Meine Braut, ihr Vater und ich

Meet the Parents

USA 2000 · 108 min. · FSK: ab 6
Regie: Jay Roach
Drehbuch: , ,
Kamera: Peter James
Darsteller: Robert De Niro, Ben Stiller, Teri Polo, Blythe Danner u.a.

Komödien – hat ein kluger Mensch einmal bemerkt – sind Tragödien mit glück­li­chem Ausgang.
Und genau da liegt das Problem von Meine Braut, ihr Vater und ich (Meet the Parents). Denn von Anfang an ist klar, dass der Film sich eines nicht trauen wird: Dem arg gebeu­telten Greg Focker seine geliebte Pam zum Schluss nicht doch noch anzu(ver)trauen. Da mag es noch so eine blöde Idee von Greg gewesen sein, ganz altmo­disch und gent­lem­an­like Pams Vater um die Hand seiner Tochter zu bitten. Da mag sich Daddy (den Greg aus diesem Anlass zum ersten Mal kennen­lernt) als noch so bedroh­li­cher Semi-Psycho­path entpuppen. Da mag das Woche­n­ende bei den Eltern der Ange­be­teten für den zukünf­tigen Bräutigam von einer Kata­strophe zur nächst­größeren schlit­tern. Aber der Sieg der Liebe (und deren trutziger Bestand) steht nie wirklich in Frage, und dass die schreck­li­chen Tage letztlich zum Selbst­er­fah­rungs­trip für Papa Jack werden und den stahl­harten Ex-CIA-Agenten zur gefühls­du­se­ligen Aufgabe seiner über­trie­benen Beschüt­zer­in­stinkte für sein Töch­ter­chen treiben, ist zwar reichlich inkon­se­quent, aber kaum anders zu erwarten.

In der Welt von Meine Braut, ihr Vater und ich bleiben keine Narben. Egal wie schlimm es kommt, es gibt nichts, was nicht heil- und vergessbar wäre. Dabei ist der Film in seiner Erfindung der Verwun­dungen oft so wunderbar diabo­lisch, so gnadenlos perfide. Es sind weniger die physi­schen Debakel, die ihn auszeichnen (das bleibt meist ihm Rahmen ordent­li­chen, vorher­seh­baren Routine-Slap­sticks), als seine Insze­nie­rung seeli­scher Hoch­not­pein. Vor allem zu Beginn, beim ersten Treffen und Essen mit Pams Eltern, gelingt ihm herrlich und mit denkbar wenig Über­trei­bung die Zeichnung der ungeheuer beklem­menden Atmo­s­phäre, der uner­träg­li­chen sozialen Situation, die an der Ober­fläche plau­dernde, lächelnde Höflich­keit erzwingt und darunter so voller exis­ten­ti­eller Spannung, Fall­gruben, Tretminen ist. Mit fast sadis­ti­scher Freude kann man sich da an Gregs Leiden weiden, und sie zugleich so erbärm­lich mitfühlen. Das unsichere Schwanken zwischen Distanz und Nähe (prima getroffen: die erste, depla­zierte Umarmung von Schwie­ger­mutter in spe), die pein­li­chen Pausen im Gespräch, das tastende Formu­lieren unver­bind­li­cher Sätze, das doch dauernd in Fett­näpf­chen tappt, der Versuch, sich gut darzu­stellen, ohne ange­be­risch zu wirken – das alles ist (nicht zuletzt dank der hervor­ra­genden Schau­spieler) ungemein über­zeu­gend einge­fangen und bestens aus dem eigenen Leben wieder­zu­er­kennen. In seinen großar­tigsten Momenten gelingt Meine Braut, ihr Vater und ich ein wirklich scho­nungs­loser Blick in die hölli­schen Tiefen der maßlosen Pein­lich­keit mensch­li­chen Daseins: Wenn Jack Byrnes bei Tisch sein hilflos miss­lun­genes Gedicht an seine verstor­bene Mutter verliest, dann wagt man kaum noch, darüber zu lachen, obwohl es gleich­zeitig zum Brüllen ist – weil das Lachen da an Bereiche rührt, wo es wirklich weh tut.
Und auch wenn der Film die ersten kleinen Ausbrüche aus dem Gehege des Plau­si­blen und Bekannten wagt, dann tut er das mit sicherem Gespür und frechem Mut: Plötzlich ist das Tisch­ge­spräch bei Robert De Niros surrealem Satz »I have nipples, Greg. Could you milk me?« angelangt, plötzt­lich wird ein vermeint­li­cher Scherz zur grausigen Belei­di­gung der Urne der Mutter (worauf der Film dann gleich noch zwei, drei drauf­setzt).

