Nachmittage der Einsamkeit

Tardes de soledad

Spanien/F/P 2024 · 131 min. · FSK: ab 16
Regie: Albert Serra
Drehbuch:
Kamera: Artur Tort
Schnitt: Albert Serra, Artur Tort
Tardes des soledad
Der schöne Reiz eines vielleicht grausamen Spiels...
(Foto: Filmgalerie 451)

Grausame Schönheit

Der lange Weg zum Sterben: Albert Serras faszinierender Dokumentarfilm »Tardes de Soledad« über den Kampf zwischen Stier und Matador ist pure Philosophie

»Denn bei allem, was wir tun, denken und fühlen, möchten wir manchmal bis zum Äußersten gehen. Der Wunsch wird in uns wach, die Grenzen zu über­schreiten, die uns gesetzt sind. ... Im Wider­spiel des Unmög­li­chen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglich­keiten.« – Ingeborg Bachmann

»Im Äußersten jedoch sind wir entschlossen, zu bejahen, was unser Leben in Gefahr bringt.« – Georges Bataille

Zunächst sieht man Stolz und Einsam­keit. Den Stolz und die Einsam­keit eines Stiers. Noch steht er auf dem Feld, lange vor der Corrida. Er ist wach und konzen­triert. Kräftig steht er da, in seinem Revier.
Dann folgt ein Bild­schnitt und der Matador erscheint, verschwitzt, nach dem Kampf. In einem Auto mit seinen Helfern. Sein Gesicht ist leer. Es hat etwas post­ko­itales. Der Matador, er heißt Andrés Roca Rey, ist ein 28-jähriger Peruaner und in Spanien ein Star – aber dies alles ist nicht weiter wichtig für den Film, der um Grund­sätz­li­cheres kreist – dieser Matador sieht äußerlich uner­wartet knaben­haft aus, und seltsam unmänn­lich. Ein wenig ähnelt er Tom Cruise oder Tom Schilling. Und etwas von Tom Cruise wird ihn den ganzen Film über begleiten: Das Ungreif­bare, Diffuse, Chimäri­sche. Er ist nicht zu fassen, nicht zu erkunden. Vom Leben unberührt, zugleich »blutjung« und uralt.

+ + +

In diesem Film sehen wir Stiere. Und wir sehen Männer bei der Arbeit. Blut auf der Wäsche des Toreros. Eine Wunde an seinem Körper. Dann wieder Stille und Einsam­keit. Ritual, Anmut, Intimität.
Es gibt keine Totalen in diesem Film, nur Nahauf­nahmen oder allen­falls Halb­to­talen.
Dafür extreme Nähe: Das Schnauben des Bullen, das Stöhnen des Menschen...
Das außerhalb des Bildfelds liegende Publikum, das die Arena füllt, ist nur in der Tonspur präsent.

Dies ist eine der bemer­kens­wer­testen Facetten dieser anthro­po­lo­gi­schen Film-Unter­su­chung, die Albert Serra unter­nimmt: Seine Bilder verzichten völlig auf das Spektakel, und konzen­trieren sich ausschließ­lich auf den unglei­chen choreo­gra­fi­schen Tanz, den der Torero und der Stier in der Mitte der Arena aufführen.

Das Ergebnis ist ein sinn­li­ches Fresko, eine physische Erfahrung der atavis­ti­schen Verbin­dung zwischen Mensch und Tier.

+ + +

Dies ist ein Film über Stier­kampf. Ein Doku­men­tar­film. Ein Film, der beide Seiten gleich­be­rech­tigt zeigt: Den Matador und das Tier; das Pro und das Contra dieses Treibens, das man als Sport ebenso beschreiben kann, wie als Ritual. Als Kampf. Als Opfergang. Als Kunstform.

Die Corrida, wie der Stier­kampf in Spanien genannt wird, pola­ri­siert. Aber Tardes de soledad ist kein Film über diese Debatte. Geschickt entzieht er sich allen denkbaren Verein­nah­mungen.

Es ist ein Film über Rituale und Tradition; ein Film über Menschen, die viel wissen, die Spezia­listen sind in ihrem Feld und die die Schönheit dieses Feldes zele­brieren für dieje­nigen, die es zu schätzen wissen. Auch für dieje­nigen, die neu sind und neugierig, die keine Vorur­teile haben.

