USA/GB 2017 · 106 min. · FSK: ab 6 Regie: Roger Michell Drehbuch: Roger Michell Kamera: Mike Eley Darsteller: Rachel Weisz, Sam Claflin, Holliday Grainger, Iain Glen, Pierfrancesco Favino u.a. |
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Melodrama statt Horror |
Nicht nur ihre erfolgreichen Werke zwischen Melodram, Abenteuer und Thriller sorgten dafür, dass die britische Autorin Daphne du Maurier dauerhaft im Gedächtnis der Populärkultur verankert blieb. Besonders die Adaptionen durch Alfred Hitchcock (Riff-Piraten, Rebecca, Die Vögel), Nicholas Roeg (Wenn die Gondeln Trauer tragen) und Robert Hamer (Der Sündenbock) verfestigten ihren Ruf als Vertreterin der romantischen Schauergeschichte. Weniger populär erwies sich der von Roger Mitchell (Notting Hill) neu verfilmte Roman „Meine Cousine Rachel“ von 1951, der zahlreiche vertraute Ingredienzien des viktorianischen Dramas aufweist.
Wo dort allerdings oft eine „Damsel in Distress“, eine verfolgte Unschuld, im Mittelpunkt der Intrigen steht, drehte du Maurier hier die Prämisse um. Als Protagonist diente nun ein junger Erbe im Cornwall von 1830, der seinen unter rätselhaften Umständen verstorbenen Cousin und Ersatzvater abgöttisch verehrte. In dessen ihm unbekannter Frau sieht er gewissermaßen eine Konkurrentin um Liebe und Anerkennung. In mysteriösen, krakeligen Briefe vor seinem Tod verdächtigte der kränkliche Ambrose seine Frau Rachel, ihn langsam vergiften zu wollen. Der zentrale Konflikt konzentriert sich auf die Frage, ob es sich dabei um die Hirngespinste eines schon angeschlagenen Mannes handelte oder ob von der charmanten Frau eine reale Gefahr ausgeht. Kaum begegnet Philip Ashley, dem das Erbe bei seinem 25. Lebensjahr zufällt, der vermeintlichen Mörderin Rachel, erliegt er augenblicklich ihren Reizen.
Es verwundert nicht, dass es in der Nachkriegszeit zur ersten Verfilmung des Gesellschaftsdramas kam. Zahlreiche Beispiele des „Film Noir“ bauten auf die Angst des in seiner Position geschwächten Mannes vor selbstbewussten Frauen, die mit undurchschaubaren Zielen vor Augen bewusst ihre Reize ausspielten. Es rächte sich stets, wenn der Protagonist ein unschuldiges junges Mädchen für eine „Femme Fatale“ verließ. Auch in Henry Kosters Umsetzung von 1952 ignoriert der von Richard Burton verkörperte Phillip Ashley nicht nur alle bedrohlichen Anzeichen um die offensichtliche Schwarze Witwe, sondern ebenso die in ihn verliebte Tochter seines Nachbarn (in der Neuverfilmung seines Anwalts).
Neben den Versatzstücken des „Gothic Horrors“ wie das Auftauchen eines Gehenkten im Prolog, Unwetter als Vorboten tragischer Zuspitzungen, wogende Wellen oder drohende Schwerter über dem Haupt von Hauptdarstellerin Olivia de Havilland setzte Kosters eher gemächliche Inszenierung vor allem auf den Einsatz von Licht und Schatten. Der Entstehungszeit gemäß entstanden viele Szenen im Studio und wurden per Rückprojektion vor die Landschaftaufnahmen gelegt.
Es scheint, als wolle sich Roger Mitchell bewusst davon absetzen, indem er bei seiner opulenten Neuinszenierung in die Vollen geht. Lange Kamerafahrten begleiten die Pferde- oder Kutschausritte über grüne Wiesen und verschneite Landschaften. Zusammenkünfte finden vor leuchtendem Korn oder an der malerischen Küste Cornwalls statt, während eine ausladende Weihnachtsfeier auf dem Landgut von einer Unzahl an Kerzen illuminiert wird. Zwar hält Mitchell den dramaturgischen Bogen straffer als Koster, aber dem Schauerdrama treibt er mit melodramatischer Gründlichkeit streckenweise den Horror aus.
Stärker als an Rebecca erinnert die Neuauflage an Hitchcocks Verdacht, was nicht nur die bedrohlich in den Fokus gerichtete Teetasse der möglichen Giftmischerin als Reminiszenz an Cary Grants leuchtendes Milchglas betrifft. Ebenso erinnert ein riskanter Ritt an den Klippen als Vorbote des Finales an die ähnlich inszenierte Autofahrt vor dem Abgrund mit einer sich unvermittelt öffnenden Wagentür. Beide Werke lenken die Zuschauererwartungen stetig in eine andere Richtung, um ein Gefühl der Unsicherheit zu erzeugen. Unterstützt wird es durch die herausragende Rachel Weisz, der es mit unergründlichem Lächeln und zurückhaltendem Spiel gelingt, ihrer Figur bis zuletzt die nötige Ambivalenz zu verleihen.
Gleichfalls erweisen sich die restlichen Darsteller wie Sam Claflin als allzu naiver Philip trefflich besetzt. Zwar gelingt es Roger Mitchell, die Rolle der Frau innerhalb einer männlich dominierten Gesellschaft zu unterstreichen, die weibliche Autonomie nicht vorsieht und Rachel zur Außenseiterin abstempelt. Doch seine Gegenwartsdramen wie Die Mutter oder Enduring Love konzentrierten sich stärker auf die Psychologie der getriebenen Charaktere, während Meine Cousine Rachel weitaus mehr auf die prachtvolle Ausstattung und die zugegeben elegante Kameraarbeit baut.