Ulrich, Vincent D'Onofrio, Julianna Margulies u.a. |
![]() |
Bertolt Brecht hat einmal bemerkt, daß es ein wesentlich größeres Verbrechen sei, eine Bank zu gründen als eine Bank auszurauben. Die Gebrüder Newton (deren historisch verbürgte Geschichte die Vorlage für Richard Linklaters Film liefert) gingen einen Schritt weiter als der Marxist Brecht: Sie beschlossen, Bankraub als Unternehmen nach kapitalistischen Prinzipien durchzuorganisieren.
Die vier Brüder Willis, Jess, Dock und Joe erleichterten, zusammen mit ihrem Komplizen
Brent Glasscock, in den Jahren 1919 bis 1924 über achtzig Banken quer durch die USA um ihre Tresorinhalte und beendeten ihre Karriere mit Amerikas größtem Eisenbahnraub – und sind damit (ohne daß bei ihren Beutezügen je jemand ums Leben kam) die bis heute erfolgreichsten Bankräuber in der Geschichte der Nation.
Ihre Story ist im Grunde eine klassische »Vom Tellerwäscher zum Millinoär«-Mär: Die Jungs schlagen sich anfangs mehr schlecht als recht als Farmer und Cowboys durch, bis sie von ehrlicher Arbeit die Nase voll haben und beschließen, auf die andere Seite des Gesetzes zu wechseln. Aber ihre ersten Versuche als Outlaws erweisen sich als derart amateurhaft, daß die Gefahr für Leib, Leben und Freiheit in keinem Verhältnis steht zum Ertrag.
Erst als die Newtons sich darauf der guten, alten
puritanische Werte des Unternehmertums besinnen, verschwinden die Blockaden auf dem steilen Weg zum Erfolg: Die Raubzüge werden minutiös geplant – Pünktlichkeit und reibungslose Arbeitsteilung gehören zu den hohen Tugenden des Geschäfts. Man achtet darauf, Investition und Gewinn in vernünftigem Verhältnis zu halten, ebenso wie auf ein möglichst geringes unternehmerisches Risiko und Vermeidung unnötiger Abfallprodukte – die zwei Gründe, weshalb Mord von den
Brüdern verpönt wird. Und schließlich werden die Gewinne zu einem guten Teil in die Verbesserung der Produktionsmittel und die Expansion investiert – die schönen Früchte des Erfolgs werden stets in überschaubaren Maßen genossen.
Der ehemalige Independent-Star Richard Linklater gibt sich in The Newton Boys genußvoll den Freuden kommerziellen Kinos hin und nutzt seinerseits die zur Verfügung stehenden Produktionsmittel weidlich aus: Die Kamera kann sich kaum sattsehen an der detailbefrachteten Ausstattung; aus jeder Pore des Films strömt ein wohliger Dunst der Gediegenheit.
Dabei schlägt der Film – wie unlängst erst (der freilich ungleich brillantere) Last Man Standing – geschickt die Brücke zwischen den zwei uramerikanischen Genres schlechthin – dem Western und dem Gangster-Film. Und zeigt uns, wie aus dem einsamen Cowboy in einem urbanen Kontext ein bewaffneter Geschäftsmann werden kann, dessen Pioniergeist nun ein neues Betätigungsfeld findet.
Richard Linklaters Film hält zwei ganz unterschiedliche Botschaften bereit: Einerseits verkündet er ganz unverschämt und reichlich subversiv »Verbrechen lohnt sich«. Andererseits aber fügt er auch ganz klar die Voraussetzung hinzu »Wenn man’s richtig anpackt«. Und richtig heißt in The Newton Boys kapitalistisch. Weshalb man dem Film vorwerfen könnte, einem (derzeit üppig wuchernden) Kapitalismus das Wort zu reden, der Recht hat noch vor Staat,
Gesetz und Moral.
Ob man nach The Newton Boys nun also Banken ausrauben, gründen oder zum Ziel skrupelloser Aktien- und Devisenspekulation machen möchte – das muß sich wohl im Einzelfall entscheiden.