Vorur­teils­lo­sig­keit ist auch eine gute Voraus­set­zung, um sich diesen Film anzusehen – Regisseur Albert Serra ist einer der Meister des Gegen­warts­kinos mit einer ganz eigen­wil­ligen Film­sprache, die medi­ta­tive und ruhige Elemente mischt mit Action, mit großer Insze­nie­rung und mit der Lust am Va Banque. Und mit einer bild­schönen sehr eigen­wil­ligen Kame­ra­sprache, die die Neugier des Regis­seurs ins Bild fasst und seine selbst­be­wusste Über­zeu­gung, dass der eigene Blick und die eigene Neugier auch für andere inter­es­sant sind.

Stilis­tisch ist dies eine Absage an das Kino der reinen Lang­sam­keit, an Slow-Cinema, dabei eine Hinwen­dung zum Kino des Rhythmus, des »Flow«, der ruhigen Medi­ta­tion.

+ + +

In seinen Spiel­filmen wie etwa Histoire de ma mort über Casanova, Der Tod von Ludwig XIV., Liberté und zuletzt Paci­fic­tion kreist der Katalane Albert Serra immer wieder um das Sterben und den Tod. Sein Stil machte ihn zu einem der wich­tigsten europäi­schen Autoren­filmer. Mit Tardes de soledad hat er erstmals einen Doku­men­tar­film gedreht. Und obwohl der sich um das urspa­ni­sche Sujet des Stier­kampfes dreht, ist es kein Film über Spanien und das Spaniertum.

Der Film ist nicht, wie die NZZ behauptet, »kontro­vers« – sondern ganz im Gegenteil: Er ist gerade nicht kontro­vers und das macht ihn spannend.

+ + +

Tardes de soledad ist eine Annähe­rung an die anthro­po­lo­gi­sche Beziehung zwischen Tier und Mensch, dem Stier und dem Torero.

Dazu gehören die Rituale, Rituale des Tötens und des Kampfes; Rituale der Vorbe­rei­tung auf den Kampf, der Konzen­tra­tion. Dazu gehört die Anklei­de­pro­zedur des Matadors vor dem Kampf, seine kleinen immer­glei­chen Tätig­keiten: Er bekreu­zigt sich dreimal, bevor er sein Jackett anzieht. Er küsst demütig die Kette mit dem Kreuz. In dieser Männer­welt richtet man viele Gebete an Gott und an die Jungfrau.

+ + +

Die Kämpfer kennen die Tiere genau, sie können sie »lesen«, sie wissen auch, wo die Stiere im einzelnen herkommen, wer ihre Züchter sind.

Man sieht den Kämpfern auch beim Denken zu, man sieht, wie sie sich der Gefahr bewusst sind, der sie sich aussetzen. Das Wissen um die Möglich­keit des Stiers, zu töten, um seine Gewalt und Stärke.

Dieser Film schaut dem Tod ins Auge. Es ist ein Film über den Tod, den Tod im Leben. Es ist auch ein Film über das frei­wil­lige Riskieren, der Möglich­keit zu sterben, der sich Menschen hier wie in vielen anderen Hoch­leis­tungs­tä­tig­keiten aussetzen.

Man könnte sagen, dieser Film bringt uns das Sterben bei, es ist ein Film über das »Sterben lernen«, einen univer­salen Topos der Philo­so­phie spätes­tens seit Montaigne. Also selbst pure Philo­so­phie.

+ + +

Albert Serra fragt, warum es uns faszi­niert und was es bedeutet, wenn wir dem Töten und dem Getötet-Werden zuschauen. Er fragt, warum wir das »gefähr­lich-leben« suchen. Die Matadore riskieren ihr Leben und leben dadurch viel­leicht inten­siver? Es ist also auch ein Film über diesen Versuch inten­siver zu leben, und über die Sucht nach der Gefahr des Sterbens.
Und Serra fragt nach dem Verhältnis von Ritualen zu dem Archai­schen des Tötens und Sterbens. Ein Film darüber, warum und wie das Töten und Sterben auch ein Teil des Lebens sind.
Er zeigt uns die Würde der Toten, in diesem Fall der toten Tiere.

Es geht um die Macht der Tradition, wie um Tran­szen­denz, um die Über­win­dung des Todes.

