Spanien 2014 · 104 min. · FSK: ab 16 Regie: Alberto Rodríguez Drehbuch: Rafael Cobos, Alberto Rodríguez Kamera: Alex Catalán Darsteller: Javier Gutiérrez, Raúl Arévalo, María Varod, Perico Cervantes, Jesús Ortiz u.a. |
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Unaufdringlich dargelegte Hintergründe |
Schon die Titelsequenz hat es in sich: Aus der Vogelperspektive blicken wir auf eigenwillige Landschaftsstrukturen. Unterschiedliche geometrische Muster formieren sich zu einem Panorama von seltsam betörender Schönheit. Auf dem Boden angekommen, erscheint der Handlungsort allerdings unwirtlich und harsch. Eine sumpfige Gegend im tiefsten andalusischen Süden. Dort, wo zahlreiche Zuflüsse des Guadalquivir ein unübersichtliches Geflecht ergeben. Verschlagen hat es in diesen abgelegenen Landstrich zwei Kriminalbeamte aus dem fernen Madrid, die das mysteriöse Verschwinden zweier Schwestern im Teenager-Alter aufklären sollen. Unter einem schlechten Stern steht bereits ihre Anreise, die alles andere als reibungslos verläuft. Juan (eindringlich impulsiv: Javier Gutiérrez) und Pedro (unterschwellig brodelnd: Raúl Arévalo) bleiben mit ihrem Wagen mitten in der Pampa liegen. Ein erstes Hindernis, dem weitere folgen werden.
Verortet ist der von Alberto Rodríguez inszenierte und mit zahlreichen Preisen bedachte Kriminalthriller im September 1980, fünf Jahre nach dem Tod des allmächtigen Diktators Franco, dessen Terrorherrschaft das Denken und Handeln der Menschen noch immer beeinflusst. Der Ausbau der jungen Demokratie schreitet voran. Die Schatten der Vergangenheit sind aber längst nicht überwunden, zumal eine ernsthafte Aufarbeitung ausgeblieben ist. Ein Mantel des Schweigens hat sich über die Gesellschaft gelegt. Alte Kräfte sind nach wie vor aktiv und behindern eine konsequente Erneuerung. Zu spüren bekommt dies auch der linke Idealist Pedro, der nach heftiger Kritik am Militär seinen Arbeitsplatz Madrid verlassen muss und ins Marschland Andalusiens beordert wird. An die Seite stellt man ihm mit dem etwas älteren Polizisten Juan einen harten Hund, der weder vor Gewalt noch vor illegalen Abhörmethoden zurückschreckt.
Zum üblichen Genre-Spiel gehört es, dass Rodríguez und Koautor Rafael Cobos die beiden Kommissare zunächst als Antipoden zeichnen. Hier den werdenden Vater, der den politischen Richtungswechsel verkörpert. Dort das kompromisslose Raubein, dem unrühmliche Taten aus der Franco-Ära nachgesagt werden. Misstrauen bestimmt die Beziehung der Beamten, auch wenn sie im Sinne des Falls zumeist bemüht sind, an einem Strang zu ziehen. Je länger die Ermittlungen andauern, umso deutlicher bricht das Drehbuch allerdings die gegensätzliche Darstellung auf. Während Pedro zunehmend mit seiner dunklen Seite konfrontiert wird, erweist sich Juan als höchst loyaler Partner. Eine reizvolle Gemengelage, die immer wieder angereichert wird mit Hinweisen und kleinen Beobachtungen zum angespannten Klima der Übergangszeit. Beleg für das Fortleben des faschistischen Gedankenguts ist etwa ein mit Hitler- und Franco-Porträts verziertes Kruzifix, das Pedro in seinem Hotelzimmer entdeckt.
Das Unbehagen, das die gesellschaftspolitischen Anspielungen erzeugen, findet sich gespiegelt in den grandiosen Bildern von Kameramann Alex Catalán, der die weitverzweigte Flusslandschaft stimmungsvoll einfängt. Der bräunliche Anstrich der Aufnahmen erinnert an das Kino der 1970er und frühen 1980er Jahre und lässt den Zuschauer zudem die drückende Hitze spüren, die bis zum dramatischen, regendurchtränkten Showdown auf dem Gezeigten lastet. Gelegentlich schaut die Kamera aus luftiger Höhe senkrecht auf das Geschehen herab, womit Rodríguez und Catalán ein Gefühl der Ausweglosigkeit heraufbeschwören.
Die Kriminalgeschichte, von der La Isla Mínima – Mörderland erzählt, besteht aus vertrauten Versatzstücken, weitet sich mit dem Auffinden der übel zugerichteten Mädchenleichen aber dennoch zu einer fiebrig-fesselnden Killerhatz samt umsichtig platzierter Aktionsmomente aus. Abheben kann sich der spanische Country Noir von formelhafter Fließbandware aus Hollywood nicht zuletzt durch die unaufdringlich dargelegten Hintergründe, die das brutale Morden begünstigen. Wie sich zeigt, treibt der Wunsch, das rückständige, wenig perspektivreiche Landleben hinter sich zu lassen, die jugendlichen Opfer geradewegs in ihr Verderben. Ein weiterer Mosaikstein, der den düster-beklemmenden Provinzthriller mit politischen Untertönen zu einem besonderen Spannungserlebnis macht.