Mein fabelhaftes Verbrechen

Mon crime

Frankreich 2023 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: François Ozon
Drehbuch:
Kamera: Manuel Dacosse
Darsteller: Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert, Dany Boon, Fabrice Luchini u.a.
Leben und Leiden mit Lügen...
(Foto: Weltkino)

Die fabelhafte Welt des ewig gleichen Zeitgeists

François Ozon beschwört in seiner Screwball Comedy frühe Filme und frühe Formen femininer Selbstermächtigung und noch ein wenig mehr. Das ist nett und amüsant, aber auch etwas belanglos

Schon bei François Ozons letztem Film, Peter von Kant, einer etwas bemühten und über­flüssig moder­ni­sierten Adaption von Fass­bin­ders Die bitteren Tränen der Petra von Kant musste man sich fragen, ob Ozon im Zuge seiner jähr­li­chen Produk­tion eines Films nicht langsam die Puste ausgeht, sind die quali­ta­tiven Gräben zwischen einem Werk wie dem groß­ar­tigen Frantz (2016) und dem in Ästhe­ti­zismen ertrin­kenden Der andere Liebhaber (2017) einfach zu groß, um sich noch vorur­teils­frei über einen „neuen“ Film von Ozon zu freuen, so wie das früher ganz selbst­ver­s­tänd­lich war.

Immerhin ist dieses Mal der Rahmen an sich inter­es­sant, sieht Ozon seinen neuen Film als letzten Teil einer Trilogie über den Status der Frau, der mit „Humor und Glamour“ – erkundet werden soll. So wie in 8 Frauen (2002) und Das Schmuck­s­tück (2010) geht es also auch im abschließenden dritten Teil, in Mein fabel­haftes Verbre­chen, irgendwie um die Selbst­er­mäch­ti­gung der Frau in unter­schied­lichsten sozialen Schichten mit den unter­schied­lichsten Methoden zu unter­schied­lichsten Zeiten.

Für Mein fabel­haftes Verbre­chen hat sich Ozon dezidiert für die Adaption eines Boulevard-Thea­ter­s­tücks aus dem Jahr 1934 entschieden, das bereits 1937 als True Confes­sions und 1946 als Cross My Heart verfilmt wurde und in der damaligen Srewball-Comedy-Hochzeit sehr erfolg­reich funk­tio­nierte.

Ozon lässt sich aller­dings Zeit, bis er Tempo aufnimmt und Dialoge und Szenen wie Domi­no­steine zu fallen beginnen. Statt­dessen führt er seine beiden Heldinnen gemäch­lich und dann immer flotter ein und serviert zum ersten Höhepunkt einen trot­te­ligen Kommissar, der ganz in der Tradition der Filme mit Louis de Funès steht. Das nervt in diesem extremen Epigo­nentum zwar etwas, aber immerhin reißt sich Ozon erzäh­le­risch endlich am Riemen und lässt sein altba­ckenes Krimi-Lustspiel an Fahrt aufnehmen.

Dort geht es dann wunder­weise so zu wie in unserer MeToo-Gegenwart, sind die Anspie­lungen auf Harvey Weinstein und seine „Einla­dungen“ an Schau­spie­le­rinnen ihn doch auf seinem Zimmer besuchen zu kommen, mehr als offen­sicht­lich. Über den Gerichts­pro­zess mit seinen Irrungen und Wirrungen kommt dann auch endlich Glamour ins Spiel, denn Isabelle Huppert (die ja bereits im ersten Teil von Ozons „Ermäch­ti­gungs-Trilogie“ für Glamour sorgte) betritt die Bühne. Die Dialoge verschärfen sich, ohne dass Ozon dabei mutig genug wäre, den im Kontext von Srewball-Komödien nicht selten inte­grierten Slapstick zu posi­tio­nieren. Doch jeder weiß um diese hohe Kunst und wie schnell man durch schlechtes Timing daran scheitern kann, weshalb viel­leicht auch Ozon sich dieses Wagnisses nicht annehmen mochte, obwohl es zumindest zu den Louis de Funèsken-Anteilen seines Films gut gepasst hätte.

Statt­dessen belässt es Ozon bei den Verbal­schlachten um Wahrheit und Lüge und wie sehr sich aus Lügen Profit und letzt­end­lich auch Macht ziehen lässt. Hier verlässt Ozon dann fast seinen femi­nis­ti­schen MeToo-Stand­punkt und dockt gleich noch einmal an unsere Gegenwart hat, die mit ihrem popu­lis­ti­schen Ethos ja nichts anderes tut als die Heldinnen in Ozons Film: lüge nur dreist genug und das Volk ist mit dir. Das ist so klug wie süffisant und auch ein wenig provo­zie­rend.

Aber weil Ozon sich dann doch entscheidet, in seinem anspie­lungs­rei­chen film­his­to­ri­schen Korsett zu verbleiben und nicht einen Funken Dunkel­heit in seiner Insze­nie­rung zulässt, bleibt es bei den simplen, nett gemeinten, allzu bekannten und wenig über­ra­schenden und damit auch ein wenig über­flüs­sigen Kari­ka­turen einer Vergan­gen­heit, die halt auch ein bisschen unsere Gegenwart ist.