Stier­kampf ist tödlich. Wie die Kunst.

+ + +

Es geht in diesem Film nicht um Schönheit und Grau­sam­keit, nicht um zwei Begriffe oder ein Begriffs­paar, sondern um deren Verschmel­zung, deren Untrenn­bar­keit, um das Zusam­men­spiel von beidem. Es geht also vielmehr um schöne Grau­sam­keit und grausame Schönheit.

So scheint es mir keines­wegs ein »grausamer Reiz« zu sein, den der Stier­kampf auslöst, sondern es ist der schöne Reiz eines viel­leicht grausamen Spiels. Nichts ist »sinnlos« hier, nichts ist »albern« an dieser Erotik der Gren­zü­ber­schrei­tung. Viel­leicht aber hat unsere Welt einfach etwas verlernt und lernt es wieder durch Serras Film. In Zeiten, in denen wir nach Ansicht mancher Politiker kriegs­tüchtig werden sollen, könnten wir für den Anfang viel­leicht vorher erstmal ein bisschen stier­kampf­tüchtig werden.

Blutige Engelsaugen

Albert Serras erster Dokumentarfilm: Der katalanische Ausnahmeregisseur begleitet den größten derzeitigen Stierkämpfer – in der Manege, im Auto, in den Hotels

Es beginnt mit einem Blick: Ein Stier wird gefilmt, nahezu unbe­weg­lich schnaubt er in die Kamera. Es geht eine unbe­dingte Ruhe von dem Tier aus, eine Gelas­sen­heit, die zu jeder Zeit in Aggres­sion und Angriff übergehen kann. Langsam bewegt er sich zur Seite, jeder Muskel im Körper dieser schwarzen Bestie wird ersicht­lich, die Spucke, die aus dem Maul tropft, die gekrümmten Hörner, die von der Stirn abstehen. Es ist ein beein­dru­ckender Anblick, gerade im Wissen dessen, was folgen wird. Dieser (oder besser: Verschie­dene Stiere) werden bekämpft werden, ihres Status als Subjekt beraubt, zu einem Objekt der Manege degra­diert, einem blutigen Kampf, einem gewal­tigen Schau­spiel. Die Tiere werden dabei wechseln, der Kämpfer, der Tänzer, der Matador bleibt gleich: Andrés Roca Rey (28), dem wir in den kommenden 125 Minuten folgen werden, dessen Reak­tionen vor, nach und während dem Kampf nun für immer fest­ge­halten sind.

Ihn zeigt dann auch das nächste Bild, ein abrupter Schnitt reißt uns fort von dem Stier, sein Gesicht wird von jenem Reys ersetzt, und wieder sind es zunächst die Augen, die ins Zentrum rücken. Der Peruaner hat eine außer­ge­wöhn­liche Physis, ist ein ungemein schöner Mensch, gesegnet mit geradezu engels­glei­chen Gesichts­zügen, die sofort an Alain Delon erinnern. Mit jenem teilt er sich ebenso seine Schüch­tern­heit, wobei nie klar wird, inwiefern sein Gebaren gespielt ist, ob wir überhaupt jemals hinter eine fein einstu­dierte, das Leben rein linear betrach­tende Maske blicken. Nur die Augen können nicht lügen, ihr Glänzen nicht einstu­diert werden, der Blick nicht vollends unter Kontrolle gelangen.

Und diese Augen des Andrés Roca Rey zeigen: Nichts, eine voll­kom­mene Leere, ein trauriges Gerade-aus, einen Fokus, der stets in der Zukunft zu liegen scheint, sich es nahezu nie zugesteht einen Moment zu genießen, sondern in Gedanken schon beim nächsten Kampf ist. Beim nächsten Kostüm, beim nächsten Bullen, bei der nächsten Arena, beim nächsten Tanz.

Viel mehr erfahren wir auch nicht von ihm, Serra gibt uns keinerlei Hinter­grund­in­for­ma­tionen, in – wie von ihm gewohnten und erhofften – ewig langen Einstel­lungen wird eine Sinnsuche betrieben, die sich Infor­ma­tionen verwei­gert, und das Kino, das Filmen, als singulären, poeti­schen Blick auf die Welt begreift. Keine Erkenntnis über einen Sach­ver­halt steht hier im Zentrum, viel mehr die Suche nach der Wahrheit, die sich hinter dem Gezeigten verbergen könnte, ausge­führt ohne jede Moral.