Die ersten Stunden im komplett videoüber­wachten Haus der Byrnes sind ein (nicht nur) ameri­ka­ni­scher Albtraum, der gerade dadurch so eindrucks­voll gerät, weil er sich Zeit nimmt für ganz alltäg­liche Pein, weil er uns mehr (und mit dem ständigem Unbehagen des Ertappten) über unser Spie­gel­bild lachen lässt als über Gags. Das schrammt oft haar­scharf daran vorbei, aus der Komödien-Schiene zu kippen, und das macht es so stark. (Seltsam blass und nüchtern scheinen auch die Farben des Films, ganz ohne das quietsch­bunte Heiter­keits­ge­hei­sche, das die schwächeren Vertreter des Genres so gern betreiben.)
Aber das ließe sich auf Dauer nicht durch­halten, ohne dann auch irgend­wann eher schmerz­liche als lustige Konse­quenzen zu ziehen. Eine ganze Weile behält Meine Braut, ihr Vater und ich noch etwas von seinen Qualitäten (in vielen der Szenen mit Pams Ex-Verlobtem, der in allen Dingen so viel besser und begabter ist als Greg, werden sie spürbar), aber sie verlieren sich immer mehr. Je größer und abstruser die Debakel werden, die Greg verur­sacht, je weniger nach­hal­tige Wirkung scheinen sie zu haben. Andauernd werden Sachen vergeben und vergessen, die eigent­lich nicht zu vergeben und zu vergessen sind. Und immer pene­tranter wird die Tendenz des Films, neue Gags mitsamt ihrer Grund­lagen aus dem Hut zu zaubern, anstatt metho­disch weiter­zu­ver­folgen, was er zuvor aufgebaut hat. Pams Bruder existiert wohl nur, damit Greg von Daddy mit einem Joint erwischt werden kann – wie er es schafft, im Haus seines ultra­pa­ra­no­iden Vaters mit allerlei Narren­frei­heit zu leben, inter­es­siert nie. Dass das Gepäck, das als vermeint­lich Gregs auf dem Flug verlo­renes ange­lie­fert wird, nicht seines ist und Verfäng­li­ches enthält, ahnt jeder Mensch, der schon mal mehr als zwei Komödien gesehen hat – und genauso ist’s, und Rolle spielt’s im weiteren Verlauf gar keine.
Eine der schönsten Szenen im Film kommt relativ spät – und steht in keinerlei Verbin­dung zum Rest: Gregs vergeb­li­cher Kampf gegen die Sturheit einer robo­ter­glei­chen Flug­li­nien-Bediens­teten. (Wie die anderen zwei, drei High­lights wurde dieses übrigens blöder­weise in den diversen Trailern fast zur Gänze verbraten und verraten.)

Das alles dient wohl dazu, die Bahn frei zu kriegen zum unver­meid­li­chen Happy End. Denn die psycho­lo­gi­schen und sozialen Abgründe, die sich da anfangs mit solch finsterer Genüß­lich­keit aufgetan haben, wollen zuge­schüttet sein. Die Wunden, die da geschlagen wurden, wollen verheilt sein. Und zwar mit verlo­gener Kino-Gründ­lich­keit, die es sich nicht leisten kann, ernst zu nehmen, was dem Film zunächst Heraus­ra­gendes gelang. Aber je heiterer Meine Braut, ihr Vater und ich dabei wird, je flacher und unüber­zeugter wird auch das Lachen. Da kann dann auch der aller­letzte Dreh ins nicht ganz so Friede-Freude-Eier­ku­chen-mäßige nichts mehr retten, der leider nur noch aufge­setzt ist: Meine Braut, ihr Vater und ich wäre eine bessere Komödie geworden, wenn er den Mut gehabt hätte, wenigs­tens ein bisschen Tragödie zu sein.