USA 2013 · 112 min. · FSK: ab 16 Regie: Luc Besson Drehbuch: Luc Besson, Michael Caleo Kamera: Thierry Arbogast Darsteller: Robert De Niro, Michelle Pfeiffer, Dianna Agron, John D'Leo, Tommy Lee Jones u.a. |
||
Kaum Raum für Zwischentöne |
Auch wenn Robert De Niros Schauspielkarriere bereits vor knapp fünfzig Jahren ihren Anfang nahm, besitzt sein Name nach wie vor große Strahlkraft. Wohl vor allem deshalb, weil sich einige seiner Rollen tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben haben. So etwa der ruhelose Travis Bickle aus Taxi Driver oder der unberechenbare Jake LaMotta in Wie ein wilder Stier. Immer wieder sind es Figuren mit einer nahezu pathologischen Neigung zu Gewalt, die nach Ansehen streben. Nicht selten auch nach Macht. Zu einer Konstanten in De Niros Leinwandschaffen entwickelte sich fast zwangsläufig der Gangsterfilm. Der Pate – Teil 2, Es war einmal in Amerika, The Untouchables – Die Unbestechlichen, Goodfellas, Casino oder Heat, um nur einige Beispiele zu nennen – die Liste seiner erinnerungswürdigen Auftritte im Genre ist lang. Sonderlich verwundern muss es daher nicht, dass der ikonenhafte Mime nun in der Romanadaption Malavita – The Family als abgehalfterter Gangsterboss zu sehen ist.
Anders als üblich, hat De Niros Figur hier jedoch dem organisierten Verbrechen abgeschworen. Vordergründig zumindest: Giovanni Manzoni ist ein ehemaliger Mobster aus New York, der eine Reihe ehrenwerter Freunde an das FBI verraten hat und daraufhin unter falschem Namen im Zeugenschutzprogramm Zuflucht suchen muss. Als Fred Blake wird er nach diversen gescheiterten Versuchen, ein unauffälliges Leben zu führen, mit seiner Frau Maggie (Michelle Pfeiffer) sowie den Kindern Belle (Dianna Agron) und Warren (John D’Leo) in die tiefste französische Provinz geschickt. Ein Kaff in der Normandie, in dem die Zeit still zu stehen scheint.
Geschichten über Figuren im Zeugenschutz erfreuen sich grundsätzlich großer Beliebtheit, denn eine fremde Umgebung, Anpassungsschwierigkeiten und unvermeidliche Missverständnisse liefern ausreichend Stoff für konfliktreiche Handlungsverläufe. Halbwegs gelungen präsentiert sich dieses Konzept etwa in der von Netflix produzierten Serie Lilyhammer, die einen amerikanischen Gangster in die norwegische Einöde versetzt und an seiner neuen Umgebung fast verzweifeln lässt. Obschon ein serielles Format über ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten verfügt als ein knapp zweistündiger Kinofilm, lässt sich der Zusammenprall von Temperamenten und Kulturen auch auf der großen Leinwand gewitzt und facettenreich erzählen. Luc Besson, der für Regie und Drehbuch (Co-Autor: Michael Caleo) von Malavita verantwortlich zeichnet, scheint daran aber nicht im Geringsten interessiert zu sein. Vielmehr entfacht er ein Plattitüden-Feuerwerk, das allein auf den offensichtlichen Witz abzielt.
Auf der einen Seite stehen die Blakes, die jedem Missverständnis, jeder Provokation mit Gewalt begegnen, nicht auf ihre geliebte Erdnussbutter verzichten wollen und zur Begrüßung der Einheimischen – wie es sich für Amerikaner zu gehören scheint – zu einem deftigen Barbecue laden. Auf der anderen Seite die französischen Dorfbewohner, bei denen es sich entweder um hinterwäldlerische Jugendliche oder besserwisserische Feingeister und -schmecker handelt. Klischees sind angesichts der Grundidee gewiss nicht zu vermeiden, müssten, um den Horizont der Geschichte zu erweitern, aber ironisch gebrochen werden. Besson belässt es bei einer Gegenüberstellung und nutzt das französische Umfeld nur als Kulisse und Katalysator für die überzogenen Ausfälle der ehemaligen Mafiafamilie. Gebäude wie der örtliche Supermarkt werden zerstört und Menschen, zum Teil, grundlos verprügelt. Das alles soll möglichst komisch sein, hinterlässt mit zunehmender Dauer aber einen faden Beigeschmack, da der Film orientierungslos zwischen Farce, Familienkomödie und zynisch-brutalen Gewalteinlagen hin- und herspringt.
Ebenso unentschlossen sind die wiederholten Versuche, Malavita als doppelbödige Parodie auf den Gangsterfilm anzulegen. So will Fred sich nicht mit dem einschläfernden Leben im Zeugenschutz zufriedengeben und fasst daher den Entschluss, seine Gangstermemoiren niederzuschreiben. Ein eigentlich interessanter Gedanke, da er zu einer amüsanten Selbstreflexion des Protagonisten führen könnte. Umso ärgerlicher, dass sich der Nebenstrang in der Ausführung als aufgesetzter Running Gag entpuppt, der allzu offensichtlich um Lässigkeit bemüht ist, ohne der Figur des Ex-Paten weitere Substanz zu verleihen. Halbherzig wirkt auch die Hommage an den Genreklassiker Goodfellas, der gegen Ende des Films im hiesigen Kino-Club gezeigt wird. De Niro kann sich hier an seinem eigenen Werk ergötzen. Eine metatextuelle Verneigung in doppeltem Sinne. Schließlich fungierte Goodfellas-Regisseur und Gangsterfilm-Connaisseur Martin Scorsese bei Malavita als ausführender Produzent.
Nachhallen können diese Szenen allerdings nicht, denn der bleigeschwängerte Showdown, in dem die verratenen Mafiabosse aus den USA blutige Rache nehmen wollen, dreht das Geschehen endgültig ins Absurde. Womöglich soll auch dieser Teil als Parodie gelesen werden. Immerhin begegnen wir hier bewusst überzeichneten Gangstern mit dunklen Anzügen und schwarzen Hüten. Viel Raum für subtile Zwischentöne bleibt letztlich aber nicht. Das verdeutlicht auch ein Blick auf die Protagonisten selbst. Obwohl die Blakes aufgrund ihrer exzessiven Neigung zu Gewalt das konservative Familienbild bisweilen ad absurdum führen, treten sie ihren Feinden nun, klassischen Helden gleich, geschlossen entgegen. Traditionelle Werte wie Loyalität und Zusammenhalt werden pistolenschwingend beschworen und untergraben nahezu alle subversiven Anklänge.
Auf den Punkt gebracht: Malavita – The Family will vieles auf einmal sein, verheddert sich jedoch hoffnungslos in den eigenen Ansprüchen und ist damit ein Angebot, das der Zuschauer guten Gewissens ablehnen kann.