Dies geschieht über repe­ti­tive Aufnahmen, natürlich in der Manege, viel aber auch in Hotel­zim­mern, wenn wir Andrés Roca Reys Rituale vor dem Kampf beob­achten: Das Beten, das Ankleiden der kompli­zierten, präch­tigen Stier­kampf­rüs­tungen, vor allem aber die Ruhe und Abge­schie­den­heit, die dabei zu jeder Sekunde zum Ausdruck kommt.

Und Auto­fahrten, immer wieder schier unend­liche Auto­fahrten, weg von der Arena, zusammen mit seinem Team, die die »Vorarbeit« leisten, den Stier wild machen und mit Speeren für den Zweikampf schwächen. Diese Szenen in der Limousine gleichen sich haargenau, sind stets von der selben Perspek­tive aus gefilmt, Rey zentral in der Mitte, neben und hinter ihm seine Gefolg­schaft. Diese Männer ermuntern ihn nach dem Kampf, loben und lobpreisen ihn, geben Infor­ma­tionen für die folgenden Termine. Er selbst bleibt meistens still, antwortet hier und da, manchmal so schüch­tern, wie es seine Erschei­nung vermuten lässt, manchmal herrisch und mani­pu­lativ. Nur der Blick bleibt stets der selbe, immer nach vorne, immer ins scheinbar Ungewisse, selbst, wenn die nächsten Tage bereits minutiös durch­ge­plant sind.

Diese Fahrten erinnern an Bilder von Spit­zen­sport­lern, die zu ihren Fußball- oder Basket­ball­spielen chauf­fiert werden, umzingelt von Managern und Betreuern in schwarzen Anzügen und dazu abge­stimmten, teuren Uhren. Der Dreck und die Anspan­nung der Manege ist hier bereits völlig abgelegt, ersetzt durch spie­gelnde, saubere Ober­flächen, durch braunes, kaltes Leder.

Sein Herzstück aber besitzt After­noons of Solitude (so der wunder­schöne inter­na­tio­nale Titel) natürlich in den Kämpfen. Die Digi­tal­ka­mera erlaubt einen genauen Blick auf das Treiben in der Manege, Gesichter und Gesten können beob­achtet werden, als stünde man direkt daneben. So wird eine gar intimere Stimmung erreicht, als es der Besuch der Arena leisten könnte, eine Direkt­heit, wie sie nur das Kino hervor­bringen kann. Die Kämpfe selbst sind in ebenso langen Einstel­lungen fest­ge­halten wie der Rest des Films, sind ebenso repetitiv gestaltet. In mehreren Long-Takes verfolgen wir das immer gleiche Ritual: Die Schwächung des Bullen und daraufhin der eigent­liche Tanz, Reys Kampf. Nahe steht er vor dem Stier, fast immer blickt er ihm in die Augen. Er lässt ihn anstürmen, dirigiert ihn mit einem roten Tuch, in der letzten Sekunde wechselt er die Richtung, das Tier stürmt vorbei, Rey posi­tio­niert sich neu. So wird der Gegner müde gemacht, bis es schluss­end­lich zum finalen Gnaden­stoß kommt. Rey rammt ihm einen Dolch in den Nacken, die Bestie ist besiegt, die Arena tobt. Die sind die einzigen Sekunde, in denen sich etwas verändert, der Matador lacht, seine Augen lassen für einen kurzen Augen­blick etwas durch­scheinen, das Glück wohl noch am nächsten kommt.

Der Rest dann ist wieder nur Gewohn­heit, dem Stier wird die Kehle aufge­schnitten, anschließend wird er von Pferden zur Schau durch die Arena gezogen. Danach ab zurück in die Limousine, ins Hotel, und alles wieder von vorne, und von vorne, und von vorne.

Diese Kämpfe, gerade die ersten beiden, besitzen eine Dring­lich­keit und Grau­sam­keit, wie es selten auf der Leinwand zu beob­achten ist. Die brutalen Stöße gegen den Stier natürlich, doch auch Rey wird hier mehrfach verletzt, einmal so schlimm, dass es hätte tödlich enden können. Es ist einer der wenigen Momente, in denen das Schau­spiel verlassen wird, sein ganzes Team irritiert auf ihn zu rennt und ihn in Sicher­heit bringt. In dieser Ausnah­me­si­tua­tion ist jeglicher Glamour verflogen, jede Anmut dahin, was wir sehen ist eine kostü­mierte Schau­spiel­truppe, beinahe lächer­lich wirkt hier das gesamte Konstrukt des Stier­kampfes, ein verzwei­felter Versuch, die Natur zu besiegen.

Und doch, so ehrlich muss man sein, es hat eine ungemeine Wirkung, wenn der Kampf denn so verläuft wie angedacht. Es ist brutal, natürlich, doch – gerade durch Serras Kamera – entwi­ckelt sich eine seltsame Poesie, wie man sie womöglich nirgends anders finden kann.

Es ist eine perfekt einstu­dierte Thea­ter­cho­reo­grafie, ein Zusam­men­spiel aus Kostüm (die prunk­vollen Gewänder wurden nun schon zuhauf erwähnt, in ihrem klein­tei­ligen Aufbau, ihrem körper­be­to­nenden, engen Schnitt bauen sie einen Großteil der Faszi­na­tion auf), Körper­hal­tung, Mimik und Gestik. Und natürlich der – wahr­haf­tigen – Bruta­lität des Ganzen. Es wird ein Zwischen­raum erreicht von Insze­nie­rung und Ritual, letzteres durch die Symbolik von echtem Mord, echtem Blut, zudem durch die stets vorherr­schende Tradition. So trinkt Rey etwa nur aus einem kleinen silbernen Becher, der König ist im Stadion, kann dem Bullen in bester Julius-Cäsar-Tradition gar das Leben schenken.

Doch es ist fraglich, wie diese beiden Kate­go­rien zusam­men­hängen, was daraus überhaupt entstehen kann, außer Spektakel, außer einer Studie. Anders als im Ritual soll sich hierbei nichts verändern in der Welt, im Gegenteil, der Stier­kampf frisst sich gewis­ser­maßen selbst, kann der Logik nach nur einen Ausgang haben – sonst stirbt der Matador.

Diese Todes­sehn­sucht ist permanent präsent, ein trauriges Anhängsel dieses blutigen Tanzes, der nur für Sekunden seinen Höhepunkt entwi­ckeln kann. All die Vorbe­rei­tung, das Training, die Zusam­men­ar­beit, läuft auf den immer gleichen Moment hinaus. Das Töten ist dabei nur ein Teil der Insze­nie­rung, wird von den Betei­ligten (womöglich forciert) schon gar nicht mehr ernst genommen. »Life is nothing, you have big balls«, »Fuck the dead.« Dieses Macho­ge­habe ist Teil des Spiels, eine perma­nente gegen­sei­tige Bestä­ti­gung, der Größte zu sein, sich diesen Sieg verdient zu haben, größer und besser zu werden als das Leben selbst. Sieht man dazu diese Bilder, die genaue Studie der Kunst, die diesen Ausrufen zugrunde liegt, dann ist man faszi­niert, erkennt, welche Wucht, welcher Schmerz und welche exis­ten­zi­elle Lebens­weise all dem zugrunde liegt.

Doch die Augen stechen immer wieder hervor, und mit ihnen die totale Sinn­lo­sig­keit, der Wunsch nach dem letzten Triumph, der so nie erreicht werden wird, der immer und immer wieder heraus­ge­for­dert wird, im Staub und Blut der Manege. Das Absolute wird nicht erreicht werden, das Leben setzt ein und kann nicht über­wunden werden. Und so wird die Suche danach einsam und traurig, das Außerhalb dessen selbst immer kleiner.

Wer das Leben bekämpft, der ist dem Tod bereits anheim gefallen. – Dies wird im Stier­kampf (oder besser: in Albert Serras großem Stier­kampf­film) auf unwahr­schein­lich nahbare Weise deutlich, entfaltet eine Trau­rig­keit und Sehnsucht, die nicht zuletzt eine wahr­haf­tige Schönheit in sich trägt.

Es ist ein ambi­va­lenter Film geworden, ebenso streitbar wie poetisch. Und ein Meis­ter­